Wengern. Zwischen Vorhalle und Wengern ist ein Millionenschaden entstanden, bevor ein Güterwaggon endgültig entgleist ist. Jetzt werden Details bekannt.
3,3 Kilometer können eine lange Strecke sein. Dann etwa, wenn bei einem Güterwaggon ein Radsatzlager ausfällt und damit die Fähigkeit zum Spurhalten fehlt. 3,3 Kilometer beträgt die Entfernung vom Vorhaller Bahnhof, wo das Lager wohl schon nicht mehr wollte, bis zum Streckenkilometer 67,54. Hier entgleiste dann der Güterzug DGS 43982 auf seiner Fahrt von Passau nach Langendreer - also im Bereich des Bahnhofs Wengern-Ost.
Am 20. Mai 2020 um 16.46 Uhr geschah das Unglück, das bei der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung als Zugentgleisung erfasst ist. Über vier Jahre nach dem gefährlichen Ereignis hat die Bundesstelle jetzt ihren Prüfungsbericht veröffentlicht. Vorab wird festgestellt: Es wurden keine Personen verletzt oder getötet. In Folge der Zugentgleisung wurden ein Autotransportwagen und die Infrastruktur beschädigt. Es entstanden Sachschäden in geschätzter Höhe von 1,65 Millionen Euro.
Sonniges Wetter, klare Sicht
Ein beträchtlicher Schaden, und doch hat das Unglück am Tag des Ereignisses kaum Aufmerksamkeit gefunden in Wetter. 3,3 Kilometer sind eine lange Strecke, wenn man bedenkt, dass es schon früher zu der Entgleisung hätte kommen können. Zum Glück war der Güterzug 43982 nicht auf der anderen Seite der Ruhr unterwegs, mit den Brücken über den Fluss und den Obergraben, mit dem Tunnel unter der derzeitigen Kreiselbaustelle.
Wie bei einer Intervallschachtelung nähert sich die Bundesstelle der Beschreibung des genauen Unfallortes. Die Strecke zwischen Hagen und Düsseldorf trägt die Streckennummer 2400, die Entgleisung ereignete sich zwischen den Betriebsstellen Bahnhof Hagen Vorhalle und Hauptbahnhof Witten. Genau dann: bei Streckenkilometer 67,54. Präzise und nach erkennbaren Vorgaben werden die äußeren Bedingungen abgearbeitet: klare Sicht bei Tageslicht, sonniges Wetter, 20 Grad, kein Niederschlag, kein feuchter Grund.
Fotos zeigen, wie der defekte Radsatz von Waggon Nummer 4 das Gleis übersprungen hat und was das mit der geladenen Fracht macht. Waggon Nummer 4 ist ein Autotransportwagen. An einem Übergang der Plattformen hat sich die zweite Etage auf das Dach eines PKW gedrückt. Auch andere Autos weisen Schäden auf. Das zunächst schräg stehende Rad hat aber auch über die gesamten 3,3 Kilometer Gleise und Weichen beschädigt. Macht eine Gesamtschadenshöhe von über anderthalb Millionen Euro. Und, zum Glück, drei Mal eine Null: bei der Anzahl der Toten, der Anzahl der schwer Verletzten, bei der Anzahl der Leichtverletzten.
Es gibt also Schlimmeres. Zugkollisionen etwa, oder Zugentgleisungen mit mindestens einem Todesopfer oder mit mindestens fünf Schwerverletzten. Oder Schäden von über 2 Millionen Euro. Dann muss die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung Untersuchungen einleiten. Für nicht ganz so schwere Unglücke gibt es einen Ermessensspielraum. Den hat die Bundesstelle im Fall Wengern-Ost genutzt. Um Verschulden geht es dabei nicht, sondern um die richtigen Lehren.
Produktion des Autotransportwaggons gestoppt
Dazu bedarf es zunächst einmal der Ursachenforschung. Zusammengefasst liest sich das in dem Untersuchungsbericht so: Ursächlich für die Zugentgleisung war ein Montagefehler beim Einbau eines Radsatzlagers an dem Güterwagen. In der Folge kam es zum Ausfall des Radlagers und zum Abscheren des Achsschenkels. Die Fähigkeit zum Spurhalten fehlte. Auch wenn das Unglück von Wengern-Ost in Wetter keine Aufmerksamkeit bekam, in der Transportbranche blieb es nicht ohne Folgen.
Der Fehler in der Montage zeigte sich nicht nur beim Waggon Nummer 4 auf dem Weg von Passau nach Langendreer. Auch andere Fahrzeuge derselben Baureihe zeigten Schwächen beim Radsatzlager. Die Häufigkeit von Montagefehlern, die bei der späteren Untersuchung aller Fahrzeuge dieser Serie entdeckt wurden, ließ auf Mängel in der Qualitätskontrolle schließen. In der Folge wurde die Produktion des Autotransportwagens Laaeffrs 561 gestoppt.
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Bis Juli 2020 waren bereits 173 dieser Autotransportwagen ausgeliefert. Die DB Cargo Logistics GmbH nahm sie vorübergehend außer Betrieb. Untersuchungen ergaben: Acht Wagen vom Typ des Unglückswaggons hatten nicht ordnungsgemäße Wellenverschlüsse, bei 71 Wagen fanden sich lose Nutmuttern oder lose Sicherungsschrauben. Dann wurde die Fertigung wieder aufgenommen, und ab dem Wagen 174 wurde jede Radsatzmontage in der Produktion durch eine Videoaufnahme für die Überprüfung dokumentiert.
Im letzten Kapitel stellt der Untersuchungsbericht zur Entgleisung in Wengern mit Blick auf die ergriffenen Maßnahmen fest; „Seitdem sind keine der genannten Auffälligkeiten mehr aufgetreten.“
Wer den Bericht komplett einsehen möchte, sollte in die Suchmaske Eisenbahnunfalluntersuchung Zugentgleisung und Wengern eingeben.