Menden. Viele Waldwege zeigen zurzeit ihre Wühlspuren: Wildschweine. Aber wie wahrscheinlich ist es, ihnen in der Waldemei zu begegnen? Und was dann?

Die Waldemei ist nicht nur bei Mendenern ein beliebtes Wander- und Naherholungsgebiet. Etwa 14 Kilometer geschotterte Wege umfasst das Waldgebiet auf städtischem Terrain. Neben den befestigten Strecken gibt es aber auch unzählige Trampelpfade und Wege, die im Laufe der Jahre nicht offiziell, entstanden sind. Gerade diese Pfade zeigen sich derzeit regelrecht umgepflügt und durchgewühlt. Das hat auch Gitte Kirschbaum festgestellt, als sie zusammen mit ihrem Mann im Wald unterwegs war. „Wir wohnen nicht weit entfernt und gehen gerne in der Waldemei spazieren. Noch ein paar Tage zuvor waren die Wege gut begehbar, doch jetzt ist alles regelrecht umgegraben“. Das ist das Werk von Wildschweinen, die auf der Suche nach Futter ihre Spuren hinterlassen. Müssen Wanderer also damit rechnen, auf den Wegen auf die Schwarzkittel zu treffen? Und wie verhält man sich dann? Stadtförster Dirk Basse gibt Tipps.

Stadtförster Dirk Basse.

„Dieses Bild findet man zur Zeit überall in den Wäldern. Was für den Laien zerstörerisch aussieht, ist für den Fachmann gar nicht schlimm.“

Dirk Basse

„Dieses Bild findet man zur Zeit überall in den Wäldern. Was für den Laien zerstörerisch aussieht, ist für den Fachmann gar nicht schlimm“, sagt Stadtförster Dirk Basse. Ganz im Gegenteil: Das Schwarzwild ist wichtig für den Wald und im gewissen Maße gern gesehen. Er erklärt, dass das Wühlen der Tiere nach Futter sogar dienlich ist, weil dadurch der Boden aufgelockert wird. Futter in Form von Eicheln und Bucheckern ist in diesem Jahr reichlich vorhanden, gleichwohl sind Wildschweine Allesfresser. Die ballaststoffhaltige Nahrung der Baumfrüchte allein reicht nicht aus. Die Tiere suchen im Boden nach tierischem Eiweiß in Form von Regenwürmern und Käfern.

Wildschweine in der Waldemei
Bei einer kleinen Runde durch die Waldemei stößt WP-Leserin Gitte Kirschbaum auf total aufgewühlte Zuwege. Die Wildschweine haben kräftig gearbeitet. © Gitte Kirschbaum | Gitte Kirschbaum

Besonders die Banketten, so werden die zugewachsenen Wegränder eines geschotterten Hauptweges genannt, sind bei den Schweinen zur Futtersuche beliebt. Den Bewuchs umzuklappen wie einen Teppich, um an die Eiweißquellen zu gelangen, ist für die Tiere ein Leichtes. „Im Grunde legen die Schweine dadurch unsere Wege wieder frei“, so Basse. Wildschweine leben in Familienverbänden, die als „Rotte“ bezeichnet werden. Bachen, die Mutterschweine mit ihren Jungen, den Frischlingen, sowie den männlichen Schweinen, den Ebern, und die Keiler bilden einen solchen Verbund.

„Die Schwarzkittel legen es nicht darauf, an einen Menschen zu treffen, ganz im Gegenteil. Allerdings, dass muss ich auch sagen, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, auf ein Wildschwein zu treffen, je mehr man sich von den Hauptwegen abbegibt.“

Dirk Basse
Stadtförster

Das zu Menden gehörende Gebiet der Waldemei, das etwa 320 Hektar umfasst, ist das Zuhause von drei Rotten, schätzt der Förster. „Eine unserer Wildkameras hat vor kurzem eine Rotte mit zwanzig Tieren aufgezeichnet.“ Wobei Frischlinge eher niedlich anzuschauen sind, kann ein Keiler schon mal angsteinflößend sein. Ein ausgewachsener Keiler kann eine Größe von 1,20 Meter erreichen und dabei ein Gewicht von 150 Kilogramm auf die Waage bringen. „So ein Keiler ist sehr respekteinflößend, zumal er über zwei Eckzähne (Hauer) verfügt, die er einsetzten kann.“ Doch Basse beruhigt: „Die Schwarzkittel legen es nicht darauf an, einen Menschen zu treffen, ganz im Gegenteil.

Wildschweine haben ihren Biorhythmus der Umgebung angepasst

Die von Natur aus tagaktiven Tiere haben ihren Biorhythmus inzwischen der Umgebung angepasst. Zu Zeiten, in denen im Wald viel los ist, weil Wanderer, Mountainbiker oder Pilzsucher unterwegs sind, bleiben die Tiere lieber im Unterholz. Erst in der Abend- oder Morgendämmerung begeben sich die Wildschweine auf Futtersuche. Daher ist es laut Förster auch eher unwahrscheinlich, dass einem Menschen ein Wildschwein über den Weg läuft. „Allerdings, das muss ich auch sagen, nimmt die Wahrscheinlichkeit auf ein Wildschwein zu treffen zu, je mehr man sich von den Hauptwegen weg bewegt“, so Basse. Der Fachmann rät grundsätzlich davon ab, querfeldein durch den Wald zu marschieren. Das Begehen der Dichtungen und Kulturen ist zudem offiziell verboten und die abgezäunten Bereiche für Wanderer ebenso Tabu. „Jedoch sind diese Schonungen mit Sauklappen versehen, das sind Türen, die für das Schwarzwild eingebaut wurden.“ Die Wildschweine sollen also in diese Bereiche, denn sie helfen auch dort bei der Schädlingsbekämpfung, indem sie Mäuse und Engerlinge fressen. Daneben halten sich die Rotten tief im Dickicht auf, dort ruhen sie als Rotte in einem Bett, welches vom Fachmann als „Kessel“ bezeichnet wird. Die Tiere wollen dort am liebsten ungestört und unentdeckt bleiben. Ein Zusammentreffen von Wildschweinen und Menschen werde somit sehr unwahrscheinlich.

Verhaltensregeln für den Ernstfall

Für den seltenen Fall, dass man im Wald einem Wildschwein begegnet, rät der Fachmann, sich wie folgt zu verhalten: Die öffentlichen und geschotterten Wanderwege werden von Wildschweinen höchstens passiert. Falls man dort eines der Tiere sehen sollte, reicht es einfach stehen zu bleiben, den Abstand zu wahren und zu warten, bis das Wildschwein wieder im Dickicht verschwunden ist.

Sollte abseits der Wege aus der Entfernung ein Wildschwein gesehen werden, rät der Experte auch hier dazu, Ruhe zu bewahren, den Abstand auf halten und sich ruhig und langsam wieder auf den Hauptweg zu begeben. Falls ein Wildschwein allerdings auf einen Menschen zustürmt, weil es sich bedroht fühlt, sollte man laut rufen oder in die Hände klatschen. Normalerweise reichen laute Geräusche, „damit sich das Wildschwein verzieht“, so Basse. Wenn das jedoch nicht passiert, ist es ratsam, eine Erhöhung wie einen Baumstumpf zu suchen oder sich hinter einem Baum zu verstecken. Wildschweine haben schlechte Augen und es hilft, sich aus dem direkten Sichtfeld zu begeben.

In seiner inzwischen 20-jährigen Zeit als Stadtförster in Menden hat Dirk Basse von einem Fall, dass ein Mensch von einem Wildschwein angegriffen und verletzt wurde, noch nicht gehört. Allerdings ist es dem Förster wichtig, auf ein anderes Problem hinzuweisen: freilaufende Hunde im Wald. Hundebesitzer sollten ihre Tiere anleinen, erst Recht, wenn sie abseits der befestigten Wege unterwegs sind. Im Normalfall werden Wildschweine nicht ohne Grund aggressiv. Es kann aber vorkommen, dass Hunde Wildschweine jagen und diese damit zu einer Reaktion provozieren, die für den Hund mit schweren Verletzungen enden kann.

Jedoch weiß Basse eine Anekdote zu berichten, die schon mehr als zwanzig Jahre her ist. Es sei zu der Zeit gewesen, als er selbst in eine brenzlige Situation mit einem Wildschwein geraten ist. „Ich habe als Treiber an einer Jagd teilgenommen, als plötzlich ein wütender Keiler auf mich zugestürmt kam. Um mich in Sicherheit zu bringen, bin ich auf einen Baum geklettert“, lacht Basse. Das sei aber lange her und ist auch der einzige Vorfall dieser Art geblieben - dennoch einer, den der Förster nie vergisst.