Attendorn. Anne Gesthuysen ist eine prominente Moderatorin und Autorin. Bald kommt sie nach Attendorn. Im Gespräch gibt sie private Einblicke in ihr Leben.
Anne Gesthuysen, vielen bekannt als ehemalige Moderatorin des „Morgenmagazins“ der ARD, begeistert nun mit ihrem neuen Buch „Vielleicht hat das Leben Besseres vor“. Die WDR-Moderatorin, die für ihre humorvolle und authentische Art bekannt ist, gewährt darin einen Blick auf das Leben am Niederrhein, heiter, aber auch ernst und lebensnah. Am 4. Februar um 19.30 Uhr laden die Buchhandlung Frey und die WESTFALENPOST Anne Gesthuysen zu einem besonderen „Mädelsabend“ in die Aula des Rivius-Gymnasiums in Attendorn ein. Ein Abend voller Geschichten, Lachen und Austausch, bei dem selbstverständlich auch Männer willkommen sind. In einem exklusiven Interview spricht sie über ihre persönlichen Erfahrungen und die Themen, die sie bewegen.
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Vermissen Sie die Arbeit beim ARD-Morgenmagazin oder genießen Sie die Freiheit des Schreibens?
Ich vermisse vor allem die Teamarbeit und die besondere Dynamik, die beim Moderieren entsteht. Wir hatten dreieinhalb Stunden live eine riesige Spielfläche mit viel Freiraum. Auch die Routine, täglich mit denselben Menschen zusammenzuarbeiten, gemeinsam zu lachen und sich auch in kleinen Ritualen wiederzufinden, war etwas Schönes. Solche Momente fehlen mir manchmal. Gleichzeitig genieße ich die Freiheit des Schreibens, selbst zu entscheiden, woran ich arbeite und wann. Doch diese Freiheit hat auch ihre Herausforderungen: Es ist manchmal einsam, und man muss sich ständig selbst disziplinieren. Aber beide Welten haben ihren Reiz.
Wie hat der Erfolg Ihres Debütromans „Wir sind doch Schwestern“ Ihr Leben verändert?
Der Erfolg hat mein Leben definitiv verändert. Ich habe mich aus der Moderation zurückgezogen, was mir zwar schwergefallen ist, aber es hat mir auch ermöglicht, den Kopf freizubekommen und neue Wege zu gehen. Das Schreiben hat seitdem viel Raum eingenommen. Ohne den überraschenden Erfolg des Debüts hätte ich mich wahrscheinlich nicht so stark auf das Schreiben konzentriert. Seitdem sind vier weitere Bücher entstanden. Der Erfolg des ersten Buches war jedoch etwas ganz Besonderes – damit hatte niemand gerechnet, ich selbst am allerwenigsten.
Wie sieht Ihr Schreibprozess aus? Haben Sie feste Rituale oder bestimmte Zeiten, in denen Sie am produktivsten arbeiten?
Nein, feste Regeln habe ich nicht, aber ich brauche einen richtigen Anschub, um in den Schreibprozess zu kommen. Dafür gönne ich mir regelmäßig eine Auszeit – mindestens eine Woche, manchmal auch zehn Tage, in der ich komplett alleine bin. Dann fahre ich irgendwohin und schreibe open end. Zu Hause werde ich oft abgelenkt oder lasse mich ablenken. Aber wenn ich wegfahre, fühle ich mich verpflichtet, Ergebnisse zu liefern – mindestens einen Buchplan und die ersten 20 Seiten.
Steckbrief von Anne Gesthuysen
Anne Gesthuysen (55) ist eine deutsche Journalistin, Schriftstellerin und Moderatorin. Sie wuchs am Niederrhein auf und studierte Journalistik in Dortmund. Nach einem Volontariat beim WDR begann ihre Karriere vor der Kamera. 2002 bis 2014 moderierte sie das ARD-Morgenmagazin und gewann 2012 den Deutschen Fernsehpreis. 2012 veröffentlichte sie ihren Bestseller „Wir sind doch Schwestern“ – inspiriert vom Lebenslauf ihrer drei Großtanten, die alle 80 Jahre und älter wurden. Das Buch wurde ein großer Erfolg und belegte zeitweilig den ersten Platz der Spiegel-Bestsellerliste. Ihren dritten Roman „Mädelsabend“ (2018) versteht sie als Hommage an ihre verstorbene Schwiegermutter. „Vielleicht hat das Leben Besseres vor“ ist ihr aktueller fünfter Roman. Seit 2014 widmet sie sich verstärkt dem Schreiben und moderiert weiterhin die WDR-Sendung „Aktuelle Stunde“. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Moderator Frank Plasberg, und ihrem Sohn in Köln.
Sie leben jetzt in Köln, kommen aber ursprünglich vom Niederrhein. War es keine Option, dorthin zurückzukehren?
Nein, das war für mich nie eine Option. Schon mit 15 oder 16 wusste ich, dass ich die Kindheit dort sehr geliebt habe. Aber irgendwann fühlte es sich zu eng und zu klein an. Ich wollte mehr von der Welt sehen. Köln bietet mir das Beste aus beiden Welten: Stadtleben mit Kultur und trotzdem viel Grün und den Rhein vor der Haustür. Aber der Niederrhein bleibt ein wichtiger Teil meines Lebens. Mein Bruder lebt noch auf dem elterlichen Hof, den er wiederbelebt und in einen Pferdehof verwandelt hat. Ich bin regelmäßig dort, besonders in der Spargelzeit – allein schon wegen eines bestimmten Spargelhofs, den ich auch in meinen Büchern verewigt habe. Ich hoffe ja immer noch, dass mir das einen Tisch auf Lebenszeit einbringt!
Gibt es ein Genre oder ein Thema, das Sie in Zukunft gerne ausprobieren würden? Oder bleiben Ihre Bücher weiterhin am Niederrhein?
Mein nächstes Buch wird definitiv wieder am Niederrhein spielen, da ich meine Trilogie um Anna von Betteray und Ottilie abschließen möchte. Danach würde ich gerne wieder in eine Richtung gehen, die stärker an mein erstes Buch erinnert: historische Figuren zu nehmen, sie ein wenig zu verfremden und daraus Romanfiguren zu machen. Die Recherchearbeit reizt mich besonders. Das ist die Journalistin in mir. Ein Buch wie mein zweites, „Sei mir ein Vater“, das echte Persönlichkeiten miteinbezieht, hat mir im Schreibprozess große Freude bereitet, auch wenn es nicht so erfolgreich war wie mein Debüt. Es wäre spannend, noch einmal ein Projekt anzugehen, bei dem ich richtig tief in die Recherche eintauche und ein Stück Geschichte neu erzähle. Aber wer weiß – Ideen habe ich viele, es ist eher eine Frage der Umsetzung.
Kurz und knapp
Berge oder Meer: Meer
Kaffee oder Tee: Kaffee
Frühaufsteher oder Langschläfer: Langschläfer
Pauschalreisen oder Abenteuerurlaub: Abenteuerurlaub
Gibt es ein Buch, das Sie niemals schreiben würden?
Ich würde niemals Bücher wie die von Herrn Fitzek schreiben. Diese tiefe Düsternis, das Böse, das in solchen Geschichten im Mittelpunkt steht, liegt mir einfach nicht. Mich beschäftigen Themen wie Schuld, Trauer und die Angst, als Mutter Fehler zu machen. Damit kann ich mich intensiv auseinandersetzen, weil es nahbar und emotional ist. Aber so etwas Abgründiges oder Grausames zu schreiben, würde mir keinen Spaß machen – und ich tue mich sogar schwer, solche Bücher zu lesen.
Wenn Sie einen Tag als jemand anderes leben könnten, wer wäre das?
Ich würde gerne einen Tag als mein Sohn leben. Zum einen, weil ich hoffe, dass er eine glückliche Kindheit hat und es ihm gutgeht. Aber auch, weil es spannend wäre, einen anderen Blick auf mich zu bekommen, einen, der hoffentlich wohlwollend, aber auch kritisch ist. Vor allem jetzt, wo er in der Pubertät ist, wäre das eine völlig neue Perspektive. Natürlich reden wir hier nur von einem Tag, danach wäre alles wieder wie vorher. Aber ich finde den Gedanken faszinierend, zu erleben, wie er die Welt und auch mich wahrnimmt. Es ist eine spontane Antwort, und vielleicht denke ich morgen anders darüber, aber im Moment fände ich das sehr spannend.
Was ist das größte Klischee, das Ihnen in Interviews begegnet? Gibt es eine Frage, die Sie wirklich nervt?
Die Frage, ob mein Mann mir morgens den Kaffee ans Bett bringt, ist ein absolutes Interview-Klischee bei mir. Ich habe sie etwa 350.000 Mal gehört. Um sie gleich zu beantworten: gelegentlich ja. Das Ganze geht auf meine Morgenmagazin-Zeiten zurück. Obwohl ich das Morgenmagazin seit zehn Jahren nicht mehr moderiere – genauso lange, wie ich es damals gemacht habe – kommt diese Frage immer noch. Es ist schon faszinierend, wie hartnäckig sich solche Dinge halten.
Haben Sie eine Verbindung zum Sauerland oder vielleicht Erinnerungen an die Region?
Oje, ehrlich gesagt habe ich keine tiefe Verbindung zum Sauerland. Natürlich war ich schon mal da. Ich erinnere mich an eine Reportage, die ich auf einem Bauernhof dort gemacht habe. Das hat mir viel Freude bereitet. Die Atta-Höhle und der Biggesee stehen aber definitiv auf meiner Bucketlist. Bislang habe ich beides nicht geschafft. Vielleicht liegt es daran, dass man am Niederrhein diese Höhenlagen nicht so gut ertragen kann.
Wenn Sie zurückblicken: Welche Entscheidungen in Ihrem Leben haben Sie besonders geprägt?
Da gab es sicher viele. Eine wichtige war in der elften Klasse, als wir ein Berufspraktikum machen sollten. Mein Vater hatte einen Freund, Harry, der zu der Zeit eine Freundin hatte, die Sekretärin beim WDR in Kleve war. Über diese Verbindung habe ich dort ein Praktikum bekommen – dank eines Chefs, der einfach gemacht hat, was er wollte und mir eine Chance gegeben hat. Ohne diese Erfahrung wäre ich heute vermutlich nicht da, wo ich bin. Die weitere Entscheidung, die mir spontan einfällt, war auf einer Geburtstagsfeier von Christine Westermann. Durch einen Smalltalk über meine drei Großtanten und das Leben auf dem Land kam ich in Kontakt mit einer Lektorin von Kiepenheuer & Witsch. Eine Woche später rief sie mich an und fragte, ob ich ein Buch schreiben möchte. Obwohl ich keinerlei Erfahrung hatte, habe ich sofort Ja gesagt. Denn das, was ich wirklich kann, ist das Glück erkennen, wenn es sich mir bietet und sofort zugreifen– ohne lang zu zögern. Wenn ich eine Möglichkeit sehe, greife ich zu, auch wenn ich noch keine Ahnung habe, wie es genau gehen soll. Der Rest ergibt sich, und ich lasse dann auch nicht mehr los, selbst wenn es Rückschläge gibt. Das hat mich immer weitergebracht.
Anne Gesthuysen wird am 4. Februar in der Aula des Rivius Gymnasiums in Attendorn ihr neues Buch „Vielleicht hat das Leben Besseres vor“ vorstellen. Beginn ist um 19.30 Uhr. Tickets sind im Vorverkauf für 18 Euro in der Buchhandlung Frey erhältlich.