Herdecke. Tageseltern sind vielfach die letzte Hoffnung, wenn in Kitas kein Platz mehr frei ist. In Herdecke beklagen sie einen Verdrängungswettbewerb.

Auf der Suche nach einem Betreuungsplatz haben in der Vergangenheit Eltern gerne auf Tageseltern zurück gegriffen, wenn für ihre Sprösslinge im Kindergarten kein Platz zu bekommen war. Vor allem Kinder unter drei Jahren fanden so Betreuung. Nun nimmt die Zahl der Geburten ab, die Kindergärten bleiben zwar voll, aber bei den Tagesmüttern und Tagesvätern gibt es plötzlich Lücken in den Gruppen. „Da geht es dann um Existenzen“, weiß Anja Müller, Vorsitzende des Tageselternvereins in Herdecke. Auch beim Jugendamt der Stadt sind die Befürchtungen der Tagespflegepersonen „durchaus bekannt“, wie es auf Nachfrage der Redaktion heißt.

Die Stadt stellt fest: Die Plätze im U3-Bereich in den Kindertagesstätten und der Tagespflege sind in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht worden. Seit ungefähr vier Jahren ist die Anzahl der U3-Plätze in den Kindertageseinrichtungen auf dem gleichen Niveau geblieben. Freie U3-Plätze in den Kitas gibt es aktuell nicht. Aber es wurden bereits Überbelegungsplätze abgebaut. Dadurch ist die Zahl der Kita-Plätze für die Jüngsten von 185 im abgelaufenen Kindergartenjahr auf 177 im laufenden Kindergartenjahr gesunken. Die Abnahme bei den zu betreuenden U3-Kindern scheint noch größer zu sein.

Unternehmerisches Risiko

„Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die nicht voll besetzt sind“, berichtet Anja Müller. Großtagespflegestellen dürfen bis zu neun Kinder betreuen, einzelne Tagespflegepersonen bis zu fünf. Bleiben da ein oder zwei Platze das ganze Jahr über unbesetzt, geht die Rechnung nicht mehr auf. Hängt eine Familie an den Einnahmen aus der Betreuungsarbeit oder geht es um Alleinverdienende, kann es kritisch werden. „Tagespflegepersonen sind selbstständig und tragen demnach das unternehmerische Risiko“, heißt es bei der Stadtverwaltung. Neue Tagespflegepersonen würden entsprechend beraten, dass eine Vollbelegung nicht garantiert werden könne.

Die Stadt Herdecke sieht sich dennoch auch im Dienst der Tageseltern. So sei auf Grund der aktuell sinkenden Geburtenzahlen die Einrichtung einer weiteren Großtagespflege nicht weiter verfolgt worden, auch sei der Neubau einer viergruppigen Kita nicht eingeplant. Allerdings verdoppelt die GVS-Kita Vinkenberg Anfang Oktober ihre Kapazitäten. Bislang gab es zwei Gruppen auf den Brennen, nun kommen noch einmal zwei Gruppen als Ableger in der früheren Grundschule im Vinkenberg hinzu. Der GVS löst dabei ein Kapazitätsproblem, das der Stadtverwaltung entstanden ist, weil die katholische Kindergartengemeinschaft nicht wie früher mal angekündigt erweitert hat.

„Es gibt viele Kolleginnen und Kollegen, die nicht voll besetzt sind.“

Anja Müller
Vorsitzende des Vereins Kindertagespflege Herdecke

Auf fünf Jahre ist der Vertrag zwischen GVS als Kita-Betreiber und der Stadt als Gebäudeeigentümer zunächst ausgelegt. Kürzer ging nicht, weil sonst Fördermittel für den Ausbau in Gefahr geraten wären. Länger wollte sich der GVS aber auch nicht binden. Zu unsicher ist, wie es dann mit den Geburtenzahlen und dem Bedarf an Betreuungsplätzen aussieht. Auch Susanne Kipper, Geschäftsführerin des GVS, weiß, „dass an der Tagespflege Existenzen hängen“. Das Bild von einem Verdrängungswettbewerb hält sie aber für unangebracht. Letztlich gehe es um die Entscheidung der Eltern, und da könne eine Kita mehr Verlässlichkeit bieten als eine Tagesmutter, die im Krankheitsfall nicht so leicht Ersatz besorgen könne.

Auf den Elternwillen kommt es an

Das Jugendamt bezeichnet Tagespflege und Kita als gleichberechtigte Betreuungsangebote. „Die Inanspruchnahme richtet sich allein nach den Wünschen und Bedürfnissen der Eltern“, hält sie sich nach eigenem Bekunden bei der Steuerung zurück. Schwankungen gebe es in der Tagespflege nicht nur, weil die Zahl der zu betreuenden Kinder nicht genau bestimmbar ist. Fast jedes Jahr kämen neue Tagespflegepersonen hinzu, ohne dass die Stadt hierfür konkret werbe, und es würden auch immer wieder Tagespflegepersonen aufhören oder ihre Plätze reduzieren. Auch Anja Müller kennt diese Bewegungen. Aber sie sieht eine Verschärfung der Probleme - und eine Stadt, die sehr wohl zu steuern versuche in Richtung voll belegter Kitas. Mehrere Eltern, die sich eigentlich schon für das Familiäre und Individuelle einer Tagesbetreuung entschieden hatten, hätten ihr davon erzählt.

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Die Stadt verweist auf ihre Fachberatung für Tageseltern und einen ersten Infotag, der im Februar stattgefunden hat. Eine Neuauflage ist für den 21. September geplant. Auch einen Ratschlag gibt‘s: Tagespflegepersonen hätten ja auch die Möglichkeit, Kinder aus umliegenden Städten aufzunehmen. Erklärung: „Dies kann durchaus attraktiv für Eltern sein, die woanders wohnen, aber in Herdecke arbeiten.“