Menden.. Eine Bereicherung für blinde und sehbehinderte Menschen: Mendener sprechen jede Woche die wichtigsten Nachrichten auf Kassette.
Für manche Hörer ist es das Highlight der Woche. Per Kassette erfahren sie in 90 Minuten das wichtigste Geschehen aus Menden. Nun wird die Tonbandzeitung 30 Jahren alt.
Adele Rohe ist eine Mitstreiterin der ersten Stunde. Vor drei Jahrzehnten las sie in der Zeitung, dass in Menden eine Tonbandzeitung für blinde und sehbehinderte Menschen entstehen sollte: „Da habe ich mich angesprochen gefühlt und mich gemeldet“, erinnert sie sich. Die Initiative ging damals von der Blinden-Selbsthilfegruppe aus; die einstige Leiterin der Begegnungsstätte Club 78, Kerstin Schlücking, startete die Aktion, erinnern sich die heute noch Aktiven.
Kopien von der Mutterkassette
Das Sichten der Zeitungen, das Raussuchen der Themen, das Kürzen der Artikel und das Vorlesen machte der Mendenerin so viel Spaß, dass sie bis heute dabei geblieben ist. Kurz nach Adele Rohe kam Iris Schulte hinzu, die beiden haben vor ihrer Pensionierung als Lehrerinnen gearbeitet. Komplettiert wird das Team durch Barbara Krafft und Hermann-Josef Schnell, der seit 23 Jahren dabei ist.
Hermann-Josef Schnell bespricht die Kassetten nicht nur, sondern leistet Woche für Woche die Kopierarbeit. „Ich mache von der Mutterkassette Kopien“, erklärt Hermann-Josef Schnell. Nach dem Kopiervorgang steht ein kurzes Probehören beider Kassettenseiten an. Anschließend tütet Hermann-Josef Schnell die Kassetten ein, bringt sie zur Post, die sie unentgeltlich zu den Empfängern transportiert. Der Rücklauf wird über die Behindertenhilfe Menden abgewickelt, die die Kassetten aus ihrem Postfach abholt und aufbewahrt, bis Hermann-Josef Schnell sie in der Einrichtung abholt und erneut bespielt. „Wir finden dieses ehrenamtliche Engagement klasse und wollen es gerne weiterhin unterstützen“, sagen Jutta Köster, stellvertretende Leiterin der Behindertenhilfe, und Jutta Voß, Geschäftsführerin der Behindertenhilfe Menden.
Die Vorleser wechseln sich ab, jeder gibt dem Aufsprechen der Texte aber eine eigene Note. „Ich kommentiere oft das Vorgelesene“, erzählt Iris Schulte. Besonders angetan hat es ihr die Schullandschaft: „Die Gesamt- und die Realschule hätten nach Lendringsen gekonnt, dann gäbe es die Platzprobleme nicht“, sagt sie. Auch ein Gedicht von Heinz Erhardt oder Erich Kästner wird zum Schluss mal aufgesprochen. Und – ganz wichtig – die Todesanzeigen dürfen nicht fehlen.
Kassetten besser als CDs und USB-Sticks
Kassetten sind eigentlich ein aussterbendes Medium, wieso ist die Gruppe Ehrenamtlicher nie auf CDs oder USB-Sticks umgestiegen? „Für Blinde ist es mit Kassetten einfacher“, erklärt Hermann-Josef Schnell. „Da können sie problemlos unterbrechen und später an der selben Stelle weiterhören.“
Nachschub an Kassetten
Nachschub an Kassetten bekommt das Team derzeit noch – „bei Ebay bekommt man alles“, sagt Adele Rohe. Wer noch Kassetten (90 Minuten Spieldauer) hat und diese spenden möchte, kann sich an die Akteure der Tonbandzeitung (Telefon: 02373-3236) wenden. Auch ein Löschschutz – etwa bei einer Hörspiel-Kassette – ist nicht hinderlich. Hermann-Josef Schnell klebt die Ecken einfach mit Klebeband ab, „dann kann man die neu bespielen“.
>> 45.000-MAL KASSETTEN BESPIELT
Hermann-Josef Schnell hat interessante und kuriose Zahlen und Fakten rund um die Tonbahnzeitung gesammelt:
Würde man alle Aufnahmen des ehrenamtlichen Vorleser-Teams hinter einander abspielen, würde man 190 Tage ununterbrochen zuhören können.
Es gibt 1500 so genannte „Mutterkassetten“, das sind die Kassetten, die von den Vorlesern aufgenommen werden.
Insgesamt sind 45.000-mal Kassetten bespielt worden.
Der jüngste Hörer der Tonbandzeitung ist 48 Jahre alt, der älteste 83.
>> AUDIO-ABO FÜR WP-LESER
Wer sich nicht nur einen Ausschnitt aus der Tageszeitung vorlesen lassen möchte, kann auch die komplette Zeitung zum Hören bestellen. Die Westfalenpost bietet hierfür ein Audio-Abo an. Hier können sich Blinde oder Sehbehinderte die Zeitung über ein spezielles Gerät vorlesen lassen.
Die Kosten für diesen „Universal-Reader“ werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen, wie Anne Kochanek von der Firma Papenmeier, die sich um die technische Umsetzung der Hörzeitung kümmert, weiß. Per Tastendruck wird Schrift in Sprache umgewandelt. „Der Kunde drückt eine Taste und die Zeitung wird automatisch ins Vorlesegerät übertragen“, erläutert Anne Kochanek.
Es gibt verschiedene Abo-Varianten. Weitere Informationen beim WP-Leserservice unter Tel. 0800-6060740 oder bei der Firma Papenmeier unter Tel. 0800-7273663
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