Böingsen. Stefanie Borzi ist die neue erste Vorsitzende der Böingser Schützen. Das sind die Pläne der 38-Jährigen, die das Dorfleben über alles liebt.
Zum ersten Mal in der Geschichte von St. Hedwig Böingsen steht eine Frau an der Spitze der Schützenbruderschaft: Stefanie Borzi ist die neue erste Vorsitzende. Auch weitere zentrale Vorstandsposten werden von weiblichen Mitgliedern besetzt.
Der Schützenverein gehört zum Leben fest dazu
Für Stefanie Borzi gehört der Schützenverein zu ihrem Leben dazu, daraus macht die 38-Jährige gar keinen Hehl. Als Jugendliche, mit 13 oder 14 Jahren, wurde sie Mitglied bei den Jungschützen – und bleibt seither dem Verein treu. Vor 20 Jahren trat sie dann ins Offizierskorps ein, vor zehn Jahren wurde sie Beiratsmitglied. 2019 schließlich rückte Stefanie Borzi als 2. Vorsitzende in den geschäftsführenden Vorstand auf und übernahm die Arbeit als Hallenwartin, kümmerte sich also zum Beispiel um die Vermietung der Schützenhalle.
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Dass der amtierende erste Vorsitzende Martin Schulte (63) nach 21 Jahren im Amt Anfang dieses Jahres von seinem Posten zurücktreten wollte, hatte er frühzeitig bekannt gemacht und entsprechende Gespräche geführt. Als Stefanie Borzi gefragt wurde, ob sie sich vorstellen könne, als erste Vorsitzende zu kandidieren, habe sie „erst mal mit meinem Mann gesprochen. Als Mama habe ich ja auch noch viele andere Aufgabenbereiche.“ Zudem ist ihr Ehemann nicht nur hauptberuflich Feuerwehrmann, sondern engagiert sich darüber hinaus ehrenamtlich bei der Feuerwehr. Danach stand fest: „Wir packen das als Familie.“
„Ich sehe uns da nicht nur als Schützenverein, sondern wir sind ein Verein fürs ganze Dorf.“
Stefanie Borzi sieht sich mit ihrer ebenfalls neu gewählten Stellvertreterin – der zweiten Vorsitzenden Julia Prowe – als Team, das sich bei Bedarf auch gegenseitig vertritt. Die beiden kümmern sich beispielsweise um die Organisation von Veranstaltungen. Dazu gehört etwa auch das Osterfeuer – eine Veranstaltung, die andernorts nicht zwangsläufig von einem Schützenverein auf die Beine gestellt wird: „Ich sehe uns da nicht nur als Schützenverein, sondern wir sind ein Verein fürs ganze Dorf“, sagt Stefanie Borzi.
„Keine Diskussion“ über das Novum
Dass nun zwei Frauen die Schützenbruderschaft anführen, sei zwar ein Novum, aber bei der Generalversammlung habe es hierüber „keine Diskussion“ gegeben. Auch habe die Satzung nicht geändert werden müssen. Zwar gebe es manche Bruderschaften, die Frauen als Vorsitzende oder beim Schießen um die Königswürde ausschließen, aber das sei in Böingsen nicht der Fall. So war auch Julia Prowe im vergangenen Mai die erste Frau, die bei der Schützenbruderschaft St. Hedwig Böingsen den Vogel abschoss und Schützenkönigin wurde.
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Mit drei Kindern im Alter zwischen einem und sechs Jahren – alle sind bereits Mitglied im Schützenverein – hat Stefanie Borzi eigentlich keine Langeweile. Doch die Wichtigkeit ihres Ehrenamtes ist es, die die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin motiviert. Zudem, davon ist sie überzeugt, „haben Frauen manchmal einen anderen Blick als Männer“. Sie erinnert sich an ihre Arbeit als Hallenwartin, als sie gerade frisch Mama geworden war: „Ich habe dann gesehen, was für Familien mit kleinen Kindern fehlen könnte.“ Seither gibt es dort einen Wickeltisch und drei Hochstühle. „Frauen habe da sicherlich manchmal einen anderen Fokus.“
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Stefanie Borzi ist dankbar für das gute Gemeinschaftsgefühl: „Das Dorf ist unser Mittelpunkt.“ Da es neben der Schützenbruderschaft keinen anderen Verein in Böingsen gebe, sehe sie es auch als Aufgabe der Schützen, zur Gemeinschaftsbildung beizutragen: „Böingsen ist meine Basis, hier möchte ich bleiben“, sagt Stefanie Borzi.
Familientradition in dritter Generation
Das Schützenwesen scheint Stefanie Borzi ohnehin in den Genen zu liegen: Beide Großeltern-Paare sowie ihre Eltern waren beziehungsweise sind Mitglied im Böingser Schützenverein: „Ich kenne das von Klein auf, dass ich mit meiner Familie bei den Schützenfesten und anderen Veranstaltungen war“, blickt die Böingserin zurück. Zudem war nicht nur ihr Vater Martin Schulte ehrenamtlich als Vereinsvorsitzender aktiv, sondern auch ihr Großvater Heinrich Beckmann. Stefanie Borzi führt damit also eine Familientradition in dritter Generation fort.

„Besser geht’s doch nicht. Das ist für mich Dorfleben.“
Das Datum ihrer ersten großen Herausforderung im neuen Amt hat Stefanie Borzi sofort parat: 23. und 24. Mai. An den beiden Tagen feiert Böingsen Schützenfest. Und Stefanie Borzi hofft, dass dadurch wieder viele Familien erreicht werden, die sich bei anderen Gelegenheiten wiedertreffen: „Ich freue mich immer, wenn ich mit meinen Kindern zum Beispiel zum Schlittenfahren rausgehe und wir dann andere Eltern mit ihren Kindern treffen.“ Wenn erste Kontakte bei Festen des Schützenvereins geknüpft worden seien, wachse so auch der Kontakt untereinander im Alltag. Als weiteres Beispiel nennt Stefanie Borzi das Adventsfenster: Draußen war es kalt, usselig, „aber wir waren ganz zwanglos zusammen und alle sind mit einem Lächeln wieder nach Hause gegangen. Besser geht’s doch nicht. Das ist für mich Dorfleben.“