Attendorn. Ob Ostersemmel oder Gebäckl, die Bäcker in Attendorn und Umgebung haben viel an Ostern zu tun. Doch in Coronazeiten ist nichts mehr normal.
Die Tage vor Ostern bedeuten normalerweise Stress pur für die Attendorner Bäcker. Hunderte der beliebten Ostersemmel, die allermeisten mit Kümmel, werden gebacken und gehen anschließend über die Ladentheken. Viele Hansestädter kaufen in den örtlichen Metzgereien den leckeren Knochenschinken, der zum Ostersemmel gehört. Aber in Zeiten von Corona ist nichts mehr normal. Unsere Zeitung hat sich umgehört. Zentrales Thema sind auch hier die Sicherheitsbestimmungen, die beim Verkauf in und vor den Geschäften eingehalten werden müssen.
Beim Fototermin steht Ralf König, der wie sein Vater „Nelli“ genannt wird, mit seinem rollenden Bäckereifachgeschäft in der Antoniusstraße in Windhausen. Nach mehr als 50 Jahren hat der Bäckermeister das Liefergeschäft der Familie aufleben lassen. Neben Brot, Brötchen und Gebäck gibt es im Verkaufswagen Wurst von Attendorner Metzgereien, Milch, Eier, Mehl, Butter und natürlich Ostersemmel.
Mit seinem Laden auf vier Rädern ist „Nelli“ König im Stadtgebiet und den umliegenden Dörfern unterwegs. Die genauen Zeiten und Routen stehen immer aktualisiert auf der Facebookseite von „Königs Brotkorb“.„Unser Angebot kommt gerade bei älteren Menschen gut an“, betont der Bäckermeister. „Bei vielen kommen Kindheitserinnerungen hoch.“
Aber auch für jüngere Hansestädter, die im Homeoffice arbeiten, sei der Service eine willkommene Gelegenheit, quasi vor der Haustür Lebensmittel einzukaufen. In Windhausen warteten an diesem Tag schon einige Bewohner auf das rollende Bäckereifachgeschäft. Der Hauptarbeitsplatz von Ralf König ist aber die Backstube. Karfreitag werden die vorbestellten Ostersemmel wieder von 8 bis 12 Uhr im Geschäft in der Kölner Straße 15 verkauft. Karsamstag können die bestellten Brote von 7 bis 12 Uhr in der Breiten Techt, vor dem ehemaligen Café Rimini, abgeholt werden. Der Laden neben der Sparkasse ist ganz normal geöffnet. Hier werden zwei Verkaufsstellen eingerichtet, eine davon im wegen Corona geschlossen Café.
Die ganze Familie packt mit an
Am Eingang wird darauf geachtet, dass nicht zu viele Menschen im Geschäft sind. „Abstand wahren“ ist auch beim Verkauf der Ostersemmel das Zauberwort. Bäckermeister Ralf „Nelli“ König ist optimistisch, dass das klappt. „Ich glaube, das werden die Attendorner hinbekommen.“ Leer ausgehen muss Karsamstag niemand, auch wenn er keine Ostersemmel vorbestellt hat. Ab 10 Uhr steht König mit seinem Verkaufswagen vor dem Geschäft.
Auch bei Konditormeister Markus Harnischmacher sind fast alle Ostersemmel vorbestellt. Die ganze Familie packt mit an, wenn die traditionellen Brote mit den charakteristischen Hörnern Karfreitag (13 bis 17 Uhr) und Karsamstag (8 bis 16 Uhr) im nicht genutzten Café verkauft werden. So müssen die Kunden erst gar nicht ins Ladengeschäft. Harnischmacher bittet im Übrigen um Verständnis, dass er seinen Lieferservice am Oster-Wochenende „nur in absoluten Härtefällen“ anbieten kann. Mit dem Sonntagsgeschäft (Brötchen und Kuchen) ist der Konditormeister ganz zufrieden.
Bei Hans-Jürgen Krüger in der Ennester Straße wird es wie im vergangenen Jahr aus personellen Gründen keine Ostersemmel geben. „Das Geschäft läuft schlecht“, klagt der Bäckermeister. Krüger fehlen die Lieferungen mit belegten Brötchen an Attendorner Firmen.
Verkäuferinnen in Kurzarbeit
„Es ist schon beeindruckend, was abends in der Kasse fehlt“, berichtet auch Georg Sangermann von erheblichen Umsatzeinbußen. Der Bäckermeister aus Oberveischede beliefert normalerweise Schulen, eine Jugendherberge und das Jugenddorf in Eichhagen. Übrig geblieben sind das Krankenhaus und Altenheim in Olpe. Seine Cafés musste Sangermann, der in Attendorn einen kleinen Laden an der Windhauser Straße betreibt, schließen. Für die betroffenen Verkäuferinnen wurde Kurzarbeit angemeldet.„Die Leute sind sehr diszipliniert“, berichtet Georg Sangermann und hofft, dass das auch bis Karsamstag so bleibt.
Wie sein Kollege Thomas Hesse (Bäckerei Hesse) will der Innungsobermeister eines auf keinen Fall: Security wie in manchen Supermärkten. Für seine Mitarbeiter, die in Zeiten von Corona ihren nicht ungefährlichen Job erledigen, hat sich der Chef der Landbäckerei Sangermann etwas Besonderes einfallen lassen. Der Reinerlös des verkauften Weizenmehls geht an seine Beschäftigten, die „in dieser schweren Situation täglich ihren größtmöglichen Einsatz zeigen“.
Thomas Hesse ist zwar kein Attendorner. Aber der Geschäftsführer der Bäckerei Hesse mit Standorten am Alten Markt und in Ennest weiß, wie wichtig in der Hansestadt Tradition ist. Gerade das Osterbrauchtum, das in diesem Jahr fast komplett wegfällt, sieht er „als ein Stück Heimat“.
Wurst bis vor die Haustür
Die Bäckerei Hesse backt zurzeit süße Herzchen und verschenkt sie in ihren Filialen an Ärzte, Pflegekräfte und Sanitäter. Thomas Maiworm ist in Zeiten von Corona noch mehr unterwegs, um vorbestellte Wurst- und Fleischwaren auszuliefern. „Die Leute bestellen telefonisch, wir legen die Sachen dann vor die Haustür“, erzählt der Metzgermeister mit dem Geschäft am Alten Markt. Maiworm und seine Verkäuferinnen achten darauf, dass nicht mehr als zwei bis drei Personen im Laden sind. Die Verkaufstheke ist zum Schutz des Personals zugebaut. Sollte Karsamstag schlechtes Wetter sein, überlegt Thomas Maiworm, für seine wartenden Kunden draußen ein Zelt aufzubauen. Aber eigentlich müsste das Vordach reichen.
Auch Metzgermeister Marcus Kurafeiski (Fleischerei Kost) lässt seine Produkte im rollenden Geschäft von Ralf „Nelli“ König verkaufen. Der leckere Knochenschinken, der zum Ostersemmel gehört, reift schon seit zwei Jahren in der Räucherkammer an der Ennester Straße. An das Bild vor dem Fachgeschäft haben sich die meisten Kunden schon gewöhnt: Weil nur eine bestimmte Anzahl von Personen in den Laden darf, bildet sich draußen eine Schlange. Deshalb hatte Verkäuferin Ute Sondermann, die Schwester des Metzgermeisters, auch wenig Zeit am Telefon.