Winkhausen. Der Schmallenberger Lungenfacharzt Köhler hat eine klare Meinung zum Thema Corona, das betrifft auch Masken, das Intubieren und die Grippe.
An welchem Punkt der Pandemie sind wir jetzt? Wie kann man Klassenräume zu sicheren Zonen machen? Und welche Impfung ist jetzt wichtiger - die Corona-Booster-Impfung oder die gegen die Grippe? Wenn man den Schmallenberger Lungenfacharzt und ehemaligen Ärztlichen Direktor des Fachkrankenhauses Kloster Grafschaft, Professor Dr. Dieter Köhler, befragt bekommt, man auf diese Fragen klare Antworten.
Wir treffen uns endlich wieder, feiern, besuchen Kinos und Konzerte. Brauchen wir noch Masken?
Professor Dr. Dieter Köhler: Nein. Die Pandemie hat von ihrer Gefährdung her mittlerweile die Ebene einer normalen Grippe erreicht. Wir sehen da ganz klar den Erfolg der Impfung. Deshalb müssen wir jetzt auch wieder normale Infekte zulassen. Vor allem bei den Kindern gibt es Hinweise, dass wir durch Masken und den Lockdown mit seiner Isolation das Immunsystem quasi ausgeschaltet haben. Ihm fehlt das Training mit der Folge, dass auch harmlose Infekte deutlich schwerer verlaufen können. Wir müssen jetzt lernen mit Covid 19 zu leben.
+++Lesen Sie auch: die vorherigen Interviews mit Dr. Dieter Köhler:
Juni 2021: Fußballstadien öffnen!
Februar 2021: Hier lauert Corona besonders
September 2020: Köhler nimmt Stellung zu Sucharit Bhakdi, zu Corono-Leugnern und Desinfektion
Gibt es keine Situation, in der Sie die Maske noch empfehlen?
Ich würde die Maske nur noch im Ausland tragen, in kleinen Innenräumen, wie Toiletten und Fahrstühlen, und vor allem, wenn ich nicht geimpft wäre.
Auch in den Schulklassen unterstützen Sie also die Maßnahme der NRW-Landesregierung: Maske ab?
Ja, denn das ist doch absurd, in Restaurants nehmen wir sie ja auch zum Essen ab. Vielleicht sollten die Schulklassen einfach statt 9b, „Restaurant 9b“, auf ihre Türen schreiben und dann auf die Maske verzichten, was ja jetzt bereits nach den Vorgaben möglich ist. Wichtig ist allerdings dass alle Lehrer geimpft sind. Denn die sind schon wegen ihres höheren Alters gefährdet schwerer an Corona zu erkranken. Aber dann würde ich auch dort zur Tagesordnung übergehen. Das gilt übrigens für alle, die mit vielen Menschen zu tun haben, ob in der Pflege oder im Service. Als Arbeitgeber würde ich verlangen, dass sich alle Erwachsenen, die mit viel Publikum zu tun haben, impfen lassen.
Hygienecheck mit dem Virologen Henning Streeck
Sie haben mit dem Virologen Henning Streeck und anderen Medizinern und Ingenieuren einen Hygienecheck nach einem Punktesystem entwickelt. Was beinhaltet der?
Check und Punktesystem zeigen ganz klar, dass die Gefahr steigt, je kleiner ein Raum ist und je weniger gelüftet wird. Aber Luftreinigungsgeräte oder hohe Räume minimieren die Gefahr. Das soll eine praktische Hilfe sein beispielsweise für Restaurantbesitzer oder Fitness-Studio-Betreiber oder auch deren Besucher, um Gefahren einzuschätzen. Dazu wollen wir jetzt noch eine App entwickeln lassen. Und dann muss man die Menschen selbst denken lassen.
Aber die Zahlen steigen, Intensivmediziner schlagen Alarm, weil sie angesichts des Pflegenotstandes nicht genug Intensivbetten zur Verfügung haben.
Das ist aber nichts Ungewöhnliches, wir hatten auch sonst immer mal Intensivbetten-Not im Herbst. Im Gegenteil: Weltweit haben wir während der Pandemie beobachtet, dass mit einer etwa zweiwöchigen Verzögerung die Zahl der Intensivpatienten der Inzidenz folgte. Das sehen wir jetzt nicht. Die Zahlen bleiben niedrig. Es gibt Impfdurchbrüche, ja, auch Geimpfte erkranken, aber deren Verlauf ist fast immer mild. Auf den Intensivstationen liegen die Ungeimpften. Und wenn Deutschland es nicht schafft, die Intensivpatienten zu versorgen, dann weiß ich es nicht. Wir haben weltweit eine der höchsten Intensivbettendichte, beispielsweise sechsmal mehr als in den Niederlanden.
Sie appellieren stattdessen an Ihre Kollegen: Lasst das Intubieren!
Ja, das ist eine Art Todeskuss. Weltweit, so auch in Deutschland wird immer noch viel zu früh und zu oft intubiert. Zum Teil blockieren Patienten so wochenlang Intensivbetten. Es gibt keine einzige wissenschaftliche Publikation, die zeigt, dass Intubieren bei Covid-Patienten besser hilft als nur die Sauerstoffgabe mit einer Überdruckmaske. Im Gegenteil. Vergleiche zwischen Kliniken zeigen, dass die Todesrate bei den Intubierten mindestens fünfmal höher ist. Was es aber macht, es kostet die Krankenkassen richtig viel Geld, genau wie übrigens die ECMO-Therapie. Dabei wird das Blut außerhalb des Körpers in einer Maschine mit Sauerstoff angereichert. Die meisten sterben trotzdem oder gerade deswegen. Aber 600.000 Euro Einnahmen pro ECMO-Platz im Jahr ist viel Geld für ein Krankenhaus.
Sie sind über 70. Lassen Sie sich ein drittes Mal impfen?
Nein, das habe ich nicht vor. Wichtiger ist jetzt die Grippeimpfung und das nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den Folgejahren, nur so kann man auch gegen die unterschiedlichen Influenza-Viren einen dauerhaften Schutz aufbauen. Für mich ist die Pandemie beendet. Wir haben zum Glück die Impfung und hatten auch keine Übersterblichkeit, weil im vergangenen Jahr die Influenzawelle ausgefallen ist. Die kommt aber zurück.
>>>HINTERGRUND
Professor Dr. Dieter Köhler war von 1986 bis 2013 Ärztlicher Direkter des Fachkrankenhauses Kloster Grafschaft.
Der 73-jährige Mediziner und Diplom-Ingenieur für Nachrichtentechnik war und ist in vielen Bereichen ehrenamtlich engagiert. Sein aktuelles Buch mit dem Co-Autor Frank Lübberding zum Thema heißt „Wie Wissenschaft Krisen schafft“, erschienen im agenda Verlag Münster.
Köhler ist verheiratet hat zwei erwachsene Kinder und drei Enkel und lebt mit seiner Frau in Winkhausen.
Die Website zum Hygienecheck findet man unter https://www.sokrates-rationalisten-forum.de