Herdecke/Wetter. Verkehrssünder zwischen Einsicht und komplettem Unverständnis: unterwegs mit der Polizei beim Blitzermarathon in Herdecke.
Dienstagnachmittag. 14.30 Uhr. An der Gederner Straße in Herdecke steht ein Polizeibus am Straßenrand. Innen sitzt Thorsten Fichtel und schaut durch ein Lasermessgerät. Die Geschwindigkeitskontrolle ist Teil des sogenannten Blitzermarathons, an dem sich auch die Polizei Ennepe-Ruhr beteiligt.
Gut sichtbar
Der Polizeibus ist von Weitem gut zu erkennen. Das soll auch so sein, wie Christoph Neuhaus, Sprecher der Kreispolizei, erklärt: „Wir stehen nicht mit einem Tarnnetz hier“, sagt er und spielt damit auch auf diejenigen an, die der Polizei vorwerfen, nur Geld machen zu wollen und die Messstellen möglichst versteckt aufzubauen. Der Laser von Thorsten Fichtel zeigt weg vom Tierheim in Richtung Wetter und damit hin zu einer gefährlichen Kurve. „Hier habe ich auch schon Unfälle aufnehmen müssen“, erinnert sich Neuhaus. Vor der Kurve aus Wetter kommend, muss die Geschwindigkeit auf 50 Kilometer pro Stunde (km/h) gedrosselt werden. Kurz danach dürfen die Verkehrsteilnehmer wieder mit 70 km/h weiterfahren. Das Abbremsen sieht jedoch nicht jeder ein, wie bei der Kontrolle festzustellen ist.
Doch bevor es losgehen kann, muss der Verkehrsdienst zunächst die Messstelle einrichten. Markante Punkte sind wichtig, denn der Ort an dem gemessen wird, muss später nachgestellt werden können. „Falls ein Fahrer, der zu schnell gemessen wurde, Einspruch einlegt und sich einen Anwalt nimmt, können wir so und anhand des Protokolls die Situation jederzeit nachstellen“, erklärt Polizeihauptkommissar Jörg Marten. Auf der Gederner Straße beispielsweise sind die Mitarbeiter des Verkehrsdienstes 46 Meter vom gegenüberliegenden Verkehrsschild entfernt. Die Geschwindigkeit messen sie auf rund 220 Metern Entfernung. „Wir dürfen zwischen 30 und 1000 Metern messen“, so Marten. Dementsprechend sind sie voll im Soll und es kann losgehen.
Am Ausgang der Kurve messen
„Ich muss die Autos direkt in der Kurve messen. Wegen der Reflexion der Sonne gehe ich dabei auf die Kennzeichen“, erläutert Fichtel. An der Seite des Geräts wird in Metern angezeigt, wie weit ein Fahrzeug bei der Messung entfernt war und darunter, wie viel km/h es gefahren ist. Bei jeder Messung erscheint ein Ton. Ist ein Fahrer zu schnell unterwegs, verändert dieser sich. Das ist dann das Zeichen für den Kollegen, der außerhalb des Fahrzeugs steht, dass er in Aktion treten muss. Kurz wird dann angesagt, welches Auto oder Motorrad zu schnell unterwegs war, damit auch der richtige Verkehrsteilnehmer rausgewunken wird.
Einsichtige Fahrer
So auch bei dem „großen Blauen“. 229 Meter ist er weg. Thorsten Fichtel misst 66 Km/h bei ihm. Abzüglich der Toleranz von 3 Prozent bleiben trotzdem noch 13 km/h, die er zu schnell in der Kurve war. Der Mann wird herausgewunken und ist einsichtig. „Ich komme aus Hamburg und bin beruflich hier unterwegs. Mein Navi hat mich hier hergeführt“, erklärt er. Dass er zu schnell unterwegs war, sieht er ein. 40 Euro sind fällig, die er auch direkt per Karte bezahlt. „Ich war irgendwie abgelenkt“, gibt er zu und zuckt entschuldigend mit den Schultern. Rund 40.000 bis 50.000 Kilometer fährt er nach eigenen Angaben pro Jahr und daher ist die Kontrolle jetzt zwar ein wenig ärgerlich, aber grundsätzlich befürwortet er den Einsatz der Polizei. „Es gibt viele Menschen, die unheimlich rasen. Da muss mal was passieren“, sagt er, bevor er seine EC-Karte wieder in Empfang nimmt und sich mit einem freundlichen Gruß verabschiedet.
Blitzer-Marathon
Die Polizei wird in dieser Woche an rund 40 Stellen im Kreisgebiet die Geschwindigkeit messen.
Durch den Laser erkennen die Beschäftigten jedoch nicht nur, ob ein Auto zu schnell unterwegs ist, sondern auch, ob die Gurtpflicht eingehalten wird oder der Fahrer eventuell vom Handy abgelenkt ist.
Die Fahrer in Herdecke hatten Glück. Von ihnen war niemand mehr als 21 km/h zu schnell. Dann hätte ein Punkt in Flensburg gedroht. Ab 41 km/h zu schnell kommt zusätzlich noch ein einmonatiges Fahrverbot oben drauf. Beide Angaben gelten jedoch nur für Verstöße außerhalb geschlossener Ortschaften. Innerhalb eines Ortes sind sie strenger.
Auch die nächste Fahrerin zeigt sich reuig. Es sei das erste Mal seit 30 Jahren, dass sie geblitzt wurde. Sie sei in Gedanken gewesen, entschuldigt sie sich sogar bei den Polizisten. Sie hätte zum Arzt gemusst. Die Strafe zahlt sie sofort und verspricht, langsamer zu fahren.
Fahrerin winkt ab
Doch längst nicht alle, die am Dienstag von der Polizei gestoppt werden, sind so einsichtig, wie diese beiden Fahrer. Kurz darauf wird die Fahrerin eines Kleinwagens gestoppt. 73 km/h zeigt das Messgerät von Fichtel an. Wenn die Toleranz nicht wäre, die abgezogen wird, hätte die Dame neben einer Anzeige auch einen Punkt in Flensburg zu verzeichnen gehabt. So bleiben am Ende 70 km/h stehen. Doch auch das bedeutet ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. Die Fahrerin zeigt sich keineswegs einsichtig. Sie schimpft und als sich der Polizist umdreht, um zum Messwagen zu gehen, schüttelt sie den Kopf und winkt verächtlich ab.
Quietschende Reifen
Die Reaktion ist den Polizisten nicht fremd. Auch Thorsten Fichtel weiß zu berichten, dass es oftmals Verkehrsteilnehmer gibt, die direkt, nachdem sie geblitzt wurden, noch einmal richtig Gas geben. „Das beeindruckt uns natürlich unheimlich“, meint er ironisch. Auch die Fahrerin des Kleinwagens braust mit quietschenden Reifen davon.
Doch was ist eigentlich, wenn jemand, der herausgewunken wird, nicht reagiert, sondern weiterfährt? „Dann fahren die Kollegen hinterher, allerdings mit Blaulicht und Martinshorn. Das wäre dann die zweite und letzte Chance für den Verkehrsteilnehmer, wenn er wirklich nur übersehen hat, dass er herausgewunken wird. Aber Blaulicht und Martinshorn übersieht und überhört nun wirklich niemand“, erklärt Neuhaus.
Neun Temposünder
Nach gut 90 Minuten sind es neun Autofahrer gewesen, die zu schnell unterwegs waren. Zwei Anzeigen musste Polizeihauptkommissar Fichtel schreiben. Wenn der warnend aufblinkende Gegenverkehr in Richtung Wetter nicht gewesen wäre, wären es wahrscheinlich noch viel mehr gewesen.