Menden. 2010 rieselte der Schnee zuletzt zum Fest in Menden. Wetter-Experte Peter Friedrich sieht hier kaum noch Chancen für „White Christmas“.

Der Schlitten bleibt drin, die sieben Pückelkes sind grün: In Menden wird‘s mal wieder nichts mit der Weißen Weihnacht. Peter Friedrich weiß das längst, als wir zum Interview zusammensitzen. Seit 1972, also seit 51 Jahren, betreibt der Mendener seine Wetterstation am Kapellenberg. Das ersehnte „White Christmas“ gab es für Menden in dieser Zeit ganze sechs (!) Mal. Dabei trägt die Hönnestadt das Sauerland sogar ganz offiziell im Namen. „Aber wir sind halt nicht Winterberg, und da liegt dann Kunstschnee“, schmunzelt Friedrich.

Schon Tage vor dem Fest Spekulationen zum Weihnachtswetter

Seit 2010 ist an den Festtagen in Menden jedenfalls kein einziges Schneeflöckchen mehr heruntergerieselt, so inbrünstig sie es an Heiligabend beim Turmblasen auch herbeisingen. Woher kommt überhaupt diese Sehnsucht nach dem Weihnachtsschnee? „Die wird wohl wirklich auf den Kleinen Lord oder Bing Crosbys Lied zurückgehen“, vermutet Peter Friedrich. Ihm selbst gehe es ja nicht anders: „Schon Tage vor dem Fest schreibe ich in meinem Blog über das mutmaßliche Weihnachtswetter.“ Nachzulesen ist das schon seit zehn Jahren auf mendenwetter.blogspot.com.

„Das wird wohl wirklich auf den Kleinen Lord oder Bing Crosbys Lied zurückgehen.“

Peter Friedrich, Wetterexperte
zur Frage, warum sich viele Menschen weiße Weihnachten wünschen
Der Mendener Experte Peter Friedrich an seiner Wetterstation: Seit 51 Jahren hält er am Kapellenberg täglich die Temperaturen und Niederschläge fest.
Der Mendener Experte Peter Friedrich an seiner Wetterstation: Seit 51 Jahren hält er am Kapellenberg täglich die Temperaturen und Niederschläge fest. © Westfalenpost | Thomas Hagemann

Kalte Winter werden in Menden immer seltener

Inzwischen rührt die Liebe zum Schnee auch daher, dass die weiße Pracht für die langjährige Normalität beim Wetter steht: für einen kalten Winter. Eine Normalität, die auch in Menden immer seltener wird. „Ich erzähle das von mir aus schon gar nicht mehr. Aber was Meteorologen hier und auf der ganzen Welt seit Jahren sehen, ist dramatisch. Dieses Jahr, das jetzt zu Ende geht, hat am Neujahrstag in Menden mit 16 Grad plus begonnen, das muss man sich mal vorstellen. Und die Spundwand an der Kaiserstraße, die das nächste Hönne-Hochwasser abhalten sollte, ist beim nächsten Mal einfach überspült worden.“

Die meisten Menschen ändern ihr Verhalten nicht

Seit 2018 war jedes Jahr in Menden laut Peter Friedrichs Messungen im Schnitt über elf Grad warm. Was er und andere, die den kommenden Generationen eine möglichst heile Welt hinterlassen wollen, nicht erkennen können: „Dass die Leute wirklich ihr Verhalten ändern.“ Stattdessen werde weiter badewannenweise Kerosin verbraucht, um Urlaube am anderen Ende der Welt zu verbringen, oder für Inlandsflüge von Hamburg nach München. Massenhaft fahren weiter voll besetzte Traumschiffe, die vor allem riesige Dreckschleudern sind. Friedrichs Vermutung: „Jeder glaubt und erwartet wohl, dass so etwas irgendwann verboten wird.“

Frohe Weihnacht in Menden 2035: So sieht es WP-Karikaturist Tommes.
Frohe Weihnacht in Menden 2035: So sieht es WP-Karikaturist Tommes. © Thomas Jahn | Tommes

Seit sechs Jahren misst Friedrich für das Mendener Stadtgebiet die Jahres-Durchschnittstemperatur über elf Grad Celsius. „Zum Vergleich: Zwischen 1960 und 1990 waren das noch 8,9 Grad.“ Das Pariser Klimaziel gibt weltweit höchstens 1,5 Grad Erwärmung vor. Diese Marke hat Menden für sich genommen mit 2,1 Grad schon deutlich gerissen. Friedrich: „In diesem Jahr werden wir bei 11,8 Grad landen. In den beiden Jahren davor hatten wir 12,0 und 12,2.“ Er selbst fliege mittlerweile gar nicht mehr, sagt der 78-Jährige.

Hoffnung? Viele Jüngere setzen im Klimaschutz auf die Technik

Peter Friedrich hat Kinder und Enkelkinder, wie sehen die das? „Erstmal fällt auf, dass die Jungen viel besser Bescheid wissen als die meisten Älteren, wie es aussieht. Mein Eindruck ist aber: Es gibt bei denen eine Technikgläubigkeit, die sie immer noch das Beste hoffen lässt.“ So gebe es die Idee, das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu saugen und unterm Meer einzulagern. Peter Friedrich sieht das eher skeptisch. Stattdessen erlebe man gerade bei einer regelrecht abgebrochenen Förderung von E-Autos durch den Bund „einen Vertrauensbruch sondergleichen, und das sage ich als alter Beamter“.

2023 auch in Menden viel zu nass

In einem Punkt immerhin reihe sich das Jahr 2023 nicht in die fatale letzte Zeit ein: „Dieses Jahr war, gemessen am langjährigen Mittel, auch in Menden viel zu nass. In den Jahren vorher hat es immer zu wenig Regen gegeben, vor allem im April, der für unsere Landwirte wichtig ist.“

Aktuell bleibt nur zu hoffen, dass der Dauerregen auch über die Festtage nicht zum nächsten Hochwasser führt. Der Hönne-Pegel lag am späten Freitagabend schon wieder bei zwei Metern. 1,60 Meter gelten als kritische Grenze.

Bleibt zu hoffen, dass alle trockene Füße behalten. Und dass zwölfjährige Kinder in Menden doch noch einmal weiße Weihnachten erleben, bevor sie erwachsen sind.