Unterneger. Vandalismus-Serie gegen Familie eines 16-jährigen Unfallopfers reißt nicht ab. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Störung der Totenruhe.
Dass ein Mensch eine Erinnerungsstätte für einen verstorbenen 16-Jährigen schändet, gehört schon zu den unfassbareren Geschehnissen. Umso mehr Empörung hatte Ende Juli unser Bericht über einen ebensolchen Vorfall hervorgerufen, der die Familie Gissinger im kleinen Dorf Neger ins Tiefste erschüttert hat. Ihr Sohn Carl Julius war 2020 unverschuldet bei einem Verkehrsunfall mit einem Traktor so schwer verletzt worden, dass er kurz nach der Kollision den Folgen seiner Verletzungen erlag. Am Unfallort zwischen Neger und Siedenstein, wo das Motorrad des Jungen gegen das Hinterrad des Erntefahrzeugs geprallt war, hatten die Gissingers einen Findling aufstellen lassen, versehen mit einer Namenstafel und dem Schriftzug „Carl 2020“. Damit wollten sie vorhergehenden Vandalismus beenden, denn Grablichter und Laternen am Unfallort waren immer wieder zerstört worden. Doch auch die solide Ausführung der Erinnerungsstätte sorgte nicht für das Ende der Zerstörungen: Die massiven Metallbuchstaben brachen unter den Hieben eines unbekannten Täters vermutlich mit einem schweren Pfahl, und zwar vermutlich exakt am Todestag des Jungen. Die Tat sorgte für Solidaritätsbekundungen im Negertal; unter anderem sammelten Nachbarn Unterschriften, um der Familie Mut und Kraft zuzusprechen.
Die Strafanzeige der Familie brachte bisher kein Licht ins Dunkel, auch wenn die Gissingers recht sicher sind, den Täter zu kennen. Doch gab es kurz nach dem Bekanntwerden des Vorfalls eine neue Eskalationsstufe, die eine neuerliche Anzeige nach sich zog. Denn beim Besuch auf dem Friedhof in Unterneger entdeckten Diana und René Gissinger, dass der Vandalismus auf Kosten des Andenkens an ihren Sohn selbst vor dem Friedhof nicht haltgemacht hat: „Da hat jemand auch auf den Grabstein eingeschlagen“, berichtet Diana Gissinger unserer Redaktion voller Empörung. Schlagmarken und verschobene Buchstaben zeigen die Folgen der massiven Gewalt. Das Kreuz vor dem Sterbedatum wurde abgerissen. „Das Vorgehen ist identisch mit der Tat an dem Gedenkstein, deshalb gehen wir davon aus, dass es derselbe Täter war“, so die erschütterte Mutter.
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Doch anders als beim ersten Vorfall liegt hier nun nicht mehr „nur“ eine einfache Sachbeschädigung vor: Wenn ein Grabmal beschädigt wird, dann geht der Gesetzgeber von einer „Störung der Totenruhe“ aus, und die gilt als Straftatbestand und wird mit einer Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft geahndet. Da es als Offizialdelikt gilt, ist nicht einmal eine Anzeige nötig; die Polizei muss hier ermitteln, sobald sie Kenntnis von einem solchen „Beschädigen von Stätten besonderer Pietät“ erfährt. Esther Schöttke von der Kreispolizeibehörde bestätigte unserer Redaktion, dass die Polizei ermittelt und das Verfahren an die Staatsanwaltschaft in Siegen abgegeben hat. Für die Familie Gissinger kein Trost, nur die Hoffnung, dass weitere Aufmerksamkeit dafür sorgt, dass das Andenken ihres verstorbenen Sohnes künftig nicht mehr Ziel von Vandalismus sein wird. „Wenn jemand etwas gegen uns hat, dann ist das eine Sache. Aber was hat mein verstorbener Sohn damit zu tun?“ weiß sich Diana Gissinger keinen Rat auf die wiederholten Freveltaten.