Menden. Zweiter Teil umfangreicher WP-Recherchen zeigt auf, wie es unter dem früheren WSG-Chef Tim Behrendt zum Stillstand im Gewerbegebiet Hämmer kam.

Das ganze Ausmaß der Missstände in der Mendener WSG offenbart sich dem Aufsichtsrat erst gut einen Monat nach den ersten Vorwürfen gegen Tim Behrendt. Am 25. Oktober 2023 ist klar: Nicht nur der Führungsstil muss hinterfragt werden, auch die Vermarktung des Gewerbegebiets Hämmer II ist unter dem früheren WSG-Geschäftsführer praktisch zum Erliegen gekommen. Ein weiteres Projekt könnte die Wirtschaftsförderung zudem teuer zu stehen kommen.

Kapitel IV: Ein kostspieliger Neubau

Mit einem Gründungs- und Innovationszentrum Hämmer sollte ein Nachfolger des Mendener Technologie- und Gewerbezentrums (MTGZ) an der Franz-Kissing-Straße geschaffen werden. Das MTGZ ist 2021 an die Rosier-Gruppe verkauft worden. Eine Machbarkeitsstudie für das neue Gründungszentrum war im WSG-Wirtschaftsplan 2023 bereits mit 10.000 Euro eingepreist. Unterm Strich fallen die Kosten dafür nun jedoch dreimal so hoch aus. „Außerdem wurde dem Aufsichtsrat von Herrn Behrendt glaubhaft vermittelt, dass das Gründungs- und Innovationszentrum mit einer Quote von bis zu 90 Prozent der Gesamtkosten gefördert werden kann“, heißt es dazu in Sitzungsprotokollen. Das ist nach WP-Informationen auch grundsätzlich richtig, allerdings waren diese Förderquoten fristgebunden. Ob das Projekt derzeit überhaupt noch gefördert werden kann, steht völlig in den Sternen.

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In jedem Fall werden die Erwartungen mindestens gedämpft. In der WSG ging man seinerzeit davon aus, dass der Bau zu 65 Prozent gefördert werden könnte. Wie hoch die Kosten am Ende ausfallen könnten, ist völlig offen, da „keinerlei konzeptionelle Arbeit hierzu geleistet wurde”, heißt es dazu weiter. Das Problem dabei: Das neue Gründungszentrum sollte das MTGZ ablösen. Passiert das nicht, droht der WSG eine Steuerfälligkeit aus dem MTGZ-Verkauf in Höhe von 330.000 Euro. Ob das Finanzamt Iserlohn eine Fristverlängerung gewährt, ist offen. Ein bezugsfertiger Bau bis Fristende ist jedoch nicht in Sicht, heißt es dazu aus WSG-Kreisen.

Ein weiteres Mendener Prestigeprojekt litt derweil ebenfalls unter dem Stillstand im Gewerbegebiet: Der Mobility Hub, den die Stadtwerke als zentralen Verkehrsknotenpunkt entwickeln wollen. Einzig Grundstücksverhandlungen hat es unter dem früheren WSG-Geschäftsführer nicht gegeben. Die Vorarbeiten für den Mobility Hub vonseiten der Stadtwerke laufen weiter, wie Matthias Thelen auf WP-Anfrage erklärt. Wohl nicht ohne Grund. Denn im Laufe des ersten Halbjahrs 2024 ist nach WP-Informationen wieder Bewegung in die Sache gekommen. Zumindest hat der Rat einem Grundstücksverkauf an das kommunale Tochterunternehmen zugestimmt.

Kapitel V: Eine Fete mit roten Zahlen

Dabei plante Behrendt auf der anderen Seite, dass sich alle Mendenerinnen und Mendener ein Bild vom Gewerbegebiet der Zukunft machen können. Mit „Menden dreht auf“ wollte der frühere WSG-Chef „die beeindruckende Größe des Areals und die große Bedeutung für die Stadtentwicklung“ präsentieren, wie er seinerzeit im Gespräch mit der WP erklärte. Die große Sause sollte dabei sprichwörtlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Informationen für Bürger und Unternehmen auf der einen Seite, ein Ersatz für „Menden à la carte“ auf der anderen Seite. WSG und der Initiativkreis Mendener Wirtschaft (IMW) fackelten nicht lange und gingen ans Werk. Eine Mischung aus Familienfete, After-Work-Sause und Partynacht. Vom selbstgebauten Solarauto bis hin zum autonom fahrenden Kleinbus hatte das Fest vieles zu bieten. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) überzeugte sich nicht nur von der guten Stimmung in der Hönnestadt, sondern auch von einem künftigen Wirtschaftsmotor des Märkischen Kreises in Gänze.

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Hinter den Kulissen allerdings ist bei „Menden dreht auf“ nicht alles glattgelaufen. Dass eine solche Veranstaltung auch potenzielle neue Unternehmen anlockt, die sich selbst ein Bild machen wollen, gilt in Branchenkreisen als üblich. Doch statt sich als erster Ansprechpartner zu präsentieren, soll Tim Behrendt Interessenten auf die Internetseite der Wirtschaftsförderung verwiesen haben. Tenor: Ein Formular ausfüllen, wir melden uns. So berichten es Augenzeugen dem Aufsichtsrat. An anderer Stelle soll Behrendt „nachweislich einen Fehler bei der Parkplatzzuteilung“ begangen und das seinen Mitarbeitenden angelastet haben, wie der Aufsichtsrat zudem im Oktober 2023 feststellt. Zwar ist „Menden dreht auf” als Gemeinschaftsprojekt von WSG und IMW beworben worden, am Ende aber springt die Mendener Wirtschaft in die Bresche. Grund: Da es „im Vorfeld keine schriftlichen, verbindlichen Absprachen“ gab, führte das zu „erheblichen Mehraufwand in der Endabrechnung”, stellt der WSG-Aufsichtsrat dazu fest. Statt eines kleinen Gewinns in Höhe von 5000 Euro, mit dem der frühere WSG-Chef rechnete, blieben unterm Strich 30.000 Euro Miese – für jeden der beiden Ausrichter, wie Mitschriften der Sitzungen festhalten.

Doch das, was Beteiligten noch immer die größten Sorgen bereitet, sind ungeklärte Fragen rund um die Leader Region Hemer-Iserlohn-Menden (HIM). Lesen Sie im letzten Teil dieser umfangreichen WP-Recherche, wie eine Rechnung dieses Millionenprojekt für bürgerschaftliches Engagement in Schwierigkeiten brachte.