Menden. Ungebetener Gast aus der Mendener Waldemei räubert in Gärten und Häusern. Rausgestelltes Katzenfutter lockt ihn unwiderstehlich an.

Ina Kölsch lebt an einem idyllischen Plätzchen: Von der einen Seite ihres Grundstücks an der Eifelstraße ist es nicht weit bis zur Waldemei, auf der anderen plätschert der Wannebach. Doch jetzt bekommt die Mendenerin aus dem nahen Wald beständig ungebetenen Besuch: Ein Waschbär hat die kleine Siedlung als Nahrungsquelle und Tummelplatz für sich entdeckt.

Vogelhäuschen war die erste Futterquelle

Aufgefallen ist Ina Kölsch und ihrem Lebensgefährten der neue Dauergast an ihrem angenagten Vogelhäuschen im Garten. Dieses Häuschen ist so gestaltet, dass der Schornstein von oben mit Körnern für Wildvögel befüllt wird, die dann in die Futterfläche nachrutschen. Dieser Schornstein hat einen Deckel, und der steht seit Tagen morgens immer offen. „Ich habe erst an ein Eichhörnchen oder einen Marder gedacht“, berichtet die Mendenerin. Ihr Hund habe nachts häufiger angeschlagen, die Hunde von Nachbarn auch.

Wildtierkamera überführt pelzigen Räuber

Dann kam ihr Partner auf die Idee, eine Wildtierkamera am nahen Gartenhäuschen zu befestigen, und zack! Schon am nächsten Morgen war der Futterdieb überführt: Der Waschbär thront auf den Aufnahmen geradezu auf dem Vogelhäuschen, um sich ausgiebig daraus zu bedienen. Tagsüber haben sie ihn inzwischen schon in Nachbars Baum fotografiert. Der Versuch, den Schornsteindeckel mit einem Gummiband dichtzuhalten, brachte nichts: „Der Waschbär hat das einfach runtergeschoben.“

Waschbär streunt durch Wohnsiedlung
Niedlich, aber nervig: Der Waschbär, hier in Nachbars Baum, wird in den Gärten an der Eifelstraße zum Dauergast. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Förster Dirk Basse: Bis zu einer Plage ist es nicht weit

Das alles könnte ganz lustig sein, hätte so ein possierliches Pelztier nicht auch Artgenossen. Die bekommen sehr schnell mit, wo es was zu holen gibt. Und dann ist es vom Einzelbesucher bis zur Plage nicht mehr weit, da können die pelzigen Gäste noch so putzig aussehen. Als Ina Kölsch den Stadtförster anrief und fragte, was sie jetzt tun solle, warnte Dirk Basse die Mendenerin ausdrücklich vor diesem Besucher. Und vor den Schäden, die Waschbären anrichten können, wenn sie erstmal den Zugang zum Haus entdeckt haben.

Waschbär streunt durch Wohnsiedlung
Die Wildtierkamera überführt den Übeltäter. Offenbar gelangt der Waschbär duch Katzenklappen inzwischen auch in Wohnräume. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Ina Kölsch warnt ihre Nachbarschaft: „Der bleibt nicht lange alleine“

Diese Warnung gab Ina Kölsch sofort auch auf Facebook an ihre Nachbarschaft weiter, verbunden mit einem Anliegen: „Bitte stellt kein Katzenfutter nach draußen und füttert auch keine Vögel oder Eichhörnchen. Schließt bitte die Fenster, wenn ihr daheim seid! Der Waschbär wird nicht allzu lange alleine bleiben.“

Auf Nachfrage der WP berichtet sie dazu, dass einige wohlmeinende Nachbarinnen mit Herz für Tiere immer wieder Futter auf ihren Terrassen bereitstellen. Doch was Vögel oder Katzen durch strenge Winter bringen soll, ist für Waschbären oder Marder die reinste Einladung zum Hausbesuch. Dirk Basse: „Für die ist so ein reichhaltig gedeckter Tisch das reinste Schlaraffenland, wenn sie nach draußen gestelltes Katzenfutter oder sonstige Nahrungsquellen finden.“

Gewöhnung an Fütterung, zum Dank fünfstellige Schäden

Mit der Gewöhnung an die Fütterung locke man die Wildtiere geradezu an die Wohnbebauung heran. Hat man den Räuber dann unterm Dach, dann kann er seinen Gastgeber zum Dank die teure Dämmung zerstören. „Es gab Fälle, auch bei uns, da haben sie Schäden in fünfstelliger Höhe angerichtet.“ Tatsächlich fand auch Ina Kölschs Nachbarin, die eine Katzenklappe am Haus hat, kürzlich ein zerfleddertes Toastbrot im Wohnzimmer. Es hatte zuvor unversehrt in der Küche gelegen. Klar, wer da jetzt in Verdacht steht!

Kapellenberg, Waldemei, Haunsberg: Sichtungen mehren sich

Waschbären gelten außerdem als Nesträuber für Vögel und fressen auch selten gewordene Amphibien wie Kröten oder Frösche. Und sie vermehren sich schnell, sagt Dirk Basse. Zwar gebe es in Menden kaum Zahlen darüber. Doch Sichtungen von Waschbären seien in Menden früher bestenfalls vereinzelt vom Kapellenberg gekommen. Heute erreichen sie den Förster aus der gesamten Waldemei oder vom Haunsberg.

Waschbär streunt durch Wohnsiedlung
Der Waschbär im Haus: Dieser Anblick sollte niemanden erfreuen. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Laut Dirk Basse können Waschbären, die in Deutschland auch bejagt werden dürfen, mit vergleichsweise schonenden Methoden vergrämt werden. Ina Kölsch zum Beispiel hat jetzt kleine weiße Beutel in ihr Vogelhäuschen gelegt, die stark nach Lavendel duften. Waschbären finden diesen Geruch angeblich genauso ekelhaft wie das Odeur von Mottenkugeln, von Essig oder WC-Steinen. Der Ausgang der Stinke-Offensive an der Eifelstraße ist noch ungewiss.

Doch alle Abwehrmaßnahmen dieser Art wären sinnlos, wenn in der Nachbarschaft weiter Futter ausgelegt wird, sagt der Mendener Stadtförster. Dirk Basse rät übrigens von Außenfütterungen aller Art durch Privatleute ausdrücklich ab.

Waschbären sind laut Basse Kulturfolger wie Wildchweine, Marder oder auch Rehe, die kein Problem mit der Nähe von Menschen und deren Behausungen haben. Und auch wenn der Waschbär keine einheimische Art, sonder ein Einwanderer, der einst für die Pelz-Produktion nach Deutschland geholt wurde: „Der hat sich seine ökologische Nische längst gesucht. Den werden wir nicht mehr los.“