Herdecke. Herdeckes Geldinstitut wurde vor 150 Jahren gegründet. Im zweiten Teil der Serie von Willi Creutzenberg geht es auch um den Neuanfang nach 1945.
Ein Jahr nach dem Umzug der Sparkasse in das Herdecker Rathaus begann im Sommer 1914 der Erste Weltkrieg. Er stellte die Sparkasse Herdecke vor besondere Herausforderungen. Die Spareinlagen der Kunden wurden in erheblichem Maße in Kriegsanleihen umgewandelt, nach außen sah es so aus, als dass die Sparkasse bis 1918 die Geschäfte unberührt vom Krieg weiterführte. Tatsächlich kam es dann wegen dieser Art der deutschen Kriegsfinanzierung zur Hyper-Inflation in der Nachkriegszeit.
Weltwirtschaftskrise
Kaum hatte sich die Wirtschaft nach der Stabilisierung der Währung im Herbst 1923 langsam erholt, begann 1929 die sog. Weltwirtschaftskrise, die ja mit einer Bankenkrise anfing. Die Sparkasse Herdecke kam allerdings letztlich gut durch all diese Krisen. In den Haushaltsberatungen für das Jahr 1931 bemerkte Bürgermeister Bonnermann: „Die Sparkasse nahm trotz der schweren Wirtschaftslage einen weiteren Aufschwung. Die Einlagen stiegen um 215.000 RM von 1,6 Millionen auf 1,8 Millionen RM.“
1932 wurde die Rechtsgrundlage für die Sparkasse Herdecke geändert, sie wurde nun rechtlich selbständig, d. h. ab dann war sie eine gemeinnützige und mündelsichere Anstalt des öffentlichen Rechts. Das bisherige Sondervermögen der Stadt Herdecke wurde jetzt zum Vermögen der Sparkasse Herdecke. Die Mitarbeiter/innen blieben allerdings städtische Beamte bzw. Angestellte.
Die Herdecker Sparkasse im 3. Reich
Nachdem im März/April 1933 auch in Herdecke die NSDAP die Macht übernommen hatte, änderte sich bei der Sparkasse Herdecke nach außen nichts. Heinrich Rüssmann, seit 1911 Leiter der Sparkasse, blieb im Amt. Er war nach eigenen Angaben bis 1930 Mitglied der DVP gewesen, 1933 dann verschiedenen NS-Organisationen beigetreten, wie dem Reichsluftschutzbund (RLB), der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und dem Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB). Das reichte offensichtlich als Nachweis seiner nationalistischen Einstellung. Hinter den Kulissen begannen die Nationalsozialisten allerdings sofort, ihre Vorstellungen im Hinblick auf das Wirtschaftsleben durchzusetzen. So versuchte man auch bei der Sparkasse die einzige dort beschäftigte Frau, Meta Völkel, aus der Erwerbstätigkeit zu drängen. Stattdessen sollte der Kaufmann G. Kalthoff, seit 1930 NSDAP-Mitglied („bewährter Kämpfer“) dort in Arbeit gebracht werden.
Zur Person
Ernst Duhme wurde am 14. Juli 1888 geboren und war dann ein Mitarbeiter, der die Zeit vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik erlebte. 1913 begann er bei der Sparkasse. Ab 1922 war er nebenamtlich als Rendant der ev. Kirchenkasse Herdecke und 1947 nebenamtlich als Schriftführer im Entnazifizierungs-Ausschuss tätig.
1948 wurde Duhme Leiter der Sparkasse Herdecke, am 31. Juli 1953 erreichte er die Altersgrenze, nebenamtlich war er bis ins hohe Alter als Gutachter für die Sparkasse tätig. Er starb am 26. November 1979.
Auch die Besetzung der wichtigen Positionen im Vorstand, dem Kontrollgremium für den Leiter der Sparkasse, macht deutlich, wer tatsächlich das Sagen hatte. Umgehend wurden NSDAP-Mitglieder in den Vorstand gesetzt. Als 1935 turnusgemäß neue Mitglieder bestimmt werden mussten, holte Bürgermeister am Wege sich grünes Licht für seine Vorschläge bei Fritz Flasshoff, Ortsgruppenleiter der NSDAP.
Am Wege, ein „alter Kämpfer“ der NSDAP, preschte auch 1937 in einer anderen Sache vor. Noch vor der offiziellen Prüfung des Jahresergebnisses beantragte er entgegen den Satzungsbestimmungen, den kompletten Überschuss der Sparkasse aus dem Jahre 1936 für den Bau eines HJ-Heimes in Herdecke einzusetzen. Seine Begründung: „Der Führer erwartet von den Gemeinden, dass sie mit allen Kräften die Errichtung von H.J.-Heimen fördern.“ Ob diese Finanzierung tatsächlich so gelaufen ist, lässt sich aus den Akten nicht entnehmen.
Die Geschäfte liefen nach 1933 - angesichts der kreditfinanzierten Aufrüstung und dem so initiierten Wirtschaftsaufschwung - gut. Während des Zweiten Weltkriegs nahmen die Einlagen sprunghaft zu, weil kein der umlaufenden Geldmenge entsprechendes Güterangebot vorhanden war. Im Geschäftsjahr 1941 konnte die Herdecker Sparkasse z. B. ihre Einlagen gegenüber dem Vorjahr um mehr als 37 Prozent auf 6.672.000 RM steigern.
Schwieriger Neuanfang
Die Sparkasse Herdecke kam ohne ernsthafte Schäden an ihren Gebäuden durch den Krieg und nahm am 16. April 1945, drei Tage nach dem Einmarsch der amerikanischen Armee in Herdecke, ihre Geschäftstätigkeit wieder auf. Angesichts der zunehmend wertlosen Reichsmark und der eingeschränkten Geschäftstätigkeit der Unternehmen war der Start mühsam. In dieser Situation starb plötzlich - keine zwei Jahre nach Kriegsende - im Februar 1947 Heinrich Rüssmann im Alter von 61 Jahren. Er war bereits seit 1913 im Dienst der Sparkasse Herdecke. Die freigewordene Stelle des Sparkassenleiters wurde mit seinem bisherigen Stellvertreter Ernst Duhme besetzt. Seine Stellvertreterin wurde die langjährige Angestellte Meta Völkel. 15 Jahre vorher hatte sie sich erfolgreich gegen die Nazis gewehrt, sie aus der Arbeit heraus zu drängen, jetzt wurde sie zur ersten und bis heute einzigen Frau in der Geschichte der Sparkasse Herdeckes, die an der Leitung beteiligt war.
Seit Kriegsende lag die geordnete Geldwirtschaft am Boden, der Schwarzmarkt blühte. Erst die Währungsreform im Juni 1948 beendete diese Zeit der Stagnation. Aber es dauerte noch einige Jahre, bis der schwierige Neuanfang sich zu einer Erfolgsgeschichte wandelte. „Das Jahr 1952 brachte die Wende. Von nun an ging es steil nach oben. Heute betragen die Gesamteinlagen rund 100 Mill. DM“, berichtete Julius Thomsen 1974, dem Jahr des 100-jährigen Jubiläums der Sparkasse. Der 33-Jährige aus Husum hatte im November 1953, als Ernst Duhme in Pension ging, die Leitung der Sparkasse Herdecke übernommen. 1955 war der Einlagenbestand der Sparkasse auf über 6 Millionen Mark gestiegen und die Krise im Zusammenhang mit Kriegsende und Währungsreform überwunden. Beide waren übrigens Beamte der Stadt Herdecke, ihr Gehalt wurde gemäß Beamtenbesoldung geregelt und lag auf dem Niveau eines Lehrers.
1958 trat das Sparkassengesetz des Landes NRW in Kraft, in Herdecke musste ein zweiköpfiger Vorstand eingerichtet werden, dem die Leitung und Geschäftsführung der Sparkasse übertragen war. Daneben gab es einen ehrenamtlichen Sparkassenrat (später: Verwaltungsrat), der die Aufsicht über den Vorstand betrieb, und vom Stadtrat gewählt wurde. Neben Julius Thomsen als Leiter der Sparkasse wurde Meta Völkel zum zweiten Vorstandsmitglied.