Menden. Im letzten Teil dieser WP-Recherchen lesen Sie, wie eine Rechnung das interkommunale Leader-Projekt zumindest kurzzeitig akut gefährdet.
Dass in der Wirtschaftsförderung viele Fäden zusammenlaufen, liegt in der Natur der Sache. Im Frühjahr 2023 kommt ein weiterer hinzu: Leader. Die Region Hemer, Iserlohn-Nord und Menden (HIM) tut sich dafür zusammen. Dabei geht’s um 2,7 Millionen Euro, die in den kommenden sieben Jahren für Projekte – vor allem für Bürger und Vereine – zur Verfügung stehen. Allerdings ist die Förderregion zumindest kurzzeitig in akuter Gefahr - und damit Millionen für bürgerschaftliches Engagement.
Kapitel VI: Unklare Zuständigkeiten?
Für Menden gibt’s nach der ersten Pleite – Projekte in Hemer und Iserlohn erhielten in einem ersten Leader-Durchlauf den Zuschlag – zumindest eine gute Nachricht: An Ideen aus der Hönnestadt mangelt es keinesfalls in Sachen Leader. Initiativkreis Mendener Wirtschaft (IMW), Katholische Kliniken im Märkischen Kreis (KKiMK), Wirtschaftsförderung (WSG), ASB und der DRK Ortsverein haben sich für mehr öffentlich zugängliche Defibrillatoren starkgemacht. Auch Unternehmen sollten im Rahmen des Projektes dazu animiert werden, ihre Flächen mit den lebensrettenden Geräten auszustatten – „die Kosten dafür sollen von den Unternehmen zwar eigenständig getragen, aber durch eine koordinierte Sammelbestellung so weit wie möglich gesenkt werden”, heißt es im Projektentwurf. Begleitende Schulungen sollten zudem Vereinsmitgliedern, Bürgern und Mitarbeitern der teilnehmenden Unternehmen den Umgang mit Defibrillatoren und „Erste-Hilfe-Basiswissen“ vermitteln.
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Im Lahrfeld sollte im Zuge des integrierten kommunalen Entwicklungskonzeptes (IKEK) ein Generationenpark entstehen, den der „Arbeitskreis Lebendiges Lahrfeld” ins Gespräch brachte. So wollte man „das soziale Miteinander im Quartier durch die Entwicklung eines attraktiven und zentralen Spiel-, Erlebnis- und Begegnungsortes für den gesamten Stadtteil mit einer hohen Aufenthaltsqualität im Grünen und Angeboten für alle Generationen, wie Spiel- und Sportgeräte, Bewegungsangebote, Begegnungsorten mit Sitzmöglichkeiten und Raum für soziale Projekte” stärken.
Im August 2024 haben zwei Mendener Projekte nun allerdings grünes Licht für eine Leader-Förderung bekommen: Der SV Oesbern möchte eine nachhaltige Tribüne aus einem Frachtcontainer bauen; der Verein „Kulturschock58“ ein Musik-Festival nachhaltig fördern lassen.
Über Leader
Leader ist eine Fördermaßnahme der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raumes. „Das Programm dient der Strukturförderung des ländlichen Raums und wird finanziert aus dem ,Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums‘ (ELER). Ziel der Förderung ist die Unterstützung einer eigenständigen und nachhaltigen Regionalentwicklung“, heißt es dazu auf der Internetseite des NRW-Landwirtschaftsministeriums. Darunter fallen vor allem Projekte von Vereinen, Institutionen oder Bürgergruppen.
In Balve ist so etwa ein Bulli als mobiles Jugendzentrum im Stadtgebiet unterwegs; die SG Balve/Garbeck hat ihr Vereinsgelände mit Leader-Mitteln sicherer gestaltet. In Fröndenberg ist mit dem Bunten Sofa in Ardey aus einem Nachbarschaftsprojekt ein Treffpunkt für den gesamten Ortsteil entstanden.
Dabei stehen nicht nur die Mendener Ideen, sondern die gesamte Leader-Region zumindest zwischenzeitlich vor einer ungewissen Zukunft. Anträge im Rahmen des Vergabeverfahrens hatte die Stadt Iserlohn im Januar 2023 an Tim Behrendt weitergeleitet. Denn die Mendener WSG sollte die Schnittstelle für alles rund um den Leader-Prozess werden und die Koordinierung übernehmen. Stichtag für die Bewerbung beim NRW-Landwirtschaftsministerium war der 4. März 2023. Fristverlängerungen für das von der EU ausgelobte Förderprogramm – das über das Land abgewickelt wird – gibt es eigentlich nicht, wie eine EU-Pressesprecherin auf Anfrage anmerkt.
Kapitel VII: Wie eine Millionenförderung in Gefahr gerät
Zwar wird die Leader Region Hemer-Iserlohn-Menden für den Regierungsbezirk Arnsberg seit dem 13. Mai 2023 offiziell gelistet. „Die Anträge [für das Vergabeverfahren, Anm. d. Red.] wurden jedoch nie gestellt, die Fristen hierfür versäumt”, heißt es in Sitzungsprotokollen. Erst im Oktober 2023 erfährt der Aufsichtsrat der WSG davon. Das Problem: Die mutmaßlichen Versäumnisse Behrendts könnten „nun auch rechtlich noch relevant werden, da die zugesagte Fördersumme von 2,7 Millionen Euro möglicherweise gefährdet ist”. Und damit die gesamte Leader-Region.
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Hinter den Kulissen werkelt man da allerdings schon daran, „das Ganze zu heilen“, wie mehrere Personen aus dem WSG-Umfeld berichten. Die Bürgermeister aus Iserlohn, Hemer und Menden sollen einschreiten, um an einer Lösung zu arbeiten, „damit der wirtschaftliche Schaden abgewendet werden kann”. Die gemeinsame Erklärung ans Regierungspräsidium scheint am Ende Erfolg zu haben – die Leader-Region ist aktiv.
Doch wie kann das sein, wenn Unterlagen eigentlich nicht fristgerecht eingehen? Hinzu kommt: Unterlagen rund um Leader sind nach WP-Informationen wochenlang händeringend zusammengesucht worden. Ob die sich schließlich noch auf einem Privatrechner gefunden haben, den Tim Behrendt seinerzeit auch beruflich genutzt haben soll, ist ebenso unklar wie die Befürchtung von Personen aus dem WSG-Umfeld, dass Daten von WSG-Servern möglicherweise gelöscht worden sein könnten. Auf Anfrage wollte sich Tim Behrendt zu den Vorgängen rund um Leader nicht äußern.
„Der genaue Verlauf und an welcher Stelle die Unterlagen nicht weitergereicht wurden, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.“
Im Rathaus hingegen zeichnet man auf WP-Anfrage ein klares Bild der Abläufe. Zwar habe mit Carina Gramse eine WSG-Mitarbeiterin das Thema intern zunächst betreut – nach deren Abgang allerdings „verblieb die Aufgabe bei der WSG in Person des damaligen Geschäftsführers Tim Behrendt“.
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Zwar hatte Menden in Sachen Leader die Koordinierungshoheit im Bewerbungsprozess. Doch für konkrete Projekte springt oftmals ein sogenanntes Regionalmanagement ein. Für die Mendener Leader-Region ist das die projaegt GmbH. Allerdings: Unterlagen für den kommunalen Partner seien laut Verwaltung nie von Behrendt an die Bezirksregierung Arnsberg weitergeleitet worden. Am Ende war es laut Bürgermeisterbüro eine Rechnung des Regionalmanagements, die die mutmaßlichen Versäumnisse aufdeckte. Als das aufgefallen sei, war Behrendt bereits krankgeschrieben und später freigestellt. „Der genaue Verlauf und an welcher Stelle die Unterlagen nicht weitergereicht wurden, lässt sich nicht mehr rekonstruieren“, teilt Bürgermeister Dr. Roland Schröder mit.
Dass die Region die Fördersumme schlussendlich doch behält, liegt wohl daran, dass die Nachbarstadt Iserlohn eingreift: Am 14. November 2023 werden verpasste Vergabeunterlagen des Regionalmanagements weitergeleitet. Fristen hat man dabei laut Schröder aber allesamt eingehalten: „Da es sich um die erneute Ausstellung bereits vorhandener Dokumente (hier: der Vergabevermerk, der bereits am 23. Januar 2022 erstellt wurde) handelte und die Vergabe in Iserlohn ordnungsgemäß durchgeführt worden war, wurde auch das Datum des Originals verwendet.“ Die Unterlagen wurden anschließend durch die neue WSG-Geschäftsführerin Sara Schmidt am 15. November an die Bezirksregierung weitergereicht, „und die Rechnung der projaegt konnte beglichen werden“.
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Mittlerweile beschäftigt die politischen Gremien jedoch weit mehr als nur die Ungereimtheiten in der WSG während der Behrendt-Amtszeit. Auch die Nebenverdienste sowie Verdienstausfälle sämtlicher Ratsmitglieder nimmt das Rechnungsprüfungsamt derzeit nach WP-Informationen unter die Lupe. Zumindest in Sachen Verdienstausfall dürfte das weitere brisante Informationen zutage fördern.