Menden. Steigerungen um ein Mehrfaches bei Steuer auf Flächen ohne Häuser. Deren Besitzer fühlen sich jetzt doppelt bestraft.
Die Beschwerden im Mendener Rathaus reißen derzeit nicht ab: Für viel Ärger bei betroffenen Eigentümern sorgen aktuell die druckfrischen Grundsteuerbescheide der Stadt, die stadtweit in 28.000 Briefkästen von Eigentümern landen. Vor allem die Besitzer von Grundstücken ohne Wohnhäuser sollen zum Teil sehr viel höhere Belastungen hinnehmen. Das gilt für landschaftlich genutzte Flächen, aber auch für Garagen-Areale.
Einheitswert mal Hebesatz: Teuer, wenn beides hochgesetzt ist
Die Stichworte sind dabei die neuen Einheitswerte des Finanzamtes Iserlohn für Haus und Grund und die neuen Hebesätze. Offenbar hat das Finanzamt die Flächen ohne Wohnbauten viel höher bewertet als erwartet. Dementsprechend hoch soll jetzt auch die Steuer ausfallen. Verstärkend kommt hinzu, dass der Multiplikator für die Grundsteuer, der sogenannte Hebesatz, in Menden ausgerechnet für Nichtwohngrundstücke mehr als verdoppelt wurde. Viele Betroffene sehen sich von Finanzamt und Stadt doppelt gestraft.
Menden erhöht Hebesatz von 595 auf 713 und auf 1227 Punkte
Galten für die Stadt Menden vorher 595 Hebesatzpunkte für Wohn- und für Nichtwohngrundstücke, so wird der vom Finanzamt neu festgelegte Einheitswert für Flächen mit Häusern jetzt mit 713 Hebesatzpunkten malgenommen, bei den Nichtwohnflächen sogar mit 1227. Das heißt: Die höhere Steuerlast bekommt dazu noch den stark angehobenen Multiplikator. Unterm Strich stehen dann Belastungen, die Betroffene nur noch staunen lassen.
„Wir müssen bei der Erstellung der Bescheide die Angaben des Finanzamtes zugrunde legen.“
Zahlreiche Anrufe und Schreiben an das Mendener Rathaus
Im Rathaus kann Stadt-Pressesprecherin Vanessa Wittenburg dazu auf Anfrage der WP bestätigen, dass die Stadtverwaltung gerade zahlreiche Anrufe und Schreiben dazu erhält. Man sei aber selbst nicht der große Preistreiber bei den Grundsteuern. Den Löwenanteil der Erhöhungen verursachten die neuen Einheitswerte. Zudem werde von Eigentümern häufig gefragt, warum ihr Areal als Nichtwohngrundstück bewertet wurde. Wittenburg: „Wir müssen bei der Erstellung der Bescheide die Angaben des Finanzamtes zugrunde legen.“ Die Bescheide würden dann von der Stadt versendet, und die ernte jetzt den Ärger.
Unterscheidung nach Wohnbauten: In Menden ja, in Balve nein
Allerdings hat die Stadt ihrerseits einen Beitrag zu den teils krassen Ausschlägen geleistet. Rückblende ins letzte Jahr: Die Grundsteuerreform ist beschlossen, die Bewertung durch die Finanzämter läuft. Für die klamme Stadt Menden soll die Einnahme aus der Grundsteuer nach der Reform so hoch sein wie zuvor, doch dank der Neubewertung wird weniger Geld erwartet. Deshalb setzt die Stadt im November ihren Hebesatz, ihren Multiplikator, hoch. Und: Anders als Balve, Fröndenberg und andere Städte unterscheidet der Mendener Stadtrat dabei auf Anraten der Verwaltung nach Wohn- und Nichtwohngrundstücken.
Mendener Weg: Wohnen soll nicht teurer werden als nötig
Statt also einheitlich gut 800 Hebesatzpunkten für alle beschließt der Stadtrat 713 Punkte für Hausbesitzer und die 1227 Punkte für Eigentümer von Wiesen, Scheunen, Garagen oder Remisen. Die Begründung: Das Wohnen soll in Menden nicht teurer werden als irgend nötig. Außerdem, so argumentiert Stadtkämmerer Uwe Siemonsmeier im Finanzausschuss, würden sonst die Hauseigentümer für die anderen mitzahlen, die vom alten System profitiert hatten. All dem folgt der Rat der Stadt und erhöht den Hebesatz für Wohngrundstücke von 595 auf 713 Punkte, für Nichtwohngrundstücke auf 1127.
Eigentümer sehen sich doppelter Höherbewertung ausgesetzt
Heute bedeutet das, dass mancher Eigentümer mit bisher geringer Steuerlast auf Grund und Boden jetzt einer doppelten Höherbewertung durch Finanzamt und Stadt unterliegt. Beispiele hat die WP inzwischen sammeln können. So berichtet der Mendener Karl-Heinz Quinting, dass er für eine vor 30 Jahren gekaufte, ökologisch wertvolle und deshalb ganz offiziell unbebaubare Streuobstwiese in der Asbeck bislang 39,39 Euro an Grundsteuer berappen musste.
Mendener soll statt 39 jetzt 657 Euro für Streuobstwiese zahlen
Doch jetzt habe das Finanzamt die unbebaute Wiese mit einer Größe von etwa 1800 Quadratmetern mit 157.500 Euro bewertet. Sein Widerspruch dagegen sei 2024 unbeantwortet geblieben. Dafür flatterte ihm jetzt der neue Grundsteuerbescheid ins Haus: Aus den 39,39 Euro sollen sage und schreibe 657,06 Euro werden. Karl-Heinz Quinting hat Fragen: „Ist das gerecht? Und wie nachvollziehbar ist das für den unbedarften Bürger?“
Betroffener Mendener nach „Schock“ sauer auf die Ratsmehrheit
Von einem „Steuer-Schock in Menden“ spricht auch Dr. Dominik Menke angesichts seines neuen Bescheides. „Man muss nicht bis nach Hagen blicken, um von der festgesetzten Grundsteuer geschockt zu sein“, erklärt er. Und: „Angesichts der knappen Versechsfachung (Faktor 5,8) der Steuer, die ich nun für mein Grundstück in Menden zahlen soll, bin ich geschockt von der politischen Mehrheit im Mendener Rat, die diese Posse der Stadtverwaltung durchgewunken hat.“
Stadtkasse soll von Erhöhungen nicht profitieren
Wenn die Stadt, wie Siemonsmeier stets beteuert hat, trotz solcher Steigerungen unterm Strich keine Mehreinnahmen habe, dann müssten ja gleichzeitig einige Steuerzahler erheblich entlastet worden sein, mutmaßt Menke: „Ein Schelm, der da an die Mendener Ratsmitglieder denkt.“ Der mündige Bürger werde es der jetzigen Ratsmehrheit bei der nächsten Kommunalwahl im Herbst „hoffentlich entsprechend danken“.
Hoffnung für Betroffene: Steuer-Splittung ist noch rechtsunsicher
Indes bleibt den Betroffenen ein Hoffnungsschimmer: Denn gegen die Splittung der Steuer auf Wohn- und Nichtwohngrundstücke werden Widersprüche und Klagen erwartet. Das Prozessrisiko trägt dann die jeweilige Kommune. Aufgrund dieser Rechtsunsicherheit haben Nachbarstädte wie Balve und Fröndenberg von der Aufteilung der Grundsteuer abgesehen.