Herdecke..
Neben den alteingesessenen Familien Marx und Blumenthal gab es weitere Holocaust-Opfer, die in Herdecke geboren wurden oder zeitweise hier gelebt haben.
Die Familie Bastheim
Im Sommer 1932 zogen Siegfried und Ernestine Bastheim mit ihren drei Kindern, dem Sohn Paul Werner (Jg. 1924) und die Töchter Johanna (Jg. 1926) und Marianne (Jg. 1927), von Dortmund nach Ende, damals noch eine eigenständige Gemeinde. Zur Familie gehörte auch Anna Sachs, die Mutter von Ernestine. Siegfried Bastheim, geboren 1878 in Hofgeismar, war Ingenieur und hatte 1911 in Dortmund eine Ankerkettenfabrik übernommen. Anfang der 30er Jahre ging die Firma in andere Hände über, warum ist unklar. Familie Bastheim zog 1932 aus ihrer Villa in Dortmund-Hörde aus und zog zur Miete nach Ende in das Haus Nr. 76 b am Ahlenberg.
Umzug nach Den Haag
Nach der NS-Machtübernahme hielt es sie nicht mehr lange in Deutschland. Die Familie zog schon 1934 in das vorerst sichere Den Haag. Nach der Besetzung Hollands durch deutsche Truppen 1940 gerieten die Bastheims wieder in den Herrschaftsbereich der Nazis. Diesmal gab es kein Entrinnen mehr für sie. Im August 1942 wurde Ernestine Bastheim mit den beiden älteren Kindern von ihrem letzten Wohnort Bussum bei Amsterdam über Westerbork nach Auschwitz deportiert. Vater Siegfried Bastheim und die jüngste Tochter Marianne wurden zur selben Zeit in das Ghetto Amsterdam-Astendorp umgesiedelt. Dort wurde der Vater beim Luftschutz eingesetzt.
In Auschwitz wurden Mutter und Tochter sofort vergast, der als „arbeitsfähig“ eingestufte 18-jährige Paul Werner aber versuchte sein Schicksal zu wenden. Nach vier Tagen im Lager gelang ihm die Flucht. Das brachte nicht die erhoffte Rettung, schon nach einem Tag wurde er ca. 35 km von Auschwitz entfernt wieder festgenommen, anschließend im berüchtigten Block 11, dem sogenannten „Bunker“ von Auschwitz, inhaftiert und ermordet.
Ein knappes Jahr später, im Mai 1943, wurden der Vater Siegfried Bastheim und die nun 16-jährige Marianne über Westerbork deportiert. Sie wurden in Sobibor, einem anderen Vernichtungslager, in den Gaskammern ermordet. Damit ist die gesamte Familie Bastheim mit Ausnahme der 1939 verstorbenen Anna Sachs Opfer des Holocaust geworden.
Die Familie Neugarten
Am 23. Januar 1878 heirateten der Metzger Herz Neugarten aus Rüdinghausen und Johanna Wolf aus Bedburdyk (heute: Jüchen) vor dem Standesbeamten in Herdecke. In den folgenden Jahren wurden in schneller Folge sieben Kinder, vier Mädchen und drei Jungen, geboren. Für 15 Jahre war Herdecke die Heimat der Familie Neugarten, bis in den 1890er Jahren Herz und Johanna Neugarten mit ihren Kindern nach Köln verzogen. Nachforschungen haben ergeben, dass ihre Kinder Opfer des Holocaust geworden sind.
Sally Neugarten, geb. am 29. Januar 1884, starb im Dezember 1942 in einem Zwangsarbeiterlager der „Organisation Todt“ in Sakrau (Zakrzow) bei Breslau(Wroclaw). Seine Schwester Selma Neugarten, verheiratete Moses, geb. am 21. März 1892 in Herdecke, wurde am 22. Oktober 1941 von Köln nach Litzmannstadt (Lodz) deportiert und kam dort zu Tode.
Hetti Neugarten heiratete 1911 den Kaufmann Hermann Schild, der in Köln-Mülheim ein Schuhgeschäft betrieb. Von ihren drei Kindern konnten die zwei Jungen, Erwin und Kurt, rechtzeitig Deutschland verlassen und sich so retten. Die Eltern und ihre Tochter Margot wurden am 7. Dezember 1941 mit demselben Transport wie Sally und Paula Grünewald von Köln nach Riga deportiert. Während Margot Schild durch glückliche Umstände 1945 nach Schweden gerettet wurde, wurden ihre Eltern in Riga Opfer des Holocaust.
An zwei weitere Opfer ist hier noch zu erinnern, über deren Schicksal bisher nur wenig herauszufinden war: Zum einen Henriette Seligmann, 1857 in Herdecke geboren. Sie heiratete den Kaufmann Sally Katz aus Eisenach. Einer ihrer Söhne fiel im Ersten Weltkrieg. Als sie Witwe geworden war, zog sie zu ihrer Tochter nach Frankfurt. Von dort wurde Henriette Katz am 18. August 1942, einen Tag vor ihrem 85. Geburtstag, nach Theresienstadt deportiert, wo sie sieben Monate später starb.
Zum anderen Johanna Baum, 1879 in Herdecke geboren. Sie heiratete Artur Samuel und lebte mit ihm und den zwei Kindern Dagobert (geb. 1908) und Erna (geb. 1923) bis zu ihrer Deportation im Januar 1942 in Dortmund. In der zweiten Januarhälfte wurde Johanna in den Saal der Gaststätte „Börse“ in der Steinstraße bestellt. „Im Börsensaale lagen wir – etwa 1300 Menschen – auf unseren Gepäckstücken auf der Erde, fünf Tage und vier Nächte schikaniert von der Gestapo … Am Morgen des 27. Januar trat ein langer trauriger Zug unter Bewachung der Gestapo den Weg zum Bahnhof an. … Erst als wir im Zug waren, sickerte langsam durch, dass unser Weg nach Riga in Lettland ging“, berichtete später eine Überlebende. Johanna Samuel kehrte aus Riga nicht zurück.