Meschede. Der Mescheder Anwalt Otto Entrup beobachtet, dass Streitigkeiten um Kinder zunehmen: Corona bedeutet auch ein Ausnahme-Jahr für Beziehungen.
Auch Partnerschaften sind in der Corona-Krise herausgefordert: Es ist ein Ausnahme-Jahr für Beziehungen, sagt der Mescheder Rechtsanwalt Otto Entrup.
„Man sieht, mit wem man da eigentlich verheiratet ist“
In der Corona-Zeit haben sich Paare zwangsläufig mehr auf sich selbst konzentrieren müssen. Unsere Leserbefragung zeigt, dass sich das Verhältnis teils verschlechtert, teils verbessert hat. Überrascht Sie das?
Das überrascht mich nicht. Es ist auch oft zu beobachten, dass nach langen Ferien oder längeren Feiertagszeiten, sprich also nach den Sommerferien oder nach Weihnachten, die Scheidungsraten sprunghaft ansteigen, weil man dann gesehen hat, mit wem man da eigentlich verheiratet ist. Oftmals wird bei einem intensiven und sehr dauerhaften nahen Kontakt klar, dass man sich die Ehe nicht hinreichend genau überlegt hat oder Veränderungen beim Partner feststellt, die nicht akzeptiert werden können, wenn man sie tagtäglich ertragen muss. Man stellt fest, dass ein gemeinsamer Weg nicht mehr gestaltbar ist und keine gemeinsamen Ziele vorhanden sind.
Aus Ihrer Sicht: Welche Folgen hat die Corona-Krise? Was ist da absehbar?
In familienrechtlicher Sicht hat die Corona-Zeit dazu geführt, dass die kindschaftsbezogenen Verfahren extrem zugenommen haben und Streitigkeiten im Zusammenhang mit Betreuung und Umgang sowie Aufenthalt von Kindern in Summe zugenommen haben – und auch in der Tonart sich verschärft haben.
Was beobachten Sie: Lassen sich bei uns mehr Paare scheiden?
Es ist durchaus eine leichte Zunahme von Scheidungsverfahren festzustellen, allerdings nicht so stark wie in den Kindschaftssachen.
Auf sachlicher Ebene nach vernünftigen Lösungen suchen
Trennen sich auch Paare, die viele Jahre zusammen waren? Und: Gibt es das verflixte siebte Jahr tatsächlich?
Ich habe mal gelesen, dass das siebte Jahre ein sehr scheidungsträchtiges Jahr sein soll. Wir machen aber auch immer wieder Scheidungen nach wenigen Monaten Ehe. Aktuell habe ich ein Verfahren mit einer fast 50-jährigen Ehe.
Was sind vor allem die Gründe für Trennungen?
Begründungen für die Trennung sind natürlich unterschiedliche Anschauungen, oft auch wirtschaftliche Krisen in der Familie. Insbesondere wird hier deutlich, dass oftmals Weltanschauungen und Grundeinstellungen tragend sind.
Wie emotional geht es in Ihren Gesprächen zu, wenn über Scheidungen gesprochen wird?
Am Anfang ist es immer sehr emotional. Es müssen Verletzungen verarbeitet werden und Enttäuschungen. Aufgabe des Anwalts ist es dann, nach und nach diese Emotionen aus der Sache herauszufiltern und dafür Sorge zu tragen, dass man auf einer sachlichen Ebene eine vernünftige Lösung findet. Es geht im Familienrecht nicht darum, immer nur Recht zu haben, sondern insbesondere wenn Kinder vorhanden sind, eine für beide Seiten tragbare Lösung zu finden, damit man auch später noch verantwortungsvoll gemeinsam als Eltern zum Wohl seiner Kinder agieren kann.
Was sorgt für den größten Streit zwischen den einstigen Partnern?
Im Wesentlichen wird gestritten um wirtschaftliche Fragen und um den Umgang und den Aufenthaltsort der Kinder.
Ist häusliche Gewalt auch ein Grund für Trennungen?
Häusliche Gewalt ist auch ein Grund für Trennungen, allerdings ist dies nicht einer der Hauptgründe. Zum Glück haben wir nicht sehr viele Verfahren dieser Art.
Nicht hinter einer Mattscheibe verstecken
Sind Scheidungen gerade schwieriger wegen der Einschränkungen auch an den Gerichten?
Die Durchführung von Verfahren ist schwieriger geworden, da die Präsenz oftmals nicht gegeben ist. Zum Glück haben wir hier in Meschede ein sehr flexibles Amtsgericht. Wir machen inzwischen vieles im schriftlichen Verfahren und schaffen es dadurch, Rückstände doch recht zügig aufzuarbeiten. Hier kann man dem Amtsgericht Meschede nur ein großes Kompliment machen.
Scheidungen online – wird das künftig ein Thema?
Scheidung online wird sicherlich künftig ein Thema werden, die Voraussetzungen werden gerade geschaffen. Ob das wirklich sinnvoll ist, ist allerdings eine andere Frage, da oftmals unterschätzt wird, wie anders doch die Wirkung eines persönlichen Gesprächs ist, wenn man in einem Raum gleichzeitig anwesend ist, als wenn man sich hinter seiner Mattscheibe quasi verstecken kann.
Eine genaue Abwägung treffen
Was raten Sie Paaren, die vor der Überlegung stehen, sich womöglich trennen zu wollen?
Den Schritt zur Scheidung bzw. Trennung sollte man sich sehr genau überlegen. Man sollte nach Möglichkeit versuchen, im Vorfeld zu klären, was einen erwartet und wie man vor allem wirtschaftlich ausgestattet sein wird, um auch später nicht aus allen Wolken zu fallen. Allerdings sollte man auch wirtschaftliche Überlegungen nicht zum Maß aller Dinge machen. Trennungsgründe sind ja meistens nicht wirtschaftlich und bedingt tragende Gründe, sondern menschliche – und insofern ist hier eine genaue Abwägung zu treffen.
Wichtig ist in erster Linie, dass die Trennung möglichst schonend für die Kinder verläuft. Kinder werden in dieser Situation ohnehin schon sehr stark belastet, da kein Kind sich wünscht, dass seine Eltern sich trennen. Man muss darauf achten, dass Kinder niemals instrumentalisiert werden und quasi zum Gegenstand der Auseinandersetzung werden. Denn dies verletzt ihre Seelen extrem. Erwachsene müssen hier oftmals zum ersten Mal erfahren, was wirklich das Wohl ihrer Kinder ist.
Was macht für Sie eine stabile Partnerschaft aus?
Dass man dem anderen ein ruhender Pol ist, sich gegenseitig blind vertrauen kann und im Grunde genommen ein starkes Team ist, dass sich gegenseitig in allen Lebenslagen stützend ergänzt. Gemeinsam lachen zu können ist ganz wichtig.
>>>ZUR PERSON<<<
Der Mescheder Otto Entrup ist 49 Jahre alt. Seit 1999 ist er Rechtsanwalt.
Entrup ist Fachanwalt für Familienrecht, Arbeitsrecht und Strafrecht. Er ist Gesellschafter der Kanzlei Entrup, Marx und Wilmers.