Menden.. Ritalin statt Einfühlung: Für die ehemalige Super-Nanny Katharina Saalfrank läuft heutzutage in der Kindererziehung einiges schief. Sie fordert die Abschaffung des traditionellen Erziehungsbegriffs. Bei einer Lesung in Menden stößt sie auf Widerspruch.

„Kein erfundener Fall“, betont Katharina Saalfrank: „Das Kind ist fünf. Die Ärztin: ,Wenn Sie jetzt nicht Ritalin geben, wird das Kind im Gefängnis landen.’ – Puh.“ Raunen unter den mehr als 100 Zuhörerinnen und vereinzelten Zuhörern, die am Dienstag auf der Wilhelmshöhe die frühere Super-Nanny live erleben konnten.

Ritalin statt Einfühlung ins Kind und seine Bedürfnisse ist für Katharina Saalfrank eins von vielen Symptomen dafür, „dass im Umgang mit Kindern heute vieles sehr schief läuft“. Nach sieben RTL-Jahren will die Diplompädagogin ihr Image als Deutschlands Obernanny hinter sich lassen und stellt derzeit deutschlandweit ihr Buch vor: „Du bist ok, so wie du bist – Das Ende der Erziehung“. „Kinder brauchen keine Erziehung, sondern stabile, konstruktive Beziehungen“ lautet ihre Kernthese, mit der der frühere „Erziehungs“-Begriff – Erwachsene üben Macht aus, das Kind als Schwächeres gehorcht – ausradiert wird.

Keine Zeit für Diskussion

Mit solchen „pauschalen Verkürzungen“ war Prof. Dr. Heinz Schirp von der Uni Bielefeld ganz und gar nicht einverstanden: Der anerkannte Fachmann für Neurodidaktik hatte nach einer 15-minütigen Einführung durch Saalfrank eigentlich mit ihr diskutieren sollen und war darauf dezidiert vorbereitet. Doch Saalfrank redete sich so sehr in Begeisterung, dass sie die Zeit vergaß, wie sie danach beteuerte. Die zweite Hälfte des Abends war für Fragen aus dem Publikum reserviert. Prof. Schirp konfrontierte Saalfrank ganz offen mit seiner Vermutung: „Sie haben mit Absicht so lange geredet, weil Ihnen meine Fragen unangenehm sind.“

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Im Kern plädiert die vierfache Mutter für einen grundsätzlich neuen Blick auf die Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Am Klassiker „Kinderzimmer aufräumen“ wird das im Buch deutlich: Lea, 4, fängt während des Aufräumens zu spielen an und vergisst die Zeit. Ihre Mutter wird sauer und verbietet ihr das Fernsehen. Lea heult. Die Mutter schimpft noch mehr. Für beide ist der Abend gelaufen.

Beziehung bedeutet in diesem (wahren) Fall: Die Mutter akzeptiert Leas anderes Ordnungsverständnis, Lea bietet der Mutter an, ihr künftig einen Weg durchs Spielzeug zu räumen, damit die Mutter ihr am Bett gute Nacht sagen kann. „Und weil Lea so gern möchte, dass die Mutter ans Bett kommt“, schließt Saalfrank unter dem Lachen im Saal, „ist das Kinderzimmer jetzt manchmal schon um 17 Uhr tipptopp aufgeräumt.“