Menden..
Sirenen, schreiende Menschen, Schwerverletzte - am Mittwoch herrschte der Ausnahmezustand in Menden. Geschockte Anwohner versuchten, den „Opfern“ gut zuzureden. Was die Anwohner nicht wussten: Es war eine Übung.
Es war keine alltägliche Übung. Mit etwa 70 Mann und Frau sowie vielen Fahrzeugen probten Feuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz und Arbeiter Samariter Bund am Mittwochabend an der Regebogenschule den Ernstfall unter realistischen Bedingungen. Für einige Anwohner waren sie zu realistisch. So ging Andrea Schmidt vom Hördinger Kamp von einem echten Notfall aus – und war geschockt.
Das Ganze war wirklich eine geheime Kommandosache. „Im Vorfeld haben insgesamt keine zehn Mann von der Sache gewusst“, berichtet Jürgen Dinslage, der Löschzugführer der Freiwilligen Feuerwehr in Menden-Mitte. Geheimhaltung und damit ein Überraschungseffekt für die etwa 70 Teilnehmer von haupt- und ehrenamtlicher Feuerwehr sowie Deutschem Rotem Kreuz (DRK) und Arbeiter Samariter Bund (ASB) war auch ausdrücklich gewünscht.
„Die Bilder haben sich eingeprägt“
Denn es sollte unter möglichst realistischen Bedingungen geübt werden. Dazu gehörten Sirenen. Dazu gehörte auch, dass vom DRK gestellte „Schauspieler“ die Verletzten mimten. Sie schrien um Hilfe und waren von Mario Plachuta so geschminkt worden, dass sie tatsächlich wie Schwerverletzte aussahen.
Für Anwohner wie Andrea Schmidt ein ganzes Stück zu realistisch: Sie hatte erst gar nicht registriert, dass es sich um eine Übung handelte und wollte einem jungen Mann, der hilferufend am Fenster stand, noch gut zureden. In einem Leserbrief (siehe unten) schreibt sie: „Die Bilder dieses schreienden Mannes haben sich eingeprägt und ich habe versucht, ihn danach noch ‘lebend’ und lachend zu sehen, um die Bilder wieder aus dem Kopf zu bekommen.“
Handwerker sprang aus dem Fenster und lag verletzt auf dem Boden
Frank Wyczisk von der Feuerwehr bedauert diese Verwirrung, aber die Rettungskräfte seien darauf angewiesen, unter sehr realistischen Bedingungen zu üben. Er appelliert: „Wenn sich Bürger nicht sicher sind, ob es ein Ernstfall oder eine Übung ist, sollten sie nicht zögern und sofort offensiv einen Feuerwehrmann ansprechen, der sie sofort aufklären wird.“
Und das war das Szenrio, das Mittwochabend an der Regenbogenschule simuliert wurde: Bei Handwerkerarbeiten in der Regenbogenschule – so die Annahme – war es es zu einer Verpuffung mit Folgebränden im Gebäude gekommen. Die Herausforderung für die Rettungstrupps: Acht Handwerker waren auf mehreren Etagen durch das verrauchte Treppenhaus eingeschlossen.
Ein Handwerker sprang aus dem Fenster und lag verletzt auf dem Gehweg. Andere machten sich an verschiedenen Fenstern bemerkbar, als die Feuerwehr eintraf. Weitere befanden sich im Keller und im Treppenflur.
Per Drehleiter wurden die Menschen gerettet
Per Drehleiter und über tragbare Leitern mussten die Menschen teils unter Atemschutz mit Fluchthauben aus dem Gebäude gerettet werden. Zudem musste der Brand auf allen Etagen bekämpft werden und es galt, die Verletzten zu versorgen.
Das alles fand unter den Augen von Schiedsrichtern statt, die später bei der Manöverkritik in der Rettungswache die Fehler analysieren mussten. Verbesserungsansätze im Detail seie
n gleich erkannt worden, so Frank Wyczisk. So seien einige Verletzte zu lange ohne direkte Ansprache geblieben. „Aber generell sind wir sehr zufrieden mit dem Verlauf der Übung. Die Menschen haben gut funktioniert.“
Schwächen bei den Funkgeräten entdeckt
Das gilt für die Technik nicht unbedingt. So wurden Schwächen bei den Funkgeräten offenbar. Da man immer noch auf die Einführung des digitalen Funks bei allen Rettungskräften im Land warte, werde wohl nicht mehr genug in die analoge Technik investiert.
Als erfolgreich entpuppte sich der neue Einsatzführungsdienst: Mit ihm ist nun geregelt, dass 365 Tage im Jahr rund um die Uhr immer einer aus einer Gruppe führender Feuerwehrleute bei Großeinsätzen der Einsatzleiter vor Ort ist. Damit sind immer die Kompetenzen gleich geklärt. Am Mittwoch hatte Manfred Seithe die Leitung inne.
Zur Statistik: Die Feuerwehr war mit zwölf hauptamtliche Kräften, zwei Ärzten und etwa 40 freiwilligen Feuerwehrleuten vor Ort. Das Rote Kreuz stellte sieben Verletztendarsteller und Schminker sowie einen Rettungswagen mit zwei Helfern. Und der ASB war mit einem Rettungswagen und einem Krankenwagen mit jeweils zwei Mann im Einsatz.