Fröndenberg/Menden. Beate Sommer ist aktiv bei Foodsharing und rettet Lebensmittel vor dem Mülleimer. In Menden und Fröndenberg machen mehr als 70 Menschen mit.

Pralle rote Paprika, leuchtend grüner Rosenkohl, ein knackiger Spitzkohl oder saftige Trauben: Klingt köstlich. Ist es auch. Auf jeden Fall ist es kein Müll. Oder doch? „Wir sind die letzte Station vor der Mülltonne“, sagt Beate Sommer. Die Fröndenbergerin engagiert sich bei der Foodsharing-Organisation und ist als Botschafterin für den Bezirk Fröndenberg und Menden zuständig. „Ich habe schon 35 Tonnen Lebensmittel in 1300 Einsätzen vor dem Müll gerettet“, sagt sie. Ohne das Engagement von ihr und 74 anderen Ehrenamtlichen würden viele Lebensmittel aus Fröndenberg und Menden keine zweite Chance bekommen.

„Wir sind die letzte Station vor der Mülltonne.“

Beate Sommer von Foodsharing

Wieder zurück ins Leben durch das Ehrenamt

„Foodsharing hat mich gerettet“, sagt Beate Sommer ganz offen und lächelt. Die Fröndenbergerin hat vor einigen Jahren vieles von dem verloren, das ihr Leben lange ausgemacht hat. Erst ihr Ballongeschäft, dann ihr Haus und auch ihre Beziehung ging in die Brüche. Doch durch eine Bekannte wird sie 2018 auf Foodsharing aufmerksam und entscheidet, sich zu engagieren. Sie registriert sich über die Internetseite foodsharing.de und wird Mitglied. Sie baut das Netzwerk in Fröndenberg und Menden gemeinsam mit Vera Krampitz auf - und immer mehr Menschen schließen sich den beiden Frauen an. Das verändert viel in ihrem Leben.

Foodsharing in Menden und Fröndenberg
Leichte Triebe an den Kartoffeln oder einzelne Paprikas, die aus Dreierpacks gerettet wurden: Ohne die Retter würden die Lebensmittel im Müll landen. © WP | Jennifer Wirth

Beate Sommer knüpft neue Kontakte und kommt wieder raus. Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu retten und anderen Menschen damit eine Freude zu bereiten, das gibt der 58-Jährigen neuen Mut. Und auch von den Lebensmitteln profitiert sie: „Wenn ich das nicht hätte, dann ginge es mir schlechter“, sagt sie. So seien ihre geliebten Pfefferbrötchen eigentlich zu teuer. Doch wenn sie die Möglichkeit hat, diese übers Foodsharing zu erhalten, freue sie sich immer sehr - genau wie viele andere Menschen, die gerade so über die Runden kommen, aber zu viel verdienen, um staatliche Hilfen in Anspruch nehmen zu können.

Bedürftigkeit steht nicht im Fokus: Lebensmittel für jedermann

Doch anders als bei der Tafel, steht die Bedürftigkeit beim Foodsharing nicht im Fokus. Es geht vielmehr um Nachhaltigkeit und gegen Verschwendung. „Natürlich gilt: Tafel zuerst. Das ist ja klar“, sagt die Fröndenbergerin. „Wir kommen danach. Die Helfer von der Tafel haben nicht die Zeit, alles auszusortieren.“ Damit meint die 58-Jährige, dass sie und die anderen Lebensmittelretter auch Obstnetze oder Gemüseverpackungen öffnen, um verdorbene Ware von der intakten zu trennen. So seien Paprika oft in Dreierpaketen verpackt. „Wenn dann eine schimmelig ist, werden alle nicht mehr verkauft.“ Und das obwohl die anderen zwei Paprika oft noch einwandfrei seien.

Foodsharing in Menden und Fröndenberg
Der Verteiler von Beate Sommer steht an der Schröerstraße 8A in Fröndenberg. Er ist rund um die Uhr zugänglich. © WP | Jennifer Wirth

Wenn Verpackungen gerissen sind, Obst oder Gemüse dunkle Stellen hat oder Kartoffeln kleine Triebe bilden, dann wird diese Ware aussortiert und auch Backware landet nach einer bestimmten Zeit auf dem Abstellgleis. Und auch an Wochenenden oder vor Feiertagen bleibe oft einiges in den Läden übrig. „2023 hatten wir zu Heiligabend 13 Autos voll mit Lebensmitteln“, erinnert sich die Fröndenbergerin. „Dieses Jahr haben die Läden besser kalkuliert.“ Doch der Ressourcenverbrauch sei enorm. „In den Geschäften gibt es einfach viel zu viel Auswahl. Wir müssen zurück zu den Wurzeln. Wenn es gerade keine regionalen Erdbeeren gibt, dann gibt es keine.“

„2023 hatten wir zu Heiligabend 13 Autos voll mit Lebensmitteln.“

Beate Sommer von Foodsharing

Mehr Bewusstsein für Lebensmittel schaffen

Klar sei aber auch: „Die meisten Lebensmittel werden in Privathaushalten weggeworfen.“ Beate Sommer wünscht sich, dass Menschen ein stärkeres Bewusstsein dafür entwickeln und bewusster einkaufen, beispielsweise mit einer Liste. Das, was wirklich benötigt wird, landet im Einkaufswagen - in der Menge, die man tatsächlich benötigt. „Es kann auch mal etwas eingefroren werden. Oder man macht beispielsweise eine Marmelade selbst. Aus braunen Bananen kann man zum Beispiel auch toll ein Bananenbrot backen.“ Nicht immer müssten die Lebensmittel in der Tonne landen.

„Ich habe schon 35 Tonnen Lebensmittel in 1300 Einsätzen vor dem Müll gerettet.“

Beate Sommer von Foodsharing

Außerdem könnten viele Menschen nicht zwischen dem Mindesthaltbarkeitsdatum und dem Verbrauchsdatum unterscheiden. Während beispielsweise Joghurt trotz eines abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums noch lange genießbar sei, müsse zum Beispiel Fleisch zwingend bis zum Verbrauchsdatum verwendet werden.

Fünfzehn Betriebe geben ihre Waren an Lebensmittelretter ab

Insgesamt machen in Menden und Fröndenberg fünfzehn Betriebe mit - darunter Lebensmittelgeschäfte, Bäckereien und Cafés. Die Organisation, so sagt Beate Sommer, habe mit ihnen Verträge ausgehandelt und es gebe feste Regeln, was wann abgeholt werden darf. Die Ehrenamtlichen organisieren sich um eine Internetseite, auf der sie sich für die einzelnen Abholdienste eintragen. „Heute haben wir zum Beispiel um 8.30 Uhr die erste Fahrt und um 21.30 Uhr die letzte“, sagt Beate Sommer. Zwei Personen fahren zu einem Ort - wie viele Lebensmittel sie vorfinden, sei immer unterschiedlich. Beate Sommer behält den Überblick und organisiert alles.

Foodsharing in Menden und Fröndenberg
Äpfel, Kohl, Bananen, Gurken oder Trauben: Die Auswahl ist vielfältig. Obst und Gemüse haben teilweise kleine Druckstellen oder Macken. © WP | Jennifer Wirth

Vier Betriebe werden täglich angefahren. „Die Caféstube in Menden ist beispielsweise ganz besonders. Die geben uns 365 Tage im Jahr Ware“, sagt Beate Sommer. Die Reste vom Mittagstisch würden „viele dankbare Abnehmer“ finden. Die Lebensmittelretter nehmen sie mit zu sich, um die Kühlkette aufrecht zu erhalten. Dort können Interessierte zu bestimmten Zeiten vorbeikommen und sich etwas abfüllen lassen.

Wann und wo gerettete Lebensmittel übergeben werden, erfahren Interessierte über die Facebook-Gruppe der Lebensmittelretter oder über eine WhatsApp-Gruppe. 606 Mitglieder habe die Gruppe momentan. Das Interesse ist groß. Wer Lebensmittel haben möchte, erfährt über die Gruppe, was es wo gerade gibt. Der einzige feste Verteiler im Bezirk, der jeden Tag offen zugänglich ist, steht bei Beate Sommer, Schöerstraße 8A. „Viele kommen nachts, weil sie sich schämen“, sagt die Ehrenamtlerin. Andere Ehrenamtler würden beispielsweise Tüten packen oder Lebensmittel zu bestimmten Zeiten aus ihrer Garage ausgeben.

Auflagen beachten und Feingefühl beweisen

„Wir containern nicht“, stellt Beate Sommer klar. Sprich: Die Lebensmittel werden nicht aus dem Müll gefischt. Alle 74 Menschen, die sich bei den Lebensmittelrettern engagieren, müssen einmal im Jahr auch eine Hygieneschulung mitmachen, in der man mehr über den korrekten Umgang mit Lebensmitteln und Backware lernt. Sie alle seien sehr engagiert, neue Mitglieder seien immer willkommen. Viermal im Jahr treffen sich die Helfer, um zu quatschen und sich auszutauschen. Eins haben sie alle gemeinsam: Sie wollen etwas gegen die Lebensmittelverschwendung tun. „Wir sind die letzte Station vor der Mülltonne.“ Eine Herzensangelegenheit.

Wer mitmachen möchte oder gerne der Gruppe beitreten möchte, kann sich bei Beate Sommer melden unter 0151/26765965.