Heringhausen. Nach 64 Jahren wird die Fleischerei Bültmann in Heringhausen Silvester um 12 Uhr für immer schließen. Für das Ladenlokal gibt es einen Plan.
Es schwingt Wehmut mit in diesem Tagen. Nach 64 Jahren wird am Silvestertag die Fleischerei Bültmann in Heringhausen schließen. Und auch die Filiale in Ramsbeck wird dann zum allerletzten Mal geöffnet sein. Hausmacher Blutwurst, Hausmacher Leberwurst, Hausmacher Schinken - die Liste der Spezialitäten, mit denen sich die Fleischerei über Jahrzehnte einen Namen in der Region gemacht, ließe sich lange fortführen. All das geht in diesen Tagen zum letzten Mal über die Ladentheken der Traditions-Fleischerei und wird sogar per Post verschickt. Das fällt nicht nur Joachim und Doris Bültmann schwer, sondern auch den Kunden. Sie kamen bereits vor Weihnachten in Scharen, um sich ein letztes Mal mit all dem einzudecken, was sie über Jahre schätzen und lieben gelernt haben.
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„Ich habe eigentlich gedacht, dass es nach Weihnachten mal ein wenig ruhiger wird“, sagt die 58-jährige Doris Bültmann und lacht. Heute weiß sie es besser. Ihr Mann Joachim und sein Team kann hinten in der Fleischerei gar nicht so schnell produzieren, wie die Ware vorne wieder den Laden verlässt. Ein wahrer Endspurt auf der Zielgeraden.
1979 hat der heute 64-jährige Joachim Bültmann das Geschäft von seinen Eltern übernommen, die es 1957 eröffnet hatten. Ein Familienbetrieb mit drei Mitarbeitern in der Fleischerei und neun Mitarbeiterinnen im Verkauf. Ein erfolgreicher Familienbetrieb! Deshalb hätten Joachim und Doris Bültmann ihn auch gern noch ein paar Jahre weitergeführt. „Aber es ging einfach nicht mehr“, sagen die beiden unisono. Denn: Es fehlt an Personal. Und das nicht erst seit gestern, sondern bereits seit langer Zeit.
Keine Auszubildenden
Und mit diesem Problem stehen die Bültmanns keineswegs alleine da. Vielen anderen Metzgereien und Fleischereien ergeht es nicht anders. Und dabei ist es keineswegs so, dass die Bültmanns sich nicht um Personal bemüht hätten. „Wir haben wirklich alles versucht“, sagen sie. „Keine Chance“, ergänzt Joachim Bültmann. Der Nachwuchs fehle schon von unten, sagt er. Jahrzehntelang hat der 64-Jährige in seinem Betrieb auch ausgebildet. „Seit 10 bis 15 Jahren nicht mehr“, schätzt er. Grund: Es finden sich keine Azubis. Und heutzutage sei nicht mal mehr an Quereinsteiger dran zu kommen. „Das ist wirklich traurig“, sagt Bültmann.
Derweil hielt das Personal dem Ehepaar zum Teil jahrzehntelang die Treue. „So schlecht kann es bei uns also nicht sein“, sagt Joachim Bültmann und schmunzelt. Kaum einer der Angestellten sei vor dem Erreichen des Rentenalters gegangen. Ganz im Gegenteil: Der 68-jährige Karl Helmuth Klamandt packt Joachim Bültmann in der Fleischerei sogar während der Rente nebenbei weiter mit an, weil er um den Stress seines Chefs weiß. Klamandt arbeitet seit 1988 bei Bültmanns.
Zu keiner Zeit bereut
Trotz der Personal-Probleme und dem gestiegenen Stress: Bereut hat Bültmann die Übernahme des elterlichen Betriebes zu keiner Zeit. Im Gegenteil! „Das hat immer sehr viel Spaß gemacht“, sagt er während Doris Bültmann zustimmend nickt. Beide schwärmen von der Kundschaft, die bei Weitem nicht nur aus Bestwig kam, und von ihrem Team, auf das man sich immer habe verlassen können. Nicht nur auf Angelika Kollmann, die mit ihren 68 Jahren so etwas wie die treue Seele des Geschäftes gewesen sei. „Wirklich auf alle“, betont Doris Bültmann ausdrücklich.
Umso schwerer sei es ihr im Sommer gefallen, die Kündigungen zu schreiben. „So etwas macht man ja nicht gern“, sagt die 58-Jährige, die nicht nur für den Verkauf im Laden, sondern auch für die Büroarbeiten zuständig war. Immerhin: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ohne große Probleme einen neuen Job gefunden.
Kein langer Leerstand
Vor Weihnachten hat Joachim Bültmann die letzten Schweine geschlachtet, am Tag nach Weihnachten den letzten Bullen. Silvester um 12 Uhr mittags wird seine Frau Doris zum allerletzten Mal den Schlüssel des Ladens an der Bestwiger Straße in Heringhausen umdrehen. Wie sich das für sie wohl anfühlen wird? „Das wird bestimmt komisch“, sagt sie. Aber so richtig Gedanken habe sie sich darüber noch nicht wirklich gemacht. Dafür gebe es im Moment noch viel zu viel zu tun.
Freuen dürfen sich auf jeden Fall die Enkelkinder von Joachim und Doris Bültmann. Sie sollen in den Genuss der Zeit kommen, die den beiden zuletzt so oft gefehlt hat. Und freuen dürfen sich auch die Heringhauser. Denn einen langen Leerstand im Ort wird es mit der Schließung der Fleischerei nicht geben. Zu Beginn des kommenden Jahres will die Familie Möller-Winter aus Eversberg einen Hofladen in dem Ladenlokal eröffnen. Es müssen nur noch ein paar Details geklärt werden - aber dafür ist ja ab Silvester wieder ein bisschen mehr Zeit!
- Bültmanns Schinken reifte vor dem Verkauf rund ein Dreiviertel oder gar ein ganzes Jahr.
- „Das ist es, was den Geschmack ausgemacht hat“, verrät Joachim Bültmann.
- Der Fleischermeister hat sich seine Tiere auf den Höfen stets selbst ausgesucht.
- Zum einen, um seinen Kunden so die bestmögliche Qualität zu gewährleisten, zum anderen aber auch, um sich ein Bild von der Haltung zu machen.
- Die Fleischerei Bültmann war in der Region damals eine der ersten Fleischereien, die einen Partyservice angeboten hat.