Herdecke. Industrie- und Handelskammer macht mit kunterbuntem Bulli auf Nöte der Händler aufmerksam und will gleichzeitig Ansprechpartner vor Ort sein.

Donnerstag ist Markttag in Herdecke. Durch das triste grau in grau wuseln Passanten durch die Innenstadt. Es sind nicht so viele wie bei schönem Wetter. Sie bahnen sich ihren Weg zu den verschiedenen Marktständen. Einige nutzen die Gelegenheit und biegen in die geöffneten Ladenlokale ab, um Wein, Käse, Anziehsachen oder auch Dekorationen zu kaufen. Am Kampsträter Platz sticht aus der nassen Herbststimmung ein kunterbunter Bulli hervor. „Heimat shoppen“ steht in großen Buchstaben an der Seite geschrieben.

Ursprünglich als Gegenentwurf zum Black Friday gedacht

Heimat shoppen? Was war das nochmal? Ein Konzept, das sich die Industrie- und Handelskammern vor zehn Jahren als Gegenentwurf zum Black Friday ausgedacht haben. Auch im EN-Kreis ist die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK) mit im Boot. „Das Thema ist aktueller denn je“, meint Kirsten Deggim, SIHK-Branchenkoordinatorin Handel und Dienstleistungen. Doch inzwischen soll das Konzept kein Gegensatz mehr zum Online-Handel sein. „Heute geht es nicht mehr ohne“, weiß Deggim. Doch damals wie heute soll das Konzept weiterhin das Bewusstsein für die Bedeutung des lokalen Einzelhandels und der Gastronomie stärken.

Der Vorsitzende des Fachausschusses Handel und Dienstleistungen der SIHK Burkhard Blesel.

„Lokale Geschäfte sind das Herz unserer Innenstädte. Sie tragen entscheidend zur Lebensqualität und Attraktivität unserer Regionen bei. “

Burkhard Blesel

Im Rahmen der Aktionswoche sollen Kunden auf die Vorteile des Einkaufs vor Ort aufmerksam gemacht werden. Der persönliche Kundenservice, die Vielfalt der lokalen Angebote sowie die Stärkung der regionalen Wertschöpfung sind nur einige der Argumente, die für den Einkauf in der Heimat sprechen. „Lokale Geschäfte sind das Herz unserer Innenstädte. Sie tragen entscheidend zur Lebensqualität und Attraktivität unserer Regionen bei. Mit der Aktionswoche ‚Heimat shoppen‘ wollen wir die Wichtigkeit des stationären Handels hervorheben und Verbraucher dazu anregen, bewusst vor Ort einzukaufen und damit die regionale Wirtschaft zu unterstützen“, betont Burkhard Blesel, Vorsitzender des Ausschusses für Handel und Dienstleistungen der SIHK zu Hagen.

Einkaufen bei Nachbarn und Freunden

Kirsten Deggim drückt es einfacher aus: „Einkaufen bei Nachbarn und Freunden“, sagt sie kurz und knapp und trifft damit den Kern. „Nur die Händler vor Ort können eine ganze Geschichte zum Produkt erzählen. Unser Käsehändler verkauft ein Stück Holland mit, die Weinhändler können etwas über den Winzer erzählen und haben vielleicht selbst schon Trauben gelesen“, gerät sie ins Schwärmen. Bei einem Klick online funktioniere das nicht. Auch die Stadt müsse mehr sein – ein Treffpunkt.

„Es reicht nicht mehr, morgens die Tür aufzuschließen, damit die Kunden kommen.“

Kirsten Deggim
SIHK-Branchenkoordinatorin Handel und Dienstleistungen

Doch trotz des Mehrwerts seien die Händler immer mehr unter Druck. „Es reicht nicht mehr, morgens die Tür aufzuschließen, damit die Kunden kommen“, so Deggim. Sie müssten ihr Angebot erweitern, meint die Expertin. „Das kann beispielsweise bei einem Tierladen die kostenlose Futterprobe vor Ort sein und später kann sich jeder den großen Sack Futter nach Hause liefern lassen“, ergänzt sie ein Beispiel.

SIHK will unterstützen

Die SIHK will Händler und Gastronomen bei ihrer Arbeit und der Suche nach dem Mehrwert unterstützen. „Wir bieten einen monatlichen Sprechtag an, bei dem sich Interessierte bei uns melden können und wir gemeinsam überlegen, was machbar ist. Außerdem gibt es einmal im Monat ein Marketingfrühstück, bei dem sich die Teilnehmer gegenseitig über gut laufende Ideen informieren können. Manchmal gibt es ein Konzept in einer Stadt schon und man kann es für sich übernehmen“, weiß Deggim, dass das Rad nicht jedes Mal neu erfunden werden muss.

Die Aktion „Heimat shoppen“ rückt aber noch einen weiteren Aspekt in den Fokus, der vielen Menschen gar nicht so klar ist: Sie hilft beim Erhalt sozialer Strukturen, denn: Lokale Händler unterstützen durch ihr Engagement häufig Vereine, Schulen oder soziale Projekte in der Region und tragen so zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts bei. Die Chance, dass Amazon und Co. den heimischen Fußballklub oder den Förderverein des Kindergartens unterstützt, ist relativ gering. Sammeldosen gehen meist bei den lokalen Händlern herum.

Während Deggim schon fast wieder im Bulli Platz nimmt, um zur nächsten Station zu fahren, schauen zwei Frauen interessiert auf die Aufschrift. „Was ist das?“, fragen sie und bekommen direkt eine Erklärung. Sie nicken verstehend. „Aber Herdecke hat das doch gar nicht nötig. Hier ist es doch schön. Wir kommen aus Hagen, da ist nichts mehr. Nur noch Billigläden“, erklären sie.

Weitere Informationen zum Thema gibt es bei Kirsten Deggim, SIHK-Branchenkoordinatorin Handel und Dienstleistungen, 02331 390-277 oder kirsten.deggim@hagen.ihk.de.