Herdecke. Während Frank Mier im Hochwasser-Hilfseinsatz bei der Feuerwehr ist und anderen Menschen hilft, läuft sein Haus am Herdecker Bach voll Wasser.
Am Mittwochabend, 14. Juli, löste der Alarm bei Frank Mier aus. Der Feuerwehrmann und stellvertretende Löschzugführer machte sich sofort auf den Weg – nicht wissend, was noch alles vor ihm liegt und wie betroffen er auch persönlich sein würde.
„Ich bin direkt zur Wache gefahren und war dann die ganze Zeit im Einsatz“, erinnert sich Frank Mier. Nach einem ersten Überblick der Lage und den ersten Einsätzen erinnerte er sich daran, dass das Haus, das er im April mit seiner Frau Sabrina und dem kleinen Sohn Lenn bezogen hat, vor elf Jahren schon einmal unter Wasser stand. Damals lebten seine Schwiegereltern noch dort. Es liegt am Jollenstein, direkt neben dem Herdecker Bach, der an dieser Stelle wieder aus der Unterführung an die Oberfläche tritt. Normalerweise in etwa drei bis vier Metern Tiefe, an diesem Abend nicht. „Ich habe dann zu Hause angerufen und nachgefragt, wie es aussieht. Meine Frau sagte mir zu dem Zeitpunkt, dass das Wasser etwa 20 Zentimeter hoch stand. Das interessierte mich da noch nicht“, so der Feuerwehrmann und eilte mit den Kameraden zum nächsten Einsatz.
Wasser steigt schnell
Doch es blieb nicht bei den 20 Zentimetern im Keller. Ein Anruf seiner Frau Sabrina machte deutlich: Das Wasser steigt und zwar schnell. „Ich habe einen Kameraden gebeten, er solle mal, wenn er Zeit hat, bei mir zu Hause gucken. Mehr konnte ich nicht tun“, sagt Frank Mier. Denn er ist bereits unterwegs zum nächsten Einsatz. Fremde Menschen brauchen seine Hilfe. Gedanken an zu Hause? Sorgen? „Die musst du dann komplett abschalten“, erklärt er achselzuckend.
Einsätze der Freiwilligen Feuerwehr Herdecke
Um 17.13 Uhr waren die Herdecker Einsatzkräfte am Mittwoch alarmiert worden. In den folgenden 24 Stunden folgten 102 Einsätze für die rund 100 Kameraden. Dabei retteten sie 49 Menschen, fünf Hunde und drei Katzen aus gefährlichen Situationen am und im strömenden Hochwasser.
Sabrina Mier nickt. „Ich war zugegeben ziemlich panisch. Das Wasser stieg, und ich hatte mit Lenn alle Hände voll zu tun. Er fand das alles ziemlich spannend und war aufgeregt. Ich musste ihn immer davon abhalten, in den Keller zu gehen. Ich hätte also kein Wasser scheppen oder irgendwelche Sachen in Sicherheit bringen können“, erzählt sie von der Unwetternacht. Ob ihr Mann ihr in dieser Situation gefehlt habe? Sie überlegt kurz, nickt und schüttelt dann wieder den Kopf. „Er hätte ja nichts machen können. Er hätte ja auch kein Brett vor das Fenster bauen können“, meint sie dann und fügt hinzu: „Er hätte mich höchstens ein bisschen beruhigen können. Mehr aber auch nicht.“ Außerdem: „Andere Menschen hat es viel härter getroffen. Wir hatten hier ja noch Glück“, sagt Sabrina Mier.
Zugang zum Haus unter Wasser
Frank Mier ist währenddessen weiter unterwegs. Irgendwann wird er mit seinen Kollegen zur Wittbräucke gerufen. Dort waren Autos im Wasser abgesoffen, in denen noch Menschen saßen, die gerettet werden mussten. Auf dem Weg dort hin, hat Mier die Möglichkeit, in Richtung seines Hauses zu schauen. „Das Wasser stand so hoch, dass das Geländer dort an der Brücke nur noch zehn Zentimeter raus ragte“, erinnert er sich. Doch auch dieses Bild muss er abschütteln. „Ich hätte sowieso nicht mehr zum Haus gehen können“, sagt er.
Irgendwann in der Nacht hört das Wasser auf zu steigen. Da steht der komplette Keller der Familie Mier bereits unter Wasser. Es ist bereits an der letzten Kellerstufe angekommen. Zehn Zentimeter fehlen, bis es ins Erdgeschoss schwappt. Doch es bleibt stehen.
Im April erst eingezogen
Während die Feuerwehr Herdecke noch die letzten Einsätze abarbeitet, beginnen im Hause Mier die Abpump- und Aufräumarbeiten. Trotz der Strapazen, bedingt durch die Einsätze der vergangenen Tage, nutzt Frank Mier gemeinsam mit seiner Frau und einigen Helfern das Wochenende, um auszuräumen und den Keller zu trocknen. Am Dienstagabend stellt sich heraus, dass das Wasser die Mauern hochkommt. „Da drüben kann man sehen, wo es sich entlang zieht“, sagt Frank Mier und deutet in die Küche im Erdgeschoss. Mit einem Bleistift hat er den Wasserstand auf der Tapete markiert. Wieder eine Sache, die er momentan nicht ändern kann. Jetzt heißt es abwarten. Ein Gutachter muss kommen. Dann heißt es irgendwann Schäden beheben, wenn dann auch Handwerker verfügbar sind. Ein wenig schwarzer Humor ist auch dabei, als Sabrina Mier schließlich sagt: „Wir sind ja erst im April hier eingezogen und hatten alles renoviert. Wir wissen noch, wie es geht.“