Attendorn. Die Osterbrauchtümer spielen in Attendorn eine große Rolle: Dieter Auert hat angesichts der Corona-Beschränkung eine originelle Idee.
Wenn die Menschen Karsamstag wegen Corona schon nicht zum traditionellen Semmelsegnen vor den Sauerländer Dom kommen können, dann soll der kirchliche Segen durch Pfarrer Andreas Neuser zu den Menschen kommen.
„Es geht doch weiter, wir dürfen nicht verzagen und müssen das Bestmögliche daraus machen“, will Dieter Auert wenigstens ein kleines Stück des jahrhundertealten Osterbrauchtums retten. „Im stillen Kämmerlein“ ist der 85-jährige Attendorner, der auch in diesem Jahr die plattdeutsche Ansprache beim Ausmessen der Kreuze auf dem Alten Markt gehalten hätte, auf eine Idee gekommen, für die er schon viel Zuspruch erhalten hat.
Leserbrief der Auslöser
„Wenn das mit dem Semmelsegnen nicht so geht, müssen wir das eben anders machen“, will sich Auert nicht damit abfinden, dass in diesem Jahr das gesamte Osterbrauchtum in der Hansestadt ausfällt. Am Dienstag ist ein kurzer Leserbrief von Auert in dieser Zeitung erschienen. Seitdem hat der 85-Jährige viele positive Reaktionen bekommen. „Ich habe ein kleines Feuerchen gelegt, daraus muss jetzt etwas werden“, hofft der brauchtumserprobte Stadtführer auf Unterstützung der Osterfeuervereine und vor allem der katholischen Kirche.
Denn Pfarrer Andreas Neuser ist die zentrale Figur beim Vorschlag von Dieter Auert. Der katholische Geistliche darf Karsamstag nicht wie sonst Tausende von Ostersemmeln und ihre Besitzer auf dem Platz zwischen Sauerländer Dom und dem Pfarrheim mit Weihwasser segnen. Die Attendorner müssen wegen der Kontaktsperre auch Ostern zu Hause bleiben. Und hier setzt die Idee von Dieter Auert an.
Anregung aus dem Ruhrpott
Das Segnen der leckeren Kümmelsemmel soll nicht ausfallen. Pfarrer Neuser, so schlägt Auert vor, könnte dafür in den Turm der Pfarrkirche steigen und von dort die Semmeln und die Menschen segnen. Pünktlich um 14 Uhr würden die Attendorner die Semmeln dann in die Hände nehmen: ob vom Balkon, aus dem Fenster oder im heimischen Garten. „Wir müssen den Menschen in diesen schwierigen Zeiten ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Mut machen“, sagt er.
Ostersemmel aus dem Ruhrgebiet
Die Anregung für seine Idee erhielt der 85-Jährige von einem Hansestädter, der vor vielen Jahren ins Ruhrgebiet gezogen war. Der gute Mann hielt Karsamstag zur Verwunderung seiner Nachbarn immer einen Ostersemmel aus dem Fenster in die Richtung, wo nach seiner Meinung sein Heimatort lag. Der Attendorner wollte auch in der Ferne am geliebten Osterbrauchtum teilhaben. „Auch wenn wir uns in diesem Jahr nicht auf dem Kirchplatz treffen können, dürfen wir die Ostertradition nicht einfach ganz ausfallen lassen.“ Und so ist er auf die Idee mit dem etwas anderen Semmelsegnen gekommen. „Es ist noch Zeit. Ich hoffe, dass ich etwas ins Rollen bringen kann“, spricht Auert, der in seinem langen Leben schon fast alles gemacht hat, von einem „Funken“, den andere jetzt weitertragen müssten.
Mit dem Vorwurf, sich wichtig zu machen, kann der ehemalige Gastwirt gut leben. Aber zumindest das Semmelsegnen will er irgendwie aufrechterhalten, wenn auch in abgespeckter Form. Weil die Messdiener mit ihren Ratschen nicht um die Pfarrkirche ziehen dürfen, soll Karsamstag wenigstens eine kleine Glocke läuten. Vielleicht steigt neben Pfarrer Neuser auch der Turmbläser nach oben. Dann wissen und hören die Attendorner, dass sie um 14 Uhr ihre Ostersemmel zur traditionellen Segnung in die Höhe strecken können: auch in Zeiten von Corona.