Schmallenberg. Die Hausärzte fordern eine extra Impfstelle, sonst dauern die Impfungen bis ins Frühjahr 2022. Was schon bekannt ist und wann es losgehen könnte.
Schmallenberg braucht eine eigene größere Impfstelle - das fordern die Hausärzte Dr. Katja Köhler und Dr. Karim Osseiran: „Ansonsten werden wir noch im Frühjahr 2022 damit beschäftigt sein, die Schmallenberger gegen das Corona-Virus zu impfen.“ Allein durch die örtlichen Hausarztpraxen und das Impfzentrum in Olsberg sei die aktuelle Impf-Herausforderung schlichtweg nicht zu stemmen. „Unsere Praxen unterliegen monströsen Rahmenbedingungen und Auflagen, unsere Arbeit wird durch einen gigantischen Bürokratismus behindert. So wie aktuell ist es nicht fortsetzbar“, sagt Dr. Karim Osseiran. Deshalb hat er das Impfen in seiner Praxis auch vorläufig eingestellt.
Die aktuelle Lage
Seit wenigen Wochen wird neben dem Impfzentrum in Olsberg auch in Hausarztpraxen geimpft. Bundes- und Landesregierung begründeten den Schritt darin, die Impfgeschwindigkeit zu beschleunigen. Zudem seien die Praxen mit der notwendigen Abrechnungssoftware ausgerüstet, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien geschult, das Thema Impfen den Allgemeinmedizinern nicht fremd. „Wir verstehen aber nicht, wieso wir anfangs herausgenommen wurden und jetzt wieder dabei sind.“
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Doch statt das sich das Impftempo nun erhöht, wächst vielmehr der Berg der Bürokratie. „Wenn man zusammenzählt, wie lange wir mit dem Patienten sprechen müssen, alles dokumentieren, einen Termin vereinbaren, ihn aufklären, die Impfungen aufziehen etc., dann kann eine Impfung beim Hausarzt bis zu 30 Minuten dauern – das funktioniert bei der nötigen Menge an Impfungen nicht“, sagt Köhler: „Aber das liegt nicht an uns, sondern an den bundesweiten Auflagen. Natürlich, wir wollen „impfen, impfen, impfen“ und alles möglichst schnell, aber eben diese Auflagen und die Tatsache, dass nun ausschließlich AstraZeneca für Hausarztpraxen zur Verfügung stehen soll, machen das unmöglich. Viele Patienten sind sehr verunsichert wegen AstraZeneca.“
Die Angestellten gehen seit Monaten auf dem Zahnfleisch, mit dem Impfstart ist die Arbeitsbelastung noch einmal zusätzlich angestiegen. „Die Patienten lassen gelegentlich auch ihrem Frust freien Lauf. Wir verstehen die Ängste und Sorgen der Patienten natürlich, aber die Ärzte und die MFAs geben wirklich täglich ihr Bestes.“
Bürokratismus und schwaches Impfstoffmanagement seien die großen bundespolitischen Probleme, die den Hausärzten nun zum Verhängnis werden: „Und, dass wir hier in Schmallenberg einen deutlichen Hausärztemangel haben, dass drei offene Sitze gar nicht besetzt sind, das wird genau jetzt deutlich.“ Wirtschaftlich sei die Impfung nicht interessant.
Die Planungen
Gemeinsam mit der Stadt, mit dem Hochsauerlandkreis und einem lokal ansässigen mittelständischem Unternehmen schaue man nun, ob und was umsetzbar ist, so Köhler. „Mit dem lokalen Mittelständler haben wir das Rechenmodell aufgestellt: Impfen wir in Schmallenberg weiterhin so wie bislang, sind wir im Frühjahr 2022 fertig – selbst wenn genug Impfstoff zur Verfügung steht. Und vermutlich wird man sich vorerst jährlich gegen das Virus impfen lassen müssen, dann geht es also wieder von vorne los.“
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Mit einer eigenen Impfstelle für Schmallenberg, Ort könnte die Stadthalle sein, ginge es wesentlich schneller. Osseiran: „Dann hätte jeder Schmallenberger innerhalb von acht Wochen seine Erstimpfung, dann wären wir im Sommer fertig.“ Dann, so Osseiran, könnte das normale gesellschaftliche Leben zurückkehren. Dafür impfe man schließlich: „Aber aktuell kriegen wir nur die Inkompetenz der politischen Führung ab.“
Doch dem Vorstoß aus Schmallenberg steht die Kassenärztliche Vereinigung noch kritisch gegenüber und unterstützt die Initiative momentan noch nicht. Osseiran: „Es ist frustrierend. Uns wird nur gesagt, was nicht geht, statt zu sagen, was möglich ist.“ Wäre eine Impfstelle in Schmallenberg umsetzbar, würden neben Hausärzten dort in erster Linie Ärzte im aktuellen Ruhestand und medizinisches Personal arbeiten, aber auch Klinikärzte und Klinikkräfte haben Ihre Hilfe angeboten. Die nötigen Gespräche wurden schon geführt - „und so könnte der normale Betrieb in den Hausarztpraxen aufrecht erhalten werden und wir müssten dabei keine Kompromisse bezüglich der Gesundheitsversorgung der Schmallenberger bei gleichzeitiger schneller Impfung unserer Einwohner eingehen.“
Nun muss es eine lokale Initiative aus Gemeinde, Ärzten und Wirtschaft richten: „Wir müssen jetzt praktikable Konzepte umsetzen und wir hören Gott sei Dank, dass neben unserem Bürgermeister Herrn König nun auch Landrat Dr. Schneider sich demgegenüber gegenüber offen gezeigt hat.“ Der lokale Mittelständler würde sich um IT, Organisation und Software kümmern, Konzepte dazu werden aktuell angefertigt: „Wenn das Okay kommt, wollen wir auch vorbereitet sein. Dann könnte das laufen wie bei der Grippe-Impfung.“
Ein Start vor Mai/Juni ist momentan aber ausgeschlossen - auch, weil die Impfstoffmengen noch fehlen. Aber das soll sich ja bald ändern.
Die Patienten
Nach wie vor sind die Mengen an Impfdosen, die Woche für Woche bei den Hausärzten ankommen, gering: „Und wir wissen auch erst kurz vorher, wie viele und vor allem welcher Impfstoff es ist.“ Dass Patienten darauf drängen, möglichst schnell geimpft zu werden, sei verständlich, so Köhler. Dahinter stecke aber aktuell noch eine extreme Logistik.
Mitarbeiter, die sich sonst um Patienten kümmern, seien zum Telefondienst abgestellt. Durchschnittlich alle drei Minuten melde sich ein Anrufer mit einer Impf-Frage: „Unsere Mitarbeiter arbeiten seit Wochen ohne Pausen durch, um den Arbeitsaufwand halbwegs bewältigen zu können.“
Mitteilung der KVWL
Von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe hieß es aus der Kommunikationsabteilung Ende der vergangenen Woche lediglich, dass bislang keine schriftlichen Anträge diesbezüglich vorliegen: „Wir haben aus Schmallenberg nichts erhalten und konnten daher auch noch nichts absagen.“