Altenhundem. Ein Düsenjet im Tiefflug zerschellt in einem Waldgebiet bei Altenhundem, nur wenige 100 Meter neben dem Gymnasium – vor 60 Jahren.

Drei tieffliegende Militärflugzeuge donnerten am Freitag, 7. Juni, über den Kreis Olpe und erschreckten mit ihrem Lärm viele Bürger. In den 1960er und -70er Jahren waren solche Flugmanöver an der Tagesordnung und kaum jemand drehte sich nach den Kampfjets der NATO-Streitkräfte noch um. Doch am 12. Juni 1964, also vor genau 60 Jahren, endete ein missglückter Tiefflug über Altenhundem beinahe mit einer Katastrophe.

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Gegen 10 Uhr rasen an jenem Tag zwei Düsenjets aus Schmallenberg kommend durch das Lennetal auf Altenhundem zu. Eine der beiden Maschinen kann früh genug abdrehen, die zweite rast auf das Gymnasium am Biertappen zu. Antonius Steinberg aus Bilstein, damals Schüler in der Obersekunda (Klasse 10), erinnert sich: „Wir hatten gerade Pause und waren alle auf dem Schulhof, da kam das Flugzeug von Langenei direkt auf uns zugeschossen. Es zog dann nach oben, flog über die Schule und dann sahen wir schon den Rauch nach dem Absturz. Das ging alles so schnell, wir konnten auch nicht weglaufen. Wir standen da und waren geschockt.“ Das Flugzeug zerschellte einige 100 Meter links von der Schule oberhalb des Biertappens im Wald, der Pilot kam bei dem Absturz ums Leben. Wie sich später herausstellte, saß ein 21-jähriger Niederländer am Steuerknüppel.

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Die beiden Jets wollten mit einer Linkskurve in das Hundemtal Richtung Kirchhundem abdrehen. Offensichtlich war der Unglückspilot viel zu tief geflogen. Der frühere Studiendirektor und Kreisheimatpfleger a. D. Günther Becker unterrichtete damals am Gymnasium und hatte Aufsicht auf dem Schulhof. „Der untere (Jet, die Red.) befand sich extrem tief, in Höhe zwischen Kirchturmspitze und Kirchturmuhr, die zweite Maschine flog wesentlich höher, sicherlich oberhalb der umliegenden Bergrücken“, wird Becker in einem WP-Bericht zum 50-jährigen Jahrestag zitiert. Auch Martin Schmitt, der damals auf der anderen Bergseite wohnte, wurde Zeitzeuge des Unglücks: „Ich habe im Garten meines Elternhauses gespielt, als ich das ohrenbetäubende Getöse eines Düsenjägers hörte. Tiefflieger waren damals ja an der Tagesordnung, aber in dem Fall war es irgendwie anders. Ich schaute hoch in Richtung Flugzeuglärm, drehte den Kopf nach rechts in Richtung Kirche. Der Düsenjet raste in Höhe der Kirchturmuhr vorbei. Es dauerte nur Bruchteile von Sekunden, als es einen Riesenschlag gab. Ich schaute in Richtung gegenüberliegendem Biertappen und sah einen Feuerball, der immer größer wurde“, zitiert WP-Redakteur Werner Riedel den Altenhundemer in seinem Bericht vor zehn Jahren.

Auch Herbert Schulte, wohnhaft im Altenhundemer Ortsteil Jammertal, kann sich noch gut an den „großen Knall“ erinnern. „Die Kanzel hat an der Rudolfshöhe gelegen (an der Olper Straße (L 715) Richtung Bilstein, die Red.), die Trümmer lagen verstreut an dem ganzen Hang.“ Die Druckwelle der Explosion sei so groß gewesen, dass sogar die Fensterscheiben des Möbelgeschäfts Kaiser an der Hundemstraße zu Bruch gingen, so Herbert Schulte.

Die Absturzstelle am Biertappen in Altenhundem, rechts die drei Blöcke des Gymnasiums.
Die Absturzstelle am Biertappen in Altenhundem, rechts die drei Blöcke des Gymnasiums. © WP | Repro: bw

Nach dem Unglück wurde Großalarm für die Feuerwehr ausgelöst, die schnell zur Unglückstelle ausrückte. Das brennende Kerosin hatte zu vielen kleinen Brandstellen geführt. „Das Flugzeug hat eine etwa 200 Meter breite Schneise in den Wald gerissen“, erinnert sich Antonius Steinberg. Kurz nach dem Unglück sperrte die Militärpolizei den gesamten Bereich ab.

Ob der junge Pilot ein Held ist, weil er die Maschine im letzten Moment bewusst von der Schule wegmanövrierte oder ob es sich eher um einen Reflex handelte, als er die Gebäude auf sich zukommen sah, diese Frage wird nie beantwortet werden. Fakt ist, dass hunderte Menschen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene in der Schule und am Biertappen nur ganz knapp einer Katastrophe entgingen – damals vor 60 Jahren.