Herdecke. Historiker Willi Creutzenberg hat sich mit der Geschichte des heimischen Finanzinstituts beschäftigt. Zum Jubiläum gibt es eine dreiteilige Serie.
Im Juni 2024, nach monatelangem Zögern und scheinbar endloser Börsenspekulation, ob die Zinsen nun gesenkt werden oder nicht, senkte die Europäische Zentralbank tatsächlich den sog. Leitzins um 0,25%. In rascher Folge senkten die Banken und Sparkassen, darunter auch die Sparkasse an Volme und Ruhr, die heute für Herdecke zuständige Sparkasse, ihr Zinsniveau. Vor 150 Jahren lief das völlig anders.
Nach der Gründung der Sparkasse Herdecke am 1. Oktober 1874, in aus heutiger Sicht ‚finanzpolitischer Steinzeit‘, wurden die Zinsen von dem Leitungsgremium, die ‚Verwaltung‘ der ‚Sparkasse der Stadt Herdecke‘, in Abstimmung mit dem Magistrat und unter Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Für die Höhe der Zinsen spielten damals nur zwei Aspekte eine Rolle, die eigene wirtschaftliche Lage der Sparkasse und die Zinshöhe der benachbarten Kassen, insbesondere der Hagener Sparkasse.
Ein Statut für die Sparkasse der Stadt Herdecke
Aber an den Anfang der Geschichte: Am 24. Juli 1874 beschloss die Herdecker Stadtverordnetenversammlung ein ‚Statut für die Sparkasse der Stadt Herdecke‘. Damit war der erste Schritt zur Gründung einer örtlichen ‚Sparkasse‘ getan. Das gen. Statut, im Wesentlichen abgeschrieben vom Statut der Sparkasse der Stadt Lüdenscheid, wurde am 12. August 1874 vom ‚Oberpräsidenten der Provinz Westfalen‘ mit Sitz in Münster genehmigt. Im September 1874 suchte die Stadt bereits per Zeitungsannonce einen ‚Rendanten‘, also Rechnungsführer, am 1. Oktober 1874 nahm die ‚Sparkasse der Stadt Herdecke‘, so der offizielle Name, im Haus des ersten Rendanten Friedrich Grave in der Hauptstraße/Ecke Frühlingstraße Ihren Geschäftsbetrieb auf.
Die Sparkasse war eine unselbständige Einrichtung der Stadt Herdecke, die nach § 1 der Satzung ‚Garant der Einlagen‘ war. Der erste ‚Rendant‘ Friedrich Grave war von den Stadtverordneten auf sechs Jahre zum Leiter der neuen Sparkasse gewählt worden. Er bildete mit drei ehrenamtlichen ‚Administratoren‘, die für drei Jahre gewählt wurden, die ‚Verwaltung‘ der Sparkasse. Bei den Administratoren (und ihren drei Stellvertretern) handelte es sich durchweg um Herdecker Geschäftsleute. Die ersten drei Administratoren waren die Kaufleute Johann Falk und Johann Krahe und der Bäcker Gottfried Munkenbeck. Viele bekannte Herdecker Geschäftsleute waren in den nächsten Jahrzehnten irgendwann einmal für drei oder mehr Jahre ‚Administrator‘ in der Sparkassenverwaltung.
Zur Person
Friedrich Grave: 1. Rendant der Sparkasse
Geboren: 30. Oktober 1845 in Herdecke
Vater: Färber und Schankwirt Johann Grave
Mutter: Henriette Emilie Overberg
Trauung: 12. Oktober 1876 Franziska Müller
Gestorben: 22. Dezember 1916 in Herdecke
Bestattet: Friedhof Zeppelinstraße
Friedrich Grave startete seine 37 Jahre dauernde Tätigkeit als Rendant mit modernen Methoden. Bereits am 14. Oktober 1874 begann er mit einer mehrere Monate währenden ‚Anzeigenkampagne‘, mit der auf den von der Herdecker Sparkasse gezahlten Zins für Einlagen in Höhe von 4% hingewiesen wurde. Am Jahresende hatte die Sparkasse bereits so hohe Einlagen, das knapp 50.000 Mark an Krediten ausgegeben werden konnten. Recht bald führte Grave sog. Sparkarten ein, mit deren Hilfe das Sparverhalten der Herdecker gefördert werden sollte. In den Einzelhandelsgeschäften konnte man für 10 Pf ‚Sparmarken‘ erwerben. War die für 30 Marken vorgesehene Karte voll, brachte man sie zur Sparkasse. Die ‚gesparten‘ drei Mark wurden dem Konto des Karteninhabers gutgeschrieben. Die Entwicklung der Herdecker Sparkasse ging kontinuierlich bis zum Ersten Weltkrieg aufwärts. In den ersten Jahren der Geschäftstätigkeit floss der Jahresüberschuss komplett in den ‚Reservefond‘, später konnten Teile des Überschusses an die Stadt Herdecke überwiesen werden und für öffentliche Zwecke verwandt werden.
1911: Heinrich Rüssmann wird neuer Rendant
Nach 37 Jahren als Leiter der Sparkasse der Stadt ging Friedrich Grave in den Ruhestand, sein Nachfolger der bisherige Kassierer der ‚Amtssparkasse Bochum‘, Heinrich Rüssmann aus Kley. Er wurde übrigens zu einer Amtskaution in Höhe von 4.000 Mark verpflichtet. Sie diente als Sicherheit für alle von ihm ‚aus seiner Amtsführung zu vertretenden Schäden und Mängel an Kapital und Zinsen‘.
Noch bis zur Fertigstellung des neuen Rathauses im Sommer 1913 hatte Rüssmann seinen Arbeitsplatz im Haus von Friedrich Grave, dann zog die Sparkasse in das Rathaus. Mit dem Kriegsbeginn 1914 endeten erst einmal die erfolgreichen Jahre der Sparkasse der Stadt Herdecke. Die ‚Ära Rüssmann‘, die von 1911 bis 1947 reichte, sollte unter ganz anderen Bedingungen als die ‚Ära Grave‘ verlaufen.