Elben. Merle (2) ist krank. Das ist eine Herausforderung für die ganze Familie Bähr. Sie bekommen Hilfe von ehrenamtlichen Betreuern.
Jens Kattwinkel (28) und Lennart (4) sind richtig gute Freunde. Wenn die beiden sich treffen, spielen sie zusammen Playmobil oder tollen ein bisschen im Garten rum. Der Altersunterschied stört sie nicht. Im Gegenteil. Der Vierjährige freut sich immer, wenn „sein großer Kumpel“ vorbeikommt. Jens Kattwinkel ist aber mehr als nur ein Spielkamerad. Er ist ehrenamtlicher Betreuer beim ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Siegen. Sein Job ist es, dem Jungen seine Zeit zu schenken. „Das erste, was wir machen, ist mit Lego-Duplo einen Turm zu bauen“, erzählt er. „Und das schönste für Lennart ist natürlich, den Turm wieder einstürzen zu lassen.“
Was die Familie braucht
Lennart wohnt zusammen mit seiner kleinen Schwester Merle (2) und seinen Eltern, Sebastian und Melanie Bähr, in Elben. Eigentlich würde er in den Kindergarten gehen. Aber wegen des Coronavirus verbringt er viel Zeit zuhause. Das bringt auch Langeweile mit sich. Doch allzu viel Zeit haben seine Eltern nicht für ihn. Leider. Denn seine Schwester ist krank. Sehr sogar. Die Lungen des Mädchens arbeiten aufgrund eines Gendefektes nicht richtig, 24 Stunden trägt sie eine Atembrille, die sie mit Sauerstoff versorgt. „Sie muss die ganze Zeit beobachtet werden“, erzählt Mutter Melanie Bähr (32). „Lennart versteht das, aber es ist schon schwierig für ein Kind, das zu akzeptieren.“
Aber deswegen ist ja Jens Kattwinkel da. Er sorgt dafür, dass Lennart nicht zu kurz kommt, während Merle versorgt wird. Mal gehen sie spazieren, mal machen sie ein Wettrennen – worauf er eben gerade Lust hat. Es ist nicht immer so, dass das Geschwisterkind begleitet wird. Manchmal begleiten die ehrenamtlichen Betreuer der Kinder- und Jugendhospizdienste auch das erkrankte Kind oder die Eltern. „Je nachdem, was die Familie braucht“, erklärt der 28-Jährige aus Netphen-Unglinghausen, der 2019 zusammen mit seiner heutigen Verlobten Linda Neef einen entsprechenden Befähigungskurs beim Deutschen Kinderhospizverein gemacht hat. „Das ist eine Erfahrung, die man so im Alltag nicht bekommen würde. Es ist einfach schön, wenn man weiß, man kann anderen Menschen etwas Gutes tun.“
Kleine Kämpfernatur
Merle ist stabil und schlägt sich tapfer. Dennoch: Sie gehört – wie viele andere Kinder und Jugendliche – zur Hochrisikogruppe. Familie Bähr verbringt daher viel Zeit zuhause. Und dort wird Vorsicht großgeschrieben. „Nach dem Einkaufen wechsel ich die Klamotten und die Hände werden gewaschen“, erzählt die Mutter. „Einen Mundschutz habe ich von Anfang an getragen.“ Dementsprechend ist die aufsuchende Betreuung der Hospizdienste momentan ausgesetzt. Trotzdem lassen die Betreuer die Familien nicht allein. Jens Kattwinkel meldet sich aktuell häufig via WhatsApp. „Das macht Lennard auch sehr gerne, Sprachnachrichten schicken“, sagt Melanie Bähr schmunzelnd.
Möglichst schnell zur Normalität zurück – das wünscht sich die Familie Bähr. Auch wenn „ihre Normalität“ aufgrund der kranken Maus ohnehin schon etwas anders aussieht: Zumindest, wenn die Kinder in den Kindergarten dürfen, das wäre schon ein Segen (Merle sollte eigentlich auch ab August hingehen). Und natürlich, wenn Jens Kattwinkel wieder regelmäßig kommen darf – das kann vor allem Lennart kaum erwarten.
Mit 24 ambulanten Kinder- und Jugendhospizdiensten (AKHD) an 30 Standorten begleitet und unterstützt der Deutsche Kinderhospizverein e. V. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit einer lebensverkürzenden Erkrankung und deren Familien. Mehr 1000 Ehrenamtliche sind deutschlandweit in rund 600 Familien unterwegs. Beim AKHD Siegen, zu dem auch der Kreis Olpe zählt, sind es aktuell 44 Ehrenamtler in 30 Familien. Neue ehrenamtliche Mitarbeiter werden dringend gebraucht. Der Vorbereitungskurs umfasst ca. 80 Stunden und läuft über vier Monate. Ein neuer Kurs startet im Januar 2021. Interessierte können sich unverbindlich im AKHD Siegen informieren. Kontakt: Wellersbergstr. 60 (DRK Kinderklinik, Hauptgebäude, 2. Stock) 57072 Siegen, Tel: 0271 / 233 07 57, E-Mail: siegen@deutscher-kinderhospizverein.de. Der Verein muss sich zu 75 % durch freiwillige Leistungen (Spenden etc.) finanzieren, 25 % erhält der Verein durch die Krankenkassen.