Wetter. Betreiberwechsel: Die Deutsche Bahn Regio NRW übernimmt zum 1. Februar 2022 die Abellio-Linien RE 16 und RB 40, die oft auch in Wetter halten.

Acht Züge halten normalerweise an einem Werktag im Stundentakt und zu christlichen Uhrzeiten am Bahnhof Wetter. Die Hälfte dieser Nahverkehrsverbindungen in östliche und westliche Richtung betreibt Abellio. Wer in den vergangenen Tagen und Wochen auch nur ein wenig die Medien verfolgt hat, dürfte zumindest etwas von den Finanzproblemen des Unternehmens mitbekommen haben. Kurze Zusammenfassung: Die Abellio Rail GmbH mit Sitz in Hagen stellt Ende Januar 2022 den gesamten Betrieb in Nordrhein-Westfalen ein.

Das hat unmittelbare Auswirkungen für Pendler in Wetter, die auf dem Schienenweg nach Hagen oder Siegen und ins Ruhrgebiet über Witten, Bochum bis Essen gelangen möchten. Wer ab Februar am Bahnhof der Harkortstadt in den Regionalexpress (RE) 16 oder die Regionalbahn (RB) 40 einsteigt, sitzt nicht mehr in einem Zug von Abellio. Die Deutsche Bahn Regio NRW übernimmt das Ruhr-Sieg-Netz und damit diese beiden Linien. Ehe die holländische Bahntochter ihren Betrieb einstellt, sollen deren Züge aber noch bis Ende ganz normal auch hier weiterfahren, sagte nun ein Abellio-Sprecher.

Immerhin herrscht seit Kurzem Klarheit, wie die Notvergabe zur Aufrechterhaltung des regionalen Zugverkehrs endete. Die Abellio-Linien übernimmt nicht nur DB Regio, sondern auch National Express (dieses Unternehmen betreibt den RRX als Regionalexpress-Linie 4, die seit genau einem Jahr in Wetter hält) und das Dürener Unternehmen Vias.

Beim Übergang kann es „ruckeln“

Der zuständige Verkehrsverbund Rhein-Ruhr hofft auf einen reibungslosen Übergang. VRR-Vorstandssprecher Ronald Lünser hatte kürzlich im Verkehrsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags allerdings schon gesagt, dass es zu „Ruckeleien“ kommen könnte.

In einer Pressemitteilung kündigte die DB Regio NRW nun an, dass sie jetzt Gespräche mit den Angestellten des kriselnden Unternehmens führen will. „Wir setzen jetzt alle Hebel in Bewegung, um Mitarbeitenden von Abellio möglichst schnell mit einem guten Angebot Sicherheit zu geben und den Verkehr ab 1. Februar bestmöglich auf die Schiene zu bringen. Dafür brauchen wir aber die 100-prozentige Kooperation der Abellio-Führung. Jeder Tag zählt“, so Frederik Ley, der Chef von DB-Regio NRW. Noch vor Weihnachten wolle sein Unternehmen die ersten Arbeitsverträge abschließen. Insgesamt strebe das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn an, ungefähr 500 der 1080 Mitarbeiter von Abellio zu übernehmen und schnell zu schulen. Dieser Prozess werde sich über die Weihnachtstage und das neue Jahr erstrecken.

Auch für S-Bahnlinie 5 verantwortlich

DB Regio NRW ist nach dem Aus von Abellio für die S-Bahn-Linien und weitere Verbindungen auf der Rhein-Ruhr-Strecke verantwortlich. Ab Februar gehören dann drei Viertel aller Züge, die in Wetter halten, zu diesem Unternehmen. Dieses betreibt seit 2012 auch die S5 zwischen Dortmund und Hagen mit einem Zwischenstopp in der Harkortstadt. DB Regio ist auch für die Volmetalbahn zuständig, die als RB52 Herdecke ansteuert.

Firmensitz im benachbarten Hagen

Abellio Rail, eine Tochter der niederländischen Staatsbahn Nederlandse Spoorwegen mit Sitz in Hagen, befindet sich in einem Insolvenzverfahren und wird Ende Januar 2022 den NRW-Betrieb komplett einstellen. Dieses Unternehmen war landesweit bisher zweitgrößter Anbieter im Schienenpersonennahverkehr. Abellio-Züge werden nicht bestreikt und sind relativ pünktlich.

Erst 2019 hatte DB Regio NRW das wichtige S-Bahn-Netz im Herzen NRWs an Abellio übergeben und selbst wiederum bei der Notvergabe für Keolis/Eurobahn eingesprungen. „Wir stehen ganz klar zu unserer Verantwortung als Anker und Stabilisator des Regionalverkehrs in Nordrhein-Westfalen“, sagt Frederik Ley und kündigt an, dass auch technische Überprüfungen auf den Strecken anstehen. Insgesamt müsse das Bahn-Team in nur sechs Wochen den Verkehr für acht Linien mit mehr als zehn Millionen Zugkilometer neu planen und organisieren. In normalen Ausschreibungsprozessen seien dafür zwei Jahre Zeit vorgesehen.

SPD-Kritik an der NRW-Landesregierung

Die SPD hat sich in der Abellio-Debatte und nach dem Notvergabeverfahren zu Wort gemeldet. Der heimische Landtagsabgeordnete Prof. Dr. Rainer Bovermann und Wetters Parteichefin Kirsten Stich, die bei der nächsten NRW-Wahl im Mai 2022 gern sein Mandat übernehmen möchte, schreiben: „Mit der Übernahme von RE 16 und RB 40 durch die DB Regio kann ein drohendes Verkehrschaos im nördlichen Ennepe-Ruhr-Kreis vorerst abgewendet werden. Auf die Bahnnutzer in Wetter kommen dennoch Einschränkungen zu.“

Dabei beziehen sich die Landtagskandidatin und der scheidende Abgeordnete auch auf Angaben des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR), der in der Übergangszeit mit Engpässen für mindestens 20 Prozent des Zugangebotes rechnet. Aus Sicht des SPD-Duos bleiben aber vor allem die strukturellen Probleme ungelöst. „Ein schlüssiges Konzept, wie ein zuverlässiger, sicherer und kostengünstiger Schienenpersonennahverkehr für NRW aussehen kann, bleibt die Landesregierung bis heute schuldig“, so Bovermann. „Die Landesregierung hat trotz Warnungen die Gefahr einer Insolvenz von Abellio seit 2020 mehrmals kleingeredet. Die Verantwortung wurde stattdessen den Verkehrsverbünden zugeschoben. Das wirft kein gutes Licht auf den ehemaligen Verkehrsminister und jetzigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst“, ergänzt Kirsten Stich.

Leidtragende seien nun die Bahnfahrer und Beschäftigten bei Abellio. Allein Wetter an der Ruhr habe knapp 20.000 Ein- und Auspendler täglich. Viele von ihnen seien auf eine Bahnanbindung angewiesen. „Die Menschen müssen sich auf die Bahn verlassen können. Ansonsten wird die Verkehrswende nicht gelingen“, erklärt Rainer Bovermann. Auch die mehr als 1000 bisherigen Arbeitsplätze bei Abellio müssen erhalten werden, betont Kirsten Stich weiter: „Die Beschäftigten brauchen Sicherheit. Und wir brauchen ihr know-how. Die Landesregierung muss hier endlich aus ihrer Zuschauerrolle herauskommen und aktiv Verantwortung übernehmen.“