Meschede. Die meisten lassen sich gegen das Coronavirus impfen, einige nicht. Hier sind sechs sehr persönliche Meinungen aus der Redaktion Meschede.
Früher sagten Leute häufig Sätze wie: „Schönes Wetter heute.“ Inzwischen gibt es öfter diesen Gesprächseinstieg: „Und, schon geimpft?“ Die Impfung gegen das Coronavirus ist ein prägendes Thema im Alltag geworden. Wer hat denn schon? Wer möchte noch? Wer lehnt lieber ab? Hier beschreiben Mitglieder der Redaktion Meschede ihre Meinung zur Impfung. Was uns wichtig ist: Wir wollen unsere persönliche Perspektive schildern - wir wollen nicht den moralischen Zeigefinger erheben. Es sind auch nicht alle geimpft, wie zu lesen ist. Die Beiträge geben Einblicke in unsere Entscheidungen, die jeder für sich selbst getroffen hat. Was sie sollen: Anregen, um über das Thema zu diskutieren.
Vertrauen massiv erschüttert
Patrick Schlos: Ja: Ich bin (noch) nicht geimpft. Dabei bin ich keineswegs Impfgegner - im Gegenteil habe ich früher gerne für das Impfen gestritten und selbstbewusst vertreten, warum der Nachwuchs komplett durchgeimpft worden ist. Warum das jetzt anders ist, mögen Sie sich fragen? Kurzum, ich habe trotz intensivem Nachdenken wenig Vertrauen.
Dabei will ich den Forschern gar nicht das Können absprechen. Und ich sehe in der Impfkampagne auch keinen Versuch, die Menschheit zu „chippen“ oder ähnlichen Unsinn. Ich sage aber ganz ehrlich: Mein Vertrauen in große Teile der Politik ist durch die Krise massiv erschüttert worden. Und das nun genau jene Politiker den Impfstoff penetranter bewerben und (vernünftige) Kritik eleganter abbügeln, als es so mancher Teleshopping-Moderator jemals könnte und teilweise Zwang einsetzen wollen, wirkt sich nicht förderlich auf meine Impfbereitschaft aus.
Auch skandalöse Maskendeals und die sehr einseitige Umdeutung einer wissenschaftlichen Debatte in vermeintliche Tatsachen beim Thema Ausgangssperren habe ich in diesem Zusammenhang (leider) noch im Hinterkopf. Ob meine Vorbehalte berechtigt sind oder nicht, kann ich nicht sagen. Auch ich sehe die positiven Seiten der Impfung und möchte den Medizinern glauben. Skepsis ist bei vielen Menschen wie mir aber trotzdem da. Ich sehe Parallelen zur Kriminalitätsstatistik: Tatsächliche Zahlen decken sich nicht immer mit Ängsten, die teilweise durch jahrelange politische Versäumnisse entstanden sind.
Anstatt aber daran zu arbeiten, Vertrauen zurückzugewinnen, wird seitens der Politik lieber immer weiter auf Konfrontation gesetzt und mit teilweise fadenscheinigen Argumenten eine angebliche Gefahr durch Ungeimpfte herbeigeredet. All das, während Tests de facto abgebaut werden sollen, die Möglichkeit der Herdenimunität (Dänemark) sowie die Nicht-Verbreitung durch Geimpfte (CDC-Studie) wissenschaftlich mindestens wanken und offenbar nicht einmal die Hersteller selbst dafür garantieren wollen, dass die neue Technologie auf Dauer sicher ist - wie man aus geleakten Geheimverträgen ableiten könnte. Ob das die richtige Strategie ist, Skeptiker kurzfristig zu gewinnen, bezweifle ich. Ich jedenfalls würde mir deutlich mehr Ehrlichkeit statt unkritischer Dauerwerbung und Tagespolitik wünschen - dann klappt es bestimmt auch mit dem Impfen.
Nach Abwrackprämie auch Impfprämie
Jürgen Kortmann: Ich mag keine Aufgeregtheiten. Deshalb habe ich mich in der Corona-Zeit auch nicht davon anstecken lassen und konnte ruhig schlafen. Denn man muss die Zahlen doch betrachten: 10.000 Infizierte in jetzt 19 Monaten, bei 260.000 Einwohnern im HSK. Das relativiert die Dramatik, oder? Über die Grippe hat niemals so viel in der Zeitung gestanden, zugegeben. Die Politik hat sich auch niemals so sehr um die Grippe gekümmert, wie um Corona. Ist die Grippe deshalb harmloser? Ich habe da für mich noch keine Antwort darauf gefunden.
Ich war nicht bemüht darum, jetzt schnell eine Corona-Schutzimpfung zu bekommen. Alte und Kranke hatten da Vorrang. Inzwischen habe ich die erste Impfung. Es gab einen Sinneswandel, ja. Wenn man schon mit Betroffenen spricht, sollte man auch darüber nachdenken, was sie berichten. Schockierend war für mich, wie der Mescheder Kinderarzt Dr. Armbrust seine Covid-19-Erkrankung schilderte – da hat es eben keinen irgendwie Gefährdeten oder Vorbelasteten getroffen, sondern jemand Normales, mitten im Leben. Und zwar heftig. Und entwaffnend war für mich, als Kreisgesundheitsamtschef Dr. Kleeschulte auf die Frage antwortete, ob ein Körper nicht selbst mit einer Erkrankung klarkommen müsse: „Völliger Schwachsinn! Warum soll sich der Körper damit selbst auseinandersetzen und mögliche schwere Komplikationen in Kauf nehmen?“ Ja, warum eigentlich?
Inzwischen bin ich von den Impfungen überzeugt. Man hört nichts mehr von Alten, die an Corona sterben. Die Zahl der Todesfälle im HSK im Zusammenhang mit Covid-19 stagniert. Ja, beim Friseur gestern wurde von Impfkritikern erzählt, die von einer angeblich steigenden Zunahme von Erblindungen nach Impfungen berichteten – worüber öffentlich nie berichtet würde. Ja, weil es sie nicht gibt? Weil es ausgemachter Blödsinn ist? Ich bin auch dafür, neue Impf-Anreize für die noch Unwilligen zu schaffen. Macht doch eine Riesen-Lotterie mit tollen Preisen auf staatlicher Ebene daraus! Warum denn nicht? Meine Güte, wir haben 2009 schon eine staatlich geförderte Abwrackprämie für Autos gehabt, die noch funktionierten! Warum also jetzt nicht das Impfen fördern? Von mir aus auch mit 50 oder 100 Euro bar auf die Hand. So würden doch bei der Gegenrechnung Unsummen im Gesundheitswesen für die Versorgung Corona-Erkrankter eingespart.
Bei der Suche nach meinem Impfausweis habe ich übrigens mein altes Impfbuch gefunden. Darin ist noch eine Eintragung von meiner (damals noch verpflichtenden) Pockenschutzimpfung von 1975. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es damals solch eine Aufregung ums Impfen gab. Im Gegenteil. Sie hat Leben gerettet.
Der Pandemie den Kampf ansagen
Christina Schröer: Ich bin inzwischen seit fast drei Monaten durchgeimpft und muss zugeben, dass ich bei meiner Entscheidung für die Impfung im Frühjahr nicht nur daran gedacht habe andere zu schützen. Ich habe dabei sehr wohl auch an mich, meine Gesundheit, aber auch - das mag egoistisch klingen - an meine Freiheiten gedacht. Für mich stand aufgrund bestimmter Umstände, die mir in meiner Heimatstadt Hagen früh eine Impfung ermöglicht haben, bereits Ende März die erste Injektion mit Biontech an.
Das vergleichsweise zeitige Angebot habe ich in erster Linie dankend angenommen, da mein Partner zu diesem Zeitpunkt bereits über seinen Arbeitgeber geimpft wurde und ich gerne zeitgleich mit ihm die möglichen Freiheiten wie Sicherheiten der Impfung genießen wollte. Während vor einigen Monaten die Aussicht auf schwindende Kontaktbeschränkungen und das Umgehen der Ausgangssperre interessant für mich klangen, habe ich inzwischen nur noch den Wunsch, dass jeder von uns mit der Entscheidung für die Impfung der Pandemie den Kampf ansagt und so die Schwachen und Alten davor bewahrt werden, schwer an Covid-19 zu erkranken. Dass wir mit unseren digitalen Impfpässen nun nahezu uneingeschränkt reisen dürfen und gegenüber Ungeimpften womöglich bald weitere Vorteile haben, empfinde ich inzwischen eher als nebensächlich.
Ich hoffe wirklich, dass Personen, die noch nicht geimpft sind, die Einschränkungen, die sie betreffen, noch einmal zum Anlass zu nehmen, um über die Impfung nachzudenken. Ich habe jedenfalls meine Probleme damit, wenn Menschen, die sich ungesund ernähren, stark rauchen oder anderweitig sorglos mit ihrem Körper umgehen, ausgerechnet im Impfstoff die große Gefahr für ihre Gesundheit sehen.
Die Einschränkungen müssen fallen
Oliver Eickhoff: Für mich sind Impfungen keine Besonderheit. Mein gelber Impfpass ist voll mit Stickern, Stempeln und Unterschriften. Ich schaue mir gern fremde, auch weiter entfernte Länder an und deshalb schütze ich mich vor möglichen Risiken: Gelbfieber, Tollwut, japanische Enzephalitis - gegen alle diese Erreger gibt es Impfungen und ich habe sie bekommen und vertragen. Ich nutze sogar die jährliche Grippeschutzimpfung seit einigen Jahren.
Das kam so: Ich knallte daheim mit fast 40 Fieber aufs Sofa und dachte: Das wird bis Morgen schon wieder. Es wurde aber für drei Tage nicht wieder. Wer nie eine wirkliche Grippe gehabt hat, kann sich nicht vorstellen, wie sehr sie einen flachlegt. Es ist nicht nur eine Erkältung. Für mich stand danach fest: Eine wirklich fiese Grippe brauche ich nicht noch mal. Seitdem hole ich mir die jährliche Impfung.
Dass ich endlich auch Spritzen gegen das Coronavirus bekommen konnte, hatte sich erleichternd angefühlt. Nicht weil ich mich allzu sehr vor einer Infektion gefürchtet hätte: Ich habe schon Respekt vor der Krankheit, glaube aber aufgrund meines Alters nicht, dass es mich lebensbedrohlich erwischt hätte. Entscheidender für mich waren die Einschränkungen, die ich als Ungeimpfter zunehmend erfahren musste. Und ich stehe absolut nicht darauf, dass mir jemand Stäbchen durch die Nase schiebt und außerdem hinter meinen Mandeln wischt, während ich würgen muss und nachher auf ein Testergebnis gewartet wird.
Ich vertraue Impfungen, sie sind eine Errungenschaft der Medizin. Und ich hatte auch keine Sorgen, weil die Corona-Wirkstoffe so schnell entwickelt worden waren. Ich fand die Abläufe und Wirkmechanismen transparent dargestellt. Was ich respektiere: Wenn sich jemand nicht impfen lassen möchte. Das ist eine freie Entscheidung freier Menschen. Ich würde niemand dafür attackieren. Ich möchte allerdings bald auch keine Rücksicht mehr nehmen müssen. Die Einschränkungen müssen fallen. Wer nicht impft, hat sich für das Risiko einer Infektion entschieden. Das ist seine Wahl gewesen, genauso wie ich gewählt habe.
Ich will mich und mein Umfeld schützen
Alexander Lange: Ich bin vollständig geimpft und das auch schon seit einigen Wochen. Die Entscheidung fiel mir auch nicht besonders schwer, im Vorfeld habe ich mich ausreichend informiert. Mir war klar: Bekomme ich ein Impfangebot, nehme ich es auch direkt an.
Ich kenne die Fälle der schwerwiegenden Covid-Verläufe. Ehemalige Kollegen, die bis heute unter „Long Covid“ leiden, für die ein einfacher Treppenaufstieg der Anstrengung einer Bergbesteigung gleicht. Ich habe Freunde, die enge Familienmitglieder (ohne Vorerkrankungen!) verloren haben, genauso wie ich Menschen kenne, deren Geruchs- und Geschmackssinne bis heute gestört sind. Das will ich nicht, davor will ich mich langfristig schützen. Und Gleiches will ich auch für mein Umfeld.
Natürlich spielen auch die zuvor alltäglich gewesenen Freiheiten eine Rolle. Unbeschwert Schützenfest feiern, mit den Freunden dicht gedrängt im Stadion stehen, reisen wann und wohin ich will. Auch in meinem Freundeskreis hat sich niemand gegen eine Impfung entschieden. Ich will das alte Leben zurück. Und wenn dazu eine Impfung beiträgt, dann tue ich das. Ich vertraue unserem Gesundheitssystem. Genauso wie ich den Ingenieuren meines Autos traue, dass sich auf der Autobahn nicht „einfach so“ die Radmuttern lösen. Genauso wie ich dem Hersteller meines Smartphones vertraue, dass mein Handyakku nicht grundlos in Flammen aufgeht.
Eine gewisse Skepsis darf zu einer solchen Entscheidung dazugehören und ein Zwang wäre da auch nicht das richtige Mittel.
Sprechen Sie mit Freunden, fragen Sie doch Ihren Arzt, holen Sie sich Meinungen ein. Und dann entscheiden Sie ganz allein!
Wunsch nach Rückkehr zur Normalität
Frank Selter: Die Impfung gegen Corona ist einer der größten Lichtblicke im Kampf gegen die Pandemie. Aber die Impfstoffe sind in Rekordzeit entwickelt worden. Ich habe mich lange schwer damit getan, das Für und Wieder abzuwägen. Sind die Impfstoffe wirklich ausreichend getestet worden? Welche Nebenwirkungen oder gar Impfschäden erwarten mich - jetzt oder in einigen Jahren? Ist das Risiko nicht viel zu groß?
Wie viele andere, habe auch ich mir lange diese Fragen gestellt und mich nie darum gerissen, bei den Impfungen einer der ersten zu sein. Letztlich war mein Ja zur Impfung in erster Linie eine Entscheidung aus dem Bauch heraus - getrieben vom Wunsch nach Rückkehr zur Normalität, zu Unbeschwertheit, einfach zum normalen Leben.
Und dennoch war es keine reine Bauchentscheidung. Wer als Journalist immer wieder mit Menschen in Kontakt kommt, um über ihr Corona-Schicksal zu berichten - darüber dass Menschen ohne Vorerkrankungen gestorben sind, die nur drei Jahre jünger waren als man selbst - der gerät ins Grübeln. Aber auch der Gedanke an die eigenen Eltern, die aufgrund ihres Alters und Vorerkrankungen zur Risikogruppe zählen, hat bei der Entscheidung eine bedeutende Rolle gespielt. Der Gedanke daran, mit einer Impfung eben nicht nur sich selbst, sondern auch andere zu schützen.
>>> Hier gibt es alle aktuellen Informationen zu Corona in Meschede, Eslohe, Bestwig und Schmallenberg.