Wetter/Herdecke. Neues Buch: Die Grafen von der Mark gehörten im Mittelalter zu den wichtigsten Herrschern in Westfalen. Auch an der Ruhr in Wetter und Herdecke.
Wer hier lebt und sich ein bisschen für die regionale Geschichte interessiert, sollte mit den Grafen von der Mark etwas anfangen können. Im Hochmittelalter zählte diese weltliche Dynastie zu den einflussreichsten Herrschern in Westfalen. Sie dominierten lange das Geschehen an der Ruhr bis hin zur Lippe (von Essen bis westlich von Soest). Die zwei Historiker Stefan Pätzold und Dietrich Thier begannen vor rund vier Jahren mit einem Buchprojekt, das nun abgeschlossen ist. Die beiden Herausgeber veröffentlichten Texte, die recht ausführlich die hiesigen Zustände von 1200 bis 1391 (und bis 1609 in Überblicken) nachzeichnen. Das Handbuch habe das Potenzial für „ein Standardwerk“, meint Dietrich Thier, Wetteranern als langjähriger Archivar für die Stadt und den Ennepe-Ruhr-Kreis bekannt.
Der Anlass
Viele Autoren haben über die Grafen von der Mark schon Aufsätze verfasst. Eine biografische Übersicht in komprimierter Form lag bislang aber nicht vor, meinen die beiden Herausgeber. Demnach fehlten bis dato beispielsweise Untersuchungen zur Struktur der adligen Verwandtengruppe, zu ihren Heiratsverbindungen oder zur Bedeutung von Burgen auch im Hinblick auf die zeitgenössische Wahrnehmung. Also widmeten sich die Historiker verschiedenen Lebensgeschichten, um zugleich eine Grundlage für eine systematische Gesamtdarstellung der Grafschaft Mark anzubieten und einen neuen wissenschaftlichen Impuls zu setzen. Das Fachbuch richtet sich aber auch an „normale“ Leser.
Die Anfänge
Manch einer dürfte schon mal etwas vom Mord an Engelbert I. gehört haben, als dieser Erzbischof von Köln am 7. November 1225 bei Gevelsberg in einem Hinterhalt getötet wurde. Von dieser Gewalttat profitierte Graf Adolf I., der als Wegbereiter der märkischen Herrschaft gilt, laut Stefan Pätzold in doppelter Hinsicht. Abrupt endete damit eine konfliktfreie und auf verwandtschaftlicher Bindung beruhende Beziehung zwischen diesem Adeligen mit seinem Kölner Lehnsherrn. Zudem eröffnete diese grausame Tat dem Märker neue Perspektiven zur Vergrößerung seiner Macht. Graf Adolf I., der 1249 starb, machte Burg Blankenstein in Hattingen zum Mittelpunkt seiner Regentschaft. Nicht ganz sicher ist, ob die Burg Wetter plus Siedlung schon 1243 zu seinem Besitz gehörte.
Burg Volmarstein
Engelbert II. von der Mark, der vor 1277 geboren wurde und 1328 starb, wollte die erzbischöfliche Burg Volmarstein an der Ruhr in seine Gewalt bringen. Nach der Belagerung gelang die Eroberung 1324. Dies galt als bedeutender Erfolg des Grafen gegenüber dem Erzbischof, der daraufhin ein Jahr später mit vielen weiteren Beteiligten einem Waffenstillstand zustimmte. Engelbert II. erhielt somit hierzulande die komplette Territorialhoheit und leitete durch die Eheallianz seines Sohnes Adolf mit der klevischen Grafentochter Margarete auch die Übernahme der Grafschaft Kleve durch die Märker ein. Die Auseinandersetzungen mit Kölns Erzbischof, die bei den Grafen von der Mark so etwas wie eine Art Familientradition waren, setzten sich später unter Adolf II. (1328-1346/47) und Engelbert III. fort.
Der einflussreichste Graf
Das längste Kapitel in dem Buch hat Dietrich Thier Engelbert III. gewidmet. Der 1329 geborene Fürst ging als letzter Graf aus dem Hause Mark in die Geschichte ein, wurde die Dynastie nach seinem Tod 1391 doch durch das neue Haus Kleve abgelöst bzw. beerbt. Der Historiker bezeichnet ihn als einen der herausragenden Herrscher der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts im Nordwesten Deutschlands, der beispielsweise 1347 den Bürgern Volmarsteins alle Rechte erneuerte und 1355 der Freiheit sowie dem Dorf Wetter bestimmte (Sonder)Rechte gewährte.
Ein Fachbuch für 29,90 Euro
Das Buch „Die Grafen von der Mark“ ist im Bergischen Verlag erschienen und kostet 29,90 Euro (ISBN 978-3-96847-008-5).Das biografische Handbuch, so der Untertitel, ist Band 2 der Beiträge zur Märkischen Geschichte.Stefan Pätzold geht mitunter auch auf die geografische Lage Volmarsteins ein. Mit dem Bau eines Turms 1243 wollte der Bischof dort seine militärische Position gegenüber dem Grafen von der Mark sowie dessen Burg Wetter festigen. Ging es doch um die Kontrolle der so genannten Kölner Straße, eines bedeutenden Fernwegs zwischen Rheinland und Westfalen.
1381 übergab er seiner Frau – spätestens seit der Eheschließung in diesem Jahr mit Elisabeth von Sponheim war die Burg Wetter dauerhaft die Residenz des Ehepaares – die Burgen und Schlösser Wetter und Volmarstein. Laut Thier starb Engelbert III. mit großer Wahrscheinlichkeit in der hiesigen Freiheit in einem Gebäude, ehe er von Wetter nach Fröndenberg gebracht und dort begraben wurde.
Herdecke
Zur Grafschaft Mark gehörte zu jener Zeit auch Herdecke. Dort befreite Engelbert III. am 26. Oktober 1374 das Stift von Schatzungen und Steuern. Schon zuvor unter Adolf I. hatten die Märker Vogtrechte über die westfälischen Güter und somit auch über den hiesigen Frauenkonvent ausgeübt. Dieses war den Angaben zufolge für den Grafen aber nicht von nennenswerter Bedeutung, daher gab er die 1214 erstmals urkundlich erwähnte Vogtei in Herdecke als Lehen weiter.
Die Autoren
Zehn Autoren, 13 Kapitel, 360 Seiten: Das Buch über „Die Grafen von der Mark“ bietet viel regionalen Lesestoff über das Mittelalter. Was mit Wegbereiter Adolf I. im 12. Jahrhundert in Altena und Hamm begann, weitete sich auf ganz Westfalen aus und brachte durchsetzungsfähige Grafen nördlich sowie südlich der Ruhr hervor.
Maßgeblicher Antreiber dieses Projekts war Dr. Stefan Pätzold. Der 1966 geborene Historiker beschäftigte sich schon länger mit den Grafen von der Mark und hat als regionaler Mittelalter-Experte bereits viele Aufsätze zu dem Themengebiet veröffentlicht. Er als Initiator und Mit-Herausgeber Dietrich Thier wollten nun eine biografische Übersicht zu diesem Geschlecht vorlegen. Pätzold verfasste die ersten Kapitel und erläutert darin den Wissensstand über die mächtigen Herren im Hellwegraum: „Quellen stehen vergleichsweise reichlich zur Verfügung.“ Zudem stellt er deren Chronisten, den Geschichtsschreiber Levold von Northof, vor.
Pätzold, der seit einigen Monaten das Archiv der Stadt Mülheim an der Ruhr leitet, schreibt zur Bedeutung der Grafen im Hochmittelalter: „Das Geschlecht der Märker wurde zu einer starken Dynastie mit weitreichenden Heiratsbeziehungen im Norden und Nordwesten des Reichs.“
Beitrag von Wetters Stadtarchivarin
Autorin Stephanie Pätzold ist Wetteranern als aktuelle Leiterin des städtischen und des Kreisarchivs bekannt. Die Nachfolgerin von Thier und Ehefrau von Stefan Pätzold widmet sich in ihrem Kapitel dem „vergessenen“ Grafen Adolf II. im 14. Jahrhundert.
In dem Buch gibt es auch zahlreiche Bezüge nach Herdecke. Oder zum Rittergut Mallinckrodt an der heutigen Stadtgrenze in Gedern. Beispiel: 1388 war Herbord von Mallinckrodt märkischer Burgmann auf der Burg Wetter. Mit einem Volmarsteiner Burglehen ausgestattet, wurde er damals als neuer Besitzer des Hauses auf Burg Volmarstein bezeichnet.
Herdecker Historiker auch involviert
Auch Prof. Dr. Gerhard E. Sollbach hat ein Kapitel über die Grafen von der Mark beigesteuert. Der Herdecker Historiker, der sich während seiner Zeit an der Universität Dortmund vor allem der spätmittelalterlichen Kultur- und westfälischen Landesgeschichte widmete, zeichnet das Leben von Engelbert I. (geboren vor 1190, gestorben 1249) nach.
Alle Autoren schrieben ihre Beiträge im Auftrag des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark mit Sitz in Witten. Dieser wurde bereits 1886 gegründet und veröffentlichte im Laufe der Zeit zahlreiche Werke mit regionalen Bezügen (bekannt ist vor allem das Märkische Jahrbuch).