Herdecke. Die Politik hat das Aus Ende 2023 beschlossen, am 19. Dezember gehen an der Hauptstraße 43 die Lichter aus. Die städtische Verwaltung sucht Partner.
Das letzte Stündlein hat für die Stadtbücherei noch nicht geschlagen, aber das letzte Monatlein. Am 19. Dezember und in 30 Tagen schließt die Einrichtung in Herdecke, die laut Recherchen von Willi Creutzenberg im Jahre 1897 eröffnet hat. Der politische Beschluss zum Aus des Ausleihangebots fiel Ende 2023, auch die Unterschriftensammlung einer Mutter und ein Bürgerantrag konnten daran nichts mehr ändern. Somit konnte die Verwaltung in der jüngeren Vergangenheit neue Modelle zur Fortführung von Lesemöglichkeiten angehen. Beigeordnete Bettina Bothe und Amtsleiterin Jessica Rausch schildern den aktuellen Stand.
Oliver Rost als Schnittstelle
Seit Anfang November hat Oliver Rost gewissermaßen drei Hüte auf. Der Archivar der Stadt Herdecke leitet als Einzelkämpfer weiter die Bücherei an der Hauptstraße 43 und organisiert bei reduzierten Öffnungszeiten zugleich den Umverteilungsprozess. Der betrifft ihn selbst, gehört er doch seit Kurzem am Montag- und Freitagnachmittag zum Team der evangelischen Bücherei in der Fußgängerzone. An der Ecke Stiftsstraße befinden sich auch bereits einige Medien aus dem Bestand der Kommune (vor allem Angebote wie Toniefiguren für Kinder und Jugendliche), ein Kooperationsvertrag zwischen städtischer Verwaltung und Kirchengemeinde regelt das Miteinander im Sinne der Ehrenamtlichen.
15.000 Medien
Im Bestand der Herdecker Stadtbücherei befanden sich vor einigen Monaten noch rund 15.000 Medien. Manche davon seien derart in die Jahre gekommen, dass nur Wegschmeißen sinnvoll erschien. „Die Regale sind aber immer noch gut gefüllt, auch wenn wir schon ungefähr 5000 alte Sachen aussortiert haben. Recht neue und stark nachgefragte Exemplare hat bereits die evangelische Kinder- und Jugendbücherei erhalten“, berichten Bettina Bothe und Jessica Rausch. Die kirchliche Einrichtung an der Hauptstraße 33 ist momentan der wichtigste Partner und größte Empfänger von Schenkungen, bald sollen weitere dazu kommen.
In Kürze will die Stadtverwaltung die heimischen Schulen anschreiben, damit auch diese sich im Januar oder später den Buchbestand der Kommune anschauen können. Die sind laut Bothe und Rausch aber allesamt so gut aufgestellt, dass sich das Interesse dort in Grenzen halten dürfte. Gespannt sind die Beigeordnete sowie die Leiterin des Amts für Schule, Kultur und Sport, wie die Resonanz der hiesigen Kindertagesstätten ausfällt. Auch die bekommen bald Post und die Offerte, beispielsweise Bilderbücher kostenlos zu übernehmen.
Öffentlich zugängliche Angebote
Zwei andere Einrichtungen sind da schon einen Schritt weiter. Das Seniorenhaus an der Altstadt und jenes in der Ruhraue haben dank der Unterstützung der Herdecker Bürgerstiftung Regale mit Büchern aufbauen können. Dabei handelt es sich um öffentlich zugängliche Möglichkeiten, die demnächst noch besser präsentiert werden sollen. Das Prinzip folgt der Bücherschrank-Idee: Ein Exemplar hinbringen, ein anderes mitnehmen. In dem Zusammenhang rufen Bothe und Rausch dazu auf, dass auch andere sich noch als Kooperationspartner melden können. Vereine, Einrichtungen wie Cafés, Geschäfte bis hin zu Arztpraxen können per E-Mail (schulamt@herdecke.de) ihr Interesse an Buchübernahmen bekunden.
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Recht dünn sieht es momentan im großen Stadtteil aus. In der Begegnungsstätte Westende befindet sich allerdings ein mobiler Bücherwagen, von dem sich Gäste während der Öffnungszeiten bedienen können. Herdeckes CDU hatte kürzlich im Fachausschuss ein Lesecafé in Ende vorgeschlagen. Bettina Bothe entgegnete in der entsprechenden Sitzung, dass die Verwaltung mit der dortigen AWO in Kontakt stehe. Mit der Bürgerstiftung und Oliver Rost sollen weitere Optionen geprüft werden. Grundsätzlich sollen auch in Ende öffentlich zugängliche Lesestoff-Angebote entstehen, die Beigeordnete betont in dem Zusammenhang den Netzwerk-Gedanken. Jessica Rausch erwähnte diesbezüglich auch den wiedererwachten Kulturverein, so dass die CDU den Lesecafé-Prüfauftrag zurückzog.
Miete und Zeiten
Die zwei Bücherei-Etagen im Haus Hauptstraße 43 (über Tedi) habe die Stadt auch für das nächste Jahr angemietet. Trotz der Abwicklung der Ausleihe brauche die Verwaltung während des Rückzugs in das bald fertig sanierte Rathaus einen räumlichen Puffer, so Kämmerer Dennis Osberg. Daher tauche dazu auch ein kleiner Posten im Haushalt 2025 auf.
Die Öffnungszeiten der städtischen Einrichtung auf der Zielgeraden: montags von 15 bis 17 sowie donnerstags von 10 bis 16 Uhr. Die evangelische Bücherei an der Hauptstraße 33 ist montags von 10-12 und 17-18, dienstags von 16-19, donnerstags von 10-12, freitags von 10-12 und 15-16 Uhr besetzt.
Die Stadt Herdecke hofft, dass sich angesichts erster Schritte vielleicht auch der Heimatpunkt oder die Zwar-Gruppe beim Buchverleih beteiligen, die Akteure zwischen Arbeit und Ruhestand bieten in der Begegnungsstätte Frühlingsstraße gelegentlich etwas Lesestoff an. Im Edeka Grubendorfer befindet sich Herdeckes einziger Bücherschrank.
Abschiedsstimmung an der Hauptstraße 43
Die traditionelle Anlaufstelle an der Hauptstraße 43 besuchen mittlerweile nur noch wenige. Vom „harten Kern“ ist die Rede, der im persönlichen Austausch mit Leiter Rost steht. Der erhält beim Aussortieren Unterstützung von städtischen Kollegen, die bereits Hörbücher, CDs oder Kassetten entsorgt haben. Entsprechende Verträge mit Systemanbietern zum Beispiel für Technik habe die Verwaltung zum 31. Dezember gekündigt. „Beim Aufräumen haben wir auch ein altes Schaukelpferd gefunden. Auch die Regale haben rund 50 Jahre auf dem Buckel und keine Zukunft. Grundsätzlich finde ich, dass die Abwicklung ganz gut läuft“, so Jessica Rausch. Bettina Bothe schiebt hinterher: „Es hängt von den Menschen ab, wie die Alternativangebote in Herdecke betreut und angenommen werden.“