Menden. Der scheinbar harte Typ berichtet beim Autorenherbst über seine Gefühle. In seiner Biografie „Verrücktes Blut“ blickt er in sein Innerstes.

Der Knastarzt, der Tatort-Schauspieler, der Experte für Verbrechen: Joe Bausch kennen viele Menschen als den unangepassten Typen und einen Menschen mit Ecken und Kanten. Als einen, der nicht um den heißen Brei herumredet. Und als solchen erlebt ihn auch das Publikum im Theater Am Ziegelbrand zunächst. Er spricht auf Einladung der Buchhandlung Daub über Verbrechen und über seine Erfahrungen als Gefängnisarzt in Werl und Fröndenberg. Das Ganze ist vor allem Unterhaltung – und Joe Bausch erzählt, dass all dies Inhalt seiner ersten drei Bücher ist.

Joe Bausch bespielt die ganze Bühne

Immer wieder nimmt er ein Buch zur Hand, blättert darin herum, tapert über die Bühne und legt es dann doch wieder auf den Stehbiertisch. Joe Bausch braucht die ganze Bühne, freut sich über die vollen Reihen im Theater. Da ist einer, der die Erwartungen des Publikums erfüllt. Erst kurz vor der Pause kommt er erstmals auf sein neues Buch zu sprechen und liest wenige Sätze zu seiner eigenen Kindheit auf dem Bauernhof seiner Eltern.

In der Pause signiert Joe Bausch Bücher in Serie. Der Mann ist gefragt und steht für Selfies zur Verfügung. Er plaudert im lockeren Ton mit seinen Fans. Auch einige ehemalige Kolleginnen und Kollegen sind gekommen, um ihn wieder zu treffen. Und natürlich möchten auch sie wissen, was das Besondere am vierten Buch „Verrücktes Blut“ ist.

Lesung Joe Bausch in Menden
Joe Bausch liest nur wenige Zeilen aus seinem neuen Buch. Dennoch gelingt es ihm, sein Publikum zu fesseln. © WP | Dirk Becker

Antworten liefert Joe Bausch im zweiten Teil seiner Lese-Veranstaltung, die weiterhin fast ohne Lesen auskommt. Der Schauspieler wird ernster. Der „Rastlose“ schlägt nachdenklichere Töne an. „Es ist Zeit, auch mal über mich zu reden“, hat er seinen Verlag wissen lassen. Der hat zugestimmt, denn Joe Bausch hat mehr zu berichten als Kriminalfälle und Erfahrungen mit Psychopathen.

Als er das Thema sexueller Missbrauch anspricht, wird es im Publikum spürbar ruhiger. Joe Bausch ein Missbrauchsopfer? Dieser Mann, den doch scheinbar nichts umwerfen kann? Ja! Joe Bausch berichtet darüber, was ihm widerfahren ist. Ein Junge, den seine Eltern aufgenommen haben, als Joe Bausch alias „Der Große“ noch gar nicht geboren war, wird als junger Mann zum Täter. Er ist deutlich älter als Hermann Josef, wie Joe Bausch eigentlich heißt. Auf dem Bauernhof im Westerwald beginnt alles mit gemeinsamen Abenden im Bett des „Bruders“, die Joe Bausch anfangs als angenehm empfunden hat. „Erst mit der Zeit wurde mir klar, dass da nicht alles normal ist“, berichtet Bausch dem Mendener Publikum.

„Ich habe damit abgeschlossen. Aber es ist mir wichtig, weil Opfer eine Stimme bekommen sollen. Das ist das Mindeste, was wir tun können.“

Joe Bausch
zu seinen Missbrauchserfahrungen

Das Kapitel zum Missbrauch sei nicht das größte im Buch, aber es sollte mit rein. „Ich habe damit abgeschlossen. Aber es ist mir wichtig, weil Opfer eine Stimme bekommen sollen. Das ist das Mindeste, was wir tun können“, sagt Bausch. Das Thema Missbrauch ist ihm in seinem Berufsleben immer wieder begegnet. „Ich konnte da unbelastet mit den Tätern sprechen“, erinnert sich der Schauspieler.

Das Buch

„Verrücktes Blut – oder: Wie ich wurde, der ich bin“ von Joe Bausch ist im Ullstein-Verlag erschienen. Die Hardcover-Variante ist 240 Seiten stark und kostet 22,99 Euro. Es ist im Buchhandel erhältlich (ISBN 9783864932489).

In der Folge spricht er über Drogen. Er habe gekifft. „Das war damals nicht strafbar, so wie heute. Aber früher war es schöner“, erklärt Joe Bausch. Gemeinsam mit einem Freund habe er große Mengen Drogen aus den Niederlanden geholt, um andere Freunde zu versorgen. Er saß am Steuer des Autos, ohne einen Führerschein zu haben. „Fahren konnte ich“, sagt Bausch. Und er räumt ein, dass er auch auf der anderen Seite des Schreibtisches hätte landen können – sprich: Er hätte auch Gefangener statt Gefängnisarzt sein können.

Wissen, Gewissen und Verantwortung als wichtige Säulen

Dass es dazu nicht gekommen ist, macht Bausch an drei Begriffen fest: Wissen, Gewissen und Verantwortung. Alles ist in seiner Kindheit und Jugend begründet. Schon als Kind musste er auf dem elterlichen Hof mitarbeiten und Verantwortung übernehmen. Seine Eltern haben ihm Werte vermittelt und vorgelebt. Und schließlich war er als Student für die Menschen in der Provinz des Westerwaldes eine echte Ausnahmeerscheinung. „Verrücktes Blut“ – das ist sein eigenes, erfährt das Publikum noch, bevor eine Autorenherbst-Lesung endet, die in Erinnerung bleiben wird.