Schmallenberg. Die Gastronomie leidet unter Fachkräftemangel. Berater Antonio Guida hat Ideen, wie sich das ändern kann. Dafür müssen sich die Chefs bewegen.
Fast alle Betriebe in Deutschland leiden unter Fachkräftemangel. Doch die Gastronomie besonders. Einer der Gründe ist eigentlich ein erfreulicher: Es boomt im Tourismus. Doch Auszubildende sind schwer zu finden, ein Drittel bricht die Lehre ab und Fachkräfte verlassen die Betriebe.
Unternehmensberater Antonio Guida wird in den nächsten Wochen und Monaten im Auftrag des Projektes #G.A.S.T. (Gerne arbeiten im Schmallenberger Tourismus) mit Gastronomen und Hoteliers aus der Region Ursachen erforschen und Strategien erarbeiten, um das zu ändern.
Er ist sicher: Im Schmallenberger Sauerland gibt es optimale Bedingungen dafür. Er sagt aber auch: „Wenn wir uns nicht bewegen, verändert sich unsere Situation noch dramatischer, als wir es uns heute vorstellen können.“
Warum leidet die Gastronomie besonders unter dem Fachkräftemangel, und wie lässt sich da gegensteuern?
Antonio Guida: Vor allem in Service und Küche brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte, die individuell auf die Gäste eingehen. Gleichzeitig stehen viele Unternehmen durch ihre kleinteiligen Betriebsstruktur und die daher oft angespannten Ertragslage besonders unter Druck.
Das Gastgewerbe braucht flexible Ausbildungsmodelle und muss sich potenziellen Mitarbeitern als attraktive Arbeitgeber präsentieren. Das hat jetzt Priorität.
Daneben wären Initiativen der Politik hilfreich, wie die Anerkennung von Studienleistungen bei Beginn einer Fachausbildung – wie sie für das Handwerk angedacht ist. Teilnehmende Betriebe könnten durch diese Aufwertung leichter motivierte Mitarbeiter finden.
Es ist gar nicht so einfach Azubis zu finden und zu halten?
Gastgewerbliche Regionen sollten Konzepte entwickeln, um den Ansprüchen der Nachwuchskräfte entgegenzukommen. Dafür muss man allerdings erstmal wissen, was sie wollen.
Viel zu oft erlebe ich, dass Arbeitgeber in Vorstellungsgesprächen permanent von sich reden und dem Bewerber kaum die Chance geben, sich selbst zu präsentieren. Die richtigen Fragen zu stellen und auch mal zuzuhören, um hinter die wahren Beweggründe eines Bewerbers zu kommen, das kann man lernen.
Daneben gehören zur Eigenwerbung professionelle Vorträge in Schulen, Mitarbeiterfeste und Prämien für besonders erfolgreiche Auszubildende. Auch das DEKRA-Zertifikat „Exzellente Ausbildung“ ist im wahrsten Sinn ein Aushängeschild.
Wie die Erneuerung der Ausbildungsordnung einen Beruf attraktiver macht, zeigt uns die Schweiz: Dort hat man im Jahr 2017 den Ausbildungsgang Hotel-Kommunikationsfachfrau/Mann ins Leben gerufen, der offenbar den Nerv der Zeit trifft.
Wie wichtig ist das Team?
Ohne das Team ist alles nichts. Es sind unsere Mitarbeiter die den Unterschied machen! Machen wir uns nichts vor: Das Bild unserer Branche wird auch heute noch von einer Reihe von Gastgebern beschädigt, die aus Behäbigkeit oder Unvermögen, aber auch aus Profitsucht die Mitarbeiter schamlos ausgenutzt haben.
12 bis 16 Arbeitsstunden waren auch in meiner Ausbildungszeit an der Tagesordnung. Mein Wunsch zu den Besten zu gehören, wurde mit einem Hungerlohn, der nicht mal für die Grundbedürfnisse reichte, ausgebeutet. Jetzt haben wir die Chance es anders zu machen! Um angemessene Löhne zahlen zu können, dürfen wir unsere Produkte allerdings auch nicht verramschen.
Weitere Probleme des Gastgewerbes, sind neben den geringen Löhnen die ungünstigen Arbeitszeiten. Arbeiten, wenn andere feiern?Lässt sich daran überhaupt etwas ändern?
Was sind ungünstige Arbeitszeiten? Es gibt mittlerweile so viele Lebensmodelle. Immer wieder begegne ich auch Menschen, die gerne abends und am Wochenende arbeiten. Was glauben Sie, was in den nächsten Jahren passieren wird, wenn sich unsere Wirtschaft abkühlt, der Automatisierungsgrad der Industrie erhöht und die Arbeitslosenzahlen nach oben gehen? Zukunftsforscher sagen voraus, dass es sichere Arbeitsplätze nur in der Dienstleistung geben wird. Das ist eine Riesenchance!
Sie arbeiten deutschlandweit und sagen, viele Beherbergungsbetriebe im Schmallenberger Sauerland haben bereits einen hervorragenden Ruf, da wird also schon vieles richtig gemacht. Trotzdem hat der Bund 240.000 Euro an Fördergeldern für das Projekt #G.A.S.T. bewilligt. Was kann Schmallenberg bundesweit bewegen?
Viele namhafte Hoteliers des Schmallenberger Sauerlandes sind Dank ihrer hervorragenden Ausbildungskompetenz und innovativen Angebote über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Ob #G.A.S.T. bundesweit etwas bewegen kann, vermag ich nicht zu behaupten.
Sicherlich bietet sich Dank dieses Projektes eine große Chance strukturell und gebündelt an Themen heranzugehen, die unsere Branche aktuell bewegen. Hierin könnte das Schmallenberger Sauerland tatsächlich eine Vorreiterrolle übernehmen.
>>>> INFO: Zur Person
Antonio Guidia ist 53 Jahre alt hat zwei Kinder und lebt in Erwitte. Er ist Unternehmensgründer der IFH Consult Lippstadt.
Guida arbeitete in renommierten Hotels in ganz Europa. Für „Kempinski“, „Hyatt“, „CIGA/Starwood“ und „Oetker Hotels“. Außerdem beriet er als Regionaldirektor der Warsteiner Brauerei die Firmeninhaber beim Aufbau der „Welcome“-Hotels.
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