Herdecke. Nach der Flut ist vor dem nächsten Hochwasser - wie es in Herdecke aktuell um den Schutz vor Starkregen bestellt ist
Ist Hochwasserschutz nur ein Thema für Menschen, deren Keller schon mal von Wasser geflutet war? Und hätten dann nicht mehr „gebrannte Kinder“ zur Infoveranstaltung der Stadt Herdecke zum Hochwasserschutz kommen müssen? Die Verwaltung jedenfalls versicherte, sie habe nach den Regenmassen vom vergangenen Juli ihre Hausaufgaben gemacht – und nahm die Bürger mit in die Pflicht.
Rund 50 Bürger hatten den Weg in den Werner-Richard-Saal an der Wetterstraße gefunden. Bei etwa einem Drittel ging eine Hand nach oben, als Bürgermeisterin Dr. Katja Strauss-Köster wissen wollte, wer den Starkregen abbekommen habe. Nicht nur im Bachviertel waren es deutlich mehr. Gar keine Hand hob sich, als es um einen Flyer der Stadt zur Hochwasservorsorge ging. Als der Regen und die Überschwemmungen kamen, war er schon ein Jahr alt – und offensichtlich kaum beachtet.
Dabei sind die Schäden beträchtlich. Allein für die Sanierung eines Gewölbes für den Bach auf Höhe der Hausnummern 10 bis 14 hat die Stadt eine Kostenschätzung über 380.000 Euro vorliegen. Hier besteht akute Einsturzgefahr. Viele Anrainer des Herdecker Bachs haben ihre persönliche Katastrophe schon erlebt: weggespülte Mäuerchen, voll gelaufene Keller, hüfthohes Wasser im Wohnraum. Einem dieser Betroffenen platzte nach 30 Minuten Vortrag mit Daten und Fakten über Wetterlagen und Wahrscheinlichkeiten der Kragen: „Was hat diese doofe Statistik mit unserem Hochwasser zu tun“, entfuhr es ihm.
Aufgaben für die Zukunft
Eine ganze Menge, hätte ihm Gerold Caesperlein, Geschäftsführer des Ingenieurbüros U Plan in Dortmund, sagen können. Er ist im Auftrag der Stadt Herdecke tätig und hatte hinter all den Zahlen klare Ansagen im Gepäck: Die Erwärmung der Arktis führt zu einer Angleichung der Temperaturen. Wenig Bewegung bei der Wetterlage kann die Folge sein. Dann stehen schon mal Wolken an einer Stelle und regnen sich heftigst ab. Immer häufiger könnte das passieren. Und auch das war nicht beruhigend: „Herdecke hatte Glück im Unglück. Es hätte noch drastischer kommen können.“
Wo sind die Schwachstellen im Ablauf des Wassers? Wo ist mit wenig Einsatz ein möglichst großer Effekt erzielbar? Gerold Caesperlein wusste Antworten. Regenrückhaltebecken lassen sich erhöhen, bei Pflanzungen im Wald könnten die Pflanzgruben deutlich größer und wie kleine Sammelbecken ausfallen, die Stollen könnten verbessert und der Herdecker Bach als Stadtgraben wieder geöffnet werden. Langer Atem schadet nichts: Eine planerische Aufgabe über Jahre sei es, dem Herdecker Bach einen regelrechten Korridor frei zu machen. Caesperlein: „Wenn man sich nichts vornimmt, passiert gar nichts.“
Passiert ist bei der Stadt schon ziemlich viel, berichtete Mitarbeiterin Maren Hessam. Rund 50 Punkte waren auf einer Karte der Stadt markiert. Alle zeigten sie Orte der Schadensbeseitigung oder der Vorsorge. „Wir sind mit Hochdruck an den Maßnahmen“, versicherte Maren Hessam, aber auch die Anwohner seien gefordert. Die Bürgermeisterin legte nach: Viele Bürger hätten sich fälschlicherweise in Sicherheit gewähnt und trotz Aufforderung nichts oder zu wenig für den Hochwasserschutz getan.
In die Pflicht nehmen wollte alle Bürger im Stadtgebiet auch Vize-Feuerwehrchef Christian Arndt. Für ihn war es ein Wunder, dass am 14. Juli kein Schaden an Leib und Leben entstanden ist. Viele Bürger hätten sich beim Retten von Hab und Gut in Gefahr gebracht. Das müsse ebenso wenig sein wie die Überfülle an Anrufen am Abend der Katastrophe: Ein bisschen mehr Abwägen, was denn nun wirklich eines Feuerwehreinsatzes bedürfe, hielte am Ende die Leitungen für echte Notfälle freier.