Wetter. Die Stadt Wetter hat einen Gutachter zurate gezogen. Der gibt der kranken Eiche noch einen Aufschub, allerdings unter bestimmten Auflagen.

Es war eine der traurigsten Nachrichten der vergangenen Woche: Das letzte Stündlein der Eiche vor der gleichnamigen Gaststätte an der Wilhelmstraße/Königsstraße sollte geschlagen haben. Doch jetzt gibt es eine Kehrtwende.

Wie von der Stadt angekündigt, hatte diese einen Gutachter zurate gezogen, nachdem vom Stadtbetrieb die Empfehlung zum Fällen der Eiche gegeben worden war. Der Stadtbetrieb hatte einen Pilz, den sogenannten Riesenporling, an dem Baum entdeckt.

Riesenporling greift an

„Dieser stadtbildprägende Baum an der Wilhelmstraße wird schon seit mehreren Jahren (jährliche Kontrolle, Entnahme von Totholz) vom Stadtbetrieb mit Sorge beobachtet. Bei einer Kontrolle wurde jetzt festgestellt: Der Pilzbefall lässt sich leider nicht mehr aufhalten, zumal der Riesenporling ein holzverzehrender Pilz ist, der das Wurzelwerk von Laubbäumen angreift, sich dort festsetzt und ein häufiger Grund von Baumfällungen ist“, hieß es in der Pressemitteilung der Stadt. Die Eiche sei so stark angegriffen und darüber hinaus in einem so gefährdeten Zustand, dass die Standsicherheit aktuell nicht mehr gegeben sei und sie etwa bei Sturm umzustürzen drohe. 

„Wenn die Eiche nicht mehr standsicher ist und die Gefahr droht, dass der Baum bei Sturmlagen umstürzt, geht hier die Sicherheit der Menschen natürlich vor. Wir warten aber zunächst das Gutachten und mögliche Alternativen zur Fällung ab“, so Bürgermeister Frank Hasenberg vor gut einer Woche.

Lebensverlängernde Maßnahmen

Der bestellte Gutachter kam und überraschte die Stadt. Die Eiche darf stehen bleiben. Die Voraussetzungen dafür: ein radikaler Rückschnitt, Entfernung des Totholzes und Austauschen der Erde, in der sich mehrere Pilze inzwischen auch breit gemacht haben. Doch der Gutachter machte auch klar, dass diese Maßnahmen zwar lebensverlängernd, aber nicht lebenserhaltend seien. Das Gutachten hält zur Standsicherheit der Eiche fest: „Eine langfristige Bestandsprognose lässt sich auf Grund des Auftretens von drei unterschiedlichen, holzabbauenden Pilzen (dem Riesenporling sehr ähnlicher Klapperschwamm, spindeliger Rübling, Hallimasch) nicht stellen.“ Aber es besagt auch: „Nach Umsetzung der Schnittmaßnahmen und der intensiven Säuberung der Wurzelanläufe und Stammfußkehlen ergibt sich jedoch auf Grund der aktuell noch guten Festigkeit der Wurzelanläufe, des lotrechten Stammes sowie der vitalen Unterkrone eine grundsätzlich positive Bestandsprognose von zunächst fünf Jahren.“

„Ich bin sehr froh, dass wir durch die im Gutachten benannten Maßnahmen die traditionsreiche und stadtbildprägende Eiche an dieser Stelle zunächst erhalten können“, so Bürgermeister Frank Hasenberg. „Der Baum liegt vielen Menschen in unserer Stadt am Herzen.“

Die Vorgängereiche muss im September 1955 gefällt werden. Die Feuerwehr bereitet alles vor.
Die Vorgängereiche muss im September 1955 gefällt werden. Die Feuerwehr bereitet alles vor. © WP | Fotograf Lamle

Der Stadtbetrieb wird die Eiche weiterhin jährlich kontrollieren. Dass sie letztlich so alt wird wie ihr Vorgänger, ist eher unwahrscheinlich. Alte Fotos aus dem Archiv des bekannten und 2008 verstorbenen Fotografen Joachim Lamle belegen, dass 1955 viele Wetteraner Anteil daran nahmen, als der damals unter dem Namen Femeiche bekannte Baum gefällt wurde. Er stammte aus dem 15. Jahrhundert und wurde später im Zusammenhang mit Gerichtsprozessen erwähnt. Daher der Name, denn die Strafprozesse wurden früher Feme genannt.

Das ist der Moment: Am 29. September 1955 fällt die alte Eiche an der Königstraße in Wetter. Fotograf Joachim Lamle hat es aufgenommen.
Das ist der Moment: Am 29. September 1955 fällt die alte Eiche an der Königstraße in Wetter. Fotograf Joachim Lamle hat es aufgenommen. © WP | Fotograf Lamle

Dass die Jahrhunderte alte Eiche damals gefällt werden musste, hatte einen ähnlichen Grund wie heute. Sie war schlichtweg krank. In dem mächtigen Stamm hatten sich Hohlräume gebildet, in die laut Bericht „sogar Kinder und dünne Erwachsene“ reingepasst hätten. Die Standsicherheit war nicht mehr gegeben, und so machte sich die Feuerwehr daran, den Baum erst zu beschneiden und ihn dann zu fällen. Allerdings dauerte das eine Weile, denn zuvor nutzten zahlreiche Bürger die Gelegenheit und ließen sich vor dem massiven Baum fotografieren.

Der Stumpf offenbart die Hohlräume.
Der Stumpf offenbart die Hohlräume. © WP | Sammlung Lamle

Am 23. Februar 1957 wurde dann der Nachfolger, also die heutige Eiche eingepflanzt. Damals war das jedoch kein Vorgang, der nebenbei passierte. Die Bürger nutzten den Anlass, um zu feiern. Im Fackelschein sorgte eine Musikkapelle für eine feierliche Atmosphäre. Der Bürgermeister hielt ebenso eine Rede wie ein kleiner Junge. Und auch wenn damals bei den Feierlichkeiten viele Besucher skeptisch zu dem Bäumchen schauten, der die stattliche Femeiche ersetzen sollten, mauserte er sich im Laufe der Jahre.

Einige Bürger ließen sich damals noch unter der Femeiche fotografieren, bevor sie gefällt wurde.
Einige Bürger ließen sich damals noch unter der Femeiche fotografieren, bevor sie gefällt wurde. © WP | Sammlung Lamle