Einsiedelei. Das Leben in einem ehemaligen Forstarbeiter-Haus ist derzeit noch ruhiger als gewollt: Seit sechs Monaten ist das Telefon tot.

Der Ortsname lässt ahnen, dass hier nicht gerade tobendes Leben herrscht. Doch das, was derzeit an der Einsiedelei in Sachen Telekommunikation vor sich geht, dafür hat Lorenz Lüke-Sellhorst nur wenige Worte: „Das glaubt man nicht.“ Der pensionierte Forstfachmann lebt seit 1988 in einem ehemaligen Waldarbeiter-Doppelhaus, das die Forstverwaltung inzwischen privatisiert und an Lüke-Sellhorst verkauft hat. Seit 1988 lebt er hier, seit dem Tag, als er seinen Dienst beim Forstamt in Olpe antrat und auch blieb, als er 2008 zum damaligen Lehr- und Versuchsforstamt Arnsberg wechselte, bis er dessen Leitung 2020 in jüngere Hände übergab.

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Mitten im Gespräch mit unserer Redaktion klingelt das Mobiltelefon von Lorenz Lüke-Sellhorst. Doch anstatt das dringend erwartete Gespräch sofort anzunehmen, verlässt er erst das Haus: Erst wenige Meter vor der Haustür besteht die Chance, dass die Verbindung für die Dauer des Gesprächs aufrechterhalten bleibt. Denn besagtes Mobiltelefon ist derzeit die einzige Verbindung in die Außenwelt: Das Festnetztelefon ist tot, und das bereits seit dem 19. Mai. Seit über fünf Monaten. Lüke-Sellhorst: „Erst dachte ich, mein Telefon sei kaputtgegangen. Ich habe mir ein neues gekauft.“ Doch auch nach dem Austausch des Apparats blieb die Leitung stumm. Via Mobiltelefon setzte Lüke-Sellhorst die Deutsche Telekom in Kenntnis. „Es dauerte genau einen Monat und einen Tag, dann kam ein Techniker her, der mir sagte, er könne die Leitung von beiden Seiten messen und den Fehler auf einen Meter genau eingrenzen.“ Ob das stimmt oder nicht, bleibt bislang unbewiesen, denn bis heute gab es keinen Versuch, die defekte Leitung zu reparieren.

„Daran glaube ich erst, wenn das Telefon im Haus wirklich klingelt.“

Lorenz Lüke-Sellhorst
„Einsiedler“ seit 1988

Der Fehler liegt im Erdreich, denn den oberirdisch verlaufenden Abschnitt hat Lüke-Sellhorst schon lange selbst inspiziert. „Das ist in den vielen Jahren hier ja schon mal passiert, dass durch Windbruch oder Schnee ein Baum die Leitung unterbrochen hatte.“ Der Anruf kam, wie bestellt, von der Telekom. Ihre Nachricht: Ein neuer Termin für die Reparatur stehe fest. „Daran glaube ich erst, wenn das Telefon im Haus wirklich klingelt“, hat Lorenz Lüke-Sellhorst das Vertrauen in den Staatskonzern inzwischen verloren.

Lüke-Sellhorst
Lorenz Lüke-Sellhorst setzt sich bei Sonnenschein zum Telefonieren gern auf die Bank am benachbarten Maschinenschuppen des Forstamts auf der Einsiedelei. In seinem Wohnhaus ist der Empfang gestört – und das Festnetz seit fast einem halben Jahr tot. © Jörg Winkel | Jörg Winkel

Eine Anfrage unserer Redaktion bei der Telekom ergab: Das Problem liege daran, dass sich „der Anschluss in einem Waldgebiet und der unterirdische Teil der Leitungsführung unter einer sich im Laufe der Zeit veränderten Wegführung befindet“. Daher gestalte sich die Lokalisierung der konkreten Störungsquelle als schwierig. „Außerdem sind die Merksteine, mit denen wir die Lage unserer Trasse identifizieren, nicht mehr auffindbar“, so das Bonner Unternehmen. Aktuell sei jedoch eine Störungsquelle ausgemacht und die Tiefbau-Genehmigung angefordert. Es gibt also Hoffnung für Lorenz Lüke-Sellhorst, dass er nach dann einem guten halben Jahr bald wieder im Trockenen telefonieren kann.

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Anders jedoch bei seinem zweiten Problem. Denn eigentlich wäre Lüke-Sellhorst schon lange gar kein Kunde der Deutschen Telekom mehr. Er hat, wie so viele andere Menschen im Kreis Olpe, einen Glasfaseranschluss beantragt. Ironischerweise sind dafür die Aussichten der Bewohner solcher Kleinsiedlungen gar nicht schlecht: Während die großen Wohngebiete von den Betreibern eigenwirtschaftlich ausgebaut werden müssen, mit anderen Worten: es sich lohnen muss, was aber nur eintritt, wenn genügend Interessenten da sind, gelten derartige Insellagen als „weiße Flecken“. Da sich das Ziehen eines Glasfaserkabels bis zu Orten wie der Einsiedelei wirtschaftlich wohl nie rechnen würde, hat die Bundesregierung Zuschüsse bereitgestellt. Im Kreis Olpe ist das Unternehmen „Deutsche Glasfaser“ dasjenige, das den Weiße-Flecken-Ausbau übernimmt. „Ende 2022“, berichtet Lüke-Sellhorst, „sollte die Leitung bei mir am Haus sein.“ Es geschah: nichts. Bis zum Juli 2023: Da kam ein Mitarbeiter zur Hausbegehung vorbei, um klarzumachen, wo der schnelle Anschluss installiert werden kann und soll. Das war es dann aber auch.

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Nach Auskunft der Deutschen Glasfaser (DG) gibt es hier zwei Ursachen: zum einen die Insolvenz der Firma Soli Infratech, die als Subunternehmer der DG auch in der Gemeinde Kirchhundem den Ausbau vornehmen sollte. Und schon vor deren Antrag auf Regelinsolvenz, der zum Einstellen aller Tiefbauarbeiten geführt habe, hätten sich die Bauarbeiten durch „schwere Bodenverhältnisse“ immer wieder in die Länge gezogen. „Derzeit prüft Deutsche Glasfaser, wie der Glasfaserausbau vor Ort mit einem alternativen Baupartner fertiggestellt werden kann. Deutsche Glasfaser wird dazu so bald wie möglich informieren“, heißt es in der Antwort auf unsere Anfrage weiter.

Nur sechs Anschlüsse realisiert

Da die Förderung dieses Ausbaues aber eigentlich Ende 2024 ausläuft, blicken die Bewohner der „Weißen Flecken“ sorgenvoll auf das nahende Jahresende. „Hier ist Deutsche Glasfaser bereits auf den Kreis zugegangen und haben einen Antrag auf eine Verlängerung des Bewilligungszeitraums bis Ende 2026 gestellt. Eine Antwort liegt uns noch nicht vor“, heißt es seitens des Unternehmens. Bislang sei kreisweit allein das Förderprojekt Wenden als einziges von sieben Einzelprojekten ans Netz gegangen mit aktuell sechs aktivierten Kunden, die inzwischen via Glasfaser eine schnelle Internet-Anbindung genießen.

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Der Kreis Olpe weiß mehr: „In Abstimmung mit dem Bundesfördergeber wurde zwischenzeitlich eine Verlängerung des Durchführungszeitraumes für das Gesamtvorhaben bis Ende 2026 beantragt. Die Realisierung der Anschlüsse soll innerhalb des Durchführungszeitraums des Förderprojekts erfolgen“, informiert Pressesprecherin Stefanie Gerlach. Mit anderen Worten: weiter warten. Für Lüke-Sellhorst mittlerweile praktisch der Normalzustand.