Herdecke/Wetter. Bei der Sterbebegleitung ist Nähe eigentlich ein wichtiges Gut. Doch in Zeiten von Corona müssen die Ehrenamtlichen umdenken.

Was tun, wenn in den letzten Stunden des Lebens niemand da sein darf, um die Hand zu halten, zuzuhören oder ein liebes Wort zu sagen? Kann ehrenamtliche Sterbebegleitung in Zeiten eines gesetzlich geregelten Kontaktverbots überhaupt funktionieren? Und wenn ja, wie? Die Lokalredaktion hat darüber mit Ulrike Markus, Leitende Koordinatorin des Ambulanten Hospizes Olibanum Herdecke, Wetter, Dortmund-Süd, und der Fachärztin Karla Caspers vom Palliativmedizinischen Konsiliardienst Hagen, Herdecke, Wetter, die mit dem Olibanum kooperiert, gesprochen.


„Wir spüren die Auswirkungen des Kontaktverbotes besonders stark, da viele der von uns begleiteten Personen zur Risikogruppe gehören“, sagt Ulrike Markus. Um die Menschen weiterhin unterstützen zu können, finden viele Gespräche jetzt am Telefon oder auch im Internet statt. „In den Heimen gilt ein Besuchsverbot. Und sogar die Hospize haben jetzt ein absolutes Besuchsverbot erteilt. Nachdem bis vorletzte Woche Gäste noch eine Stunde am Tag besucht werden konnten. Jetzt werden dort allenthalben Möglichkeiten gesucht, Kontakte herzustellen", sagt Karla Caspers.

Betreuung aus der Distanz

Wie aber können Ehrenamtler dann den Kontakt zu sterbenden oder schwerstkranken Menschen und ihren Zugehörigen noch aufrecht halten? „Es gibt durchaus einige Ehrenamtliche, die weiter betreuen. Aus der Distanz. Sie machen das dann telefonisch, oder indem sie Karten oder Briefe schreiben. Eine Ehrenamtliche ist Künstlerin und wird nun ein Bild malen, so dass ihre Betreute schon bald das Bild anschauen kann und sie sich so nahe sind", berichtet Ulrike Markus. Andere erledigten Einkaufsdienste und würden die Sachen mit einem lieben Brief versehen vor die Tür der Betroffenen stellen. „Aber was machen wir, wenn ein Patient dement ist? Da stellt die Krankenschwester oder die Pflegerin eine Whatsapp-Konferenz her, damit der demente Patient seine Betreuerin mal wieder sieht und spricht und sie nicht ganz vergisst", so Projektkoordinatorin.


Sowohl für Ulrike Markus als auch für die gesamte Ärzteschaft ist es in dieser Situation schwierig, abzuwägen, wie wichtig die seelische Begleitung einerseits und der Schutz vor der Virusinfektion andererseits sind. „Ich bringe den Ehrenamtlern Verständnis entgegen, wenn sie ängstlich sind und mache Vorschläge, wie sie dennoch Kontakt halten können. Eben mit Briefchen oder ähnlichem. Ich finde, dass auch gedankliche Begleitungen Sinn ergeben. Postkarten oder Bilder in Gedanken an jemanden anzufertigen, das ist etwas anderes, als sie vorab fertig zustellen. Ich kann eine positive innere Haltung einnehmen und sie Patienten und deren Zugehörige mit hineinnehmen", sagt Ulrike Markus.

Besuch mit Maske

Es gebe aber durchaus auch mutige Ehrenamtler, die „ihre" Patienten weiter besuchen wollen. Das sei möglich, wenn der Patient zuhause sei und die Angehörigen dies erlaubten. „Da, wo es erlaubt und gewünscht und notwendig ist, dürfen sie von mir aus hin", so Ulrike Markus. Und weiter: „Ich habe Desinfektionsmittel, Einmalhandschuhe und genähten Mundschutz. Das stelle ich ihnen zur Verfügung, so dass der Schutz so weit wie möglich gewährleistet ist." Denn, so gibt Ulrike Markus zu bedenken: „Man darf die Menschen, die ohne Corona leiden und sterben, nicht aus den Augen verlieren."


Lebe ein Patient im Heim, gelten deren Richtlinien für die Ehrenamtler. „Und diese Regeln sind strikt", betont Karla Caspers. Und dann erzählt sie ganz gerührt von einem Heim in Wetter, wo die Angehörigen vor dem Balkonfenster im Erdgeschoss saßen, während die Bewohnerin drinnen das Oberlicht öffnete: „So konnten sie sich unterhalten, sich sehen und einander begleiten, solange nur die Glasscheibe dazwischen war. Und das Küsschen kann man sich auch per Handkuss zuwerfen. Diese Fenster-Variante ist echt süß."

Und dann gibt die Medizinerin noch einen aktuellen Status durch: „In unserem Konziliaren Dienst gibt es bisher noch keinen einzigen Palliativpatienten mit Corona. Bislang ist der liebe Gott uns gnädig."