Hagen-Haspe. Karl-Ludwig Biermanns Möbelhaus ist eine Fundgrube für Leute, die gern stöbern. Ein Besuch im Laden in Hagen-Haspe. Von Bauhaus, Alessi und mehr:
Ein Ausflug nach Haspe. . . Wer ihn besucht, braucht Zeit. Viel Zeit. Und Geduld, denn er erzählt eine Menge und schweift gern ab, wobei seine Geschichten mit enormem Fachwissen gespickt sind. Ein Besuch in Karl-Ludwig Biermanns Reich ist wahrlich ein Ausflug in eine Schatzkammer, ein Eintauchen in ein Paradies für Antiquitäten- und Design-Freunde.
Kleinmöbel und Kunstgewerbe
Die alte Eingangstür knarrt ein wenig, doch das macht nichts. Mit dem ersten Schritt über die Schwelle stehen Interessierte, Kunden oder Bekannte direkt mitten im Laden. Laden? Nun ja, man muss sich erstmal zurecht finden in dem Geschäft, das rappelvoll gestellt ist mit Kleinmöbeln und Kunstgewerbe. „Biermann Einrichtungen“ heißt das Möbelgeschäft der besonderen Art in der Tillmannsstraße 14 in Hagen-Haspe.
„Das Stammhaus befindet sich seit 125 Jahren hier am gleichen Standort“, erklärt Karl-Ludwig Biermann, der in der Tillmannsstraße insgesamt vier Ladenlokale betreibt und in besagter Straße auch wohnt. Überlegungen, aus Hagen-Haspe - bekanntermaßen weder ein „reiches Pflaster“ noch ein Eldorado für Kunstliebhaber - wegzuziehen, habe er nie gehegt, „ich war nie verheiratet, hab‘ keine große Familie, aber ich bin hier zuhause“, sagt der mittlerweile 82-Jährige.
Die Thonet-Stühle im Geschäft springen jedem Besucher sofort ins Auge. Die Sitzmöbel aus Bugholz bzw. Stahlrohr sind eben weltbekannt. „Die klassischen, vom Möbelhersteller Thonet entwickelten Stühle, die die Bauhaus-Zeit widerspiegeln, wurden von modernen Designern aufgepimpt und sind daher zeitgemäß und bei vielen beliebt“, sagt Biermann. Gern präsentiert er auch einen Gropius-Sessel, „den hat Walter Gropius, der Leiter des Bauhaus in Weimar, 1920 entworfen. Die meisten Gropius-Sessel bestehen aus Leder, dieser hier ist mit Stoff bezogen“. Zum Schnäppchenpreis bekommt man das Möbelstück nicht, „der Normalpreis liegt bei 3450 Euro, bei mir bekommt man das schöne Stück für 3098 Euro“, sagt der Antiquitätenfreund und Geschäftsmann.
Stövchen und Lampe von Wagenfeld
Aus dem hinteren Bereich des Ladens sind Geräusche zu hören; Gaby Gollnow taucht auf. 40 Jahre hat sie Karl-Ludwig Biermann im Verkauf unterstützt, nun hilft sie in der Buchhaltung mit. Ebenfalls lange - seit über 20 Jahren - ist Esther Lindemann bei Biermann beschäftigt, „wir sind ein gutes Team“, sagt Gaby Gollnow und präsentiert ein auffälliges Stövchen. „Das hat der Produktdesigner Wilhelm Wagenfeld entworfen. Doch weitaus bekannter ist natürlich die Wagenfeld-Lampe.“ Die Mitarbeiterin zeigt auf den in den 1920er-Jahren von Bauhaus-Schüler Wilhelm Wagenfeld entworfenen Design-Klassiker, der auf einem Tischchen steht, „das schlichte Design hat Wagenfeld weltberühmt gemacht“.
Für das Exemplar, das im Einrichtungshaus Biermann zu finden ist, werden normalerweise 639 Euro aufgerufen, „meine Kunden zahlen aber nur 539 Euro“, unterstreicht der 82-Jährige, der sich auf Messen inspirieren lässt und dort besondere Stücke auftreibt, „und ich bin in der Kunst- und Architekturszene gut vernetzt“.
Architekt und Bauleiter
Rückblick: Die Familie Biermann stammte ursprünglich aus der Nähe von Soest und siedelte sich um 1900 in Hagen an. Die Familie hatte sich dem Tischlerhandwerk verschrieben. Der Enkel - Karl-Ludwig Biermann - studierte später an der Werkkunstschule Wuppertal Innenarchitektur und arbeitete dann eine Zeitlang als Architekt und Bauleiter im Architekturbüro von Georg Flinkerbusch.
Traditionelle Tischlerei war nicht sein Ding
Karl-Ludwig Biermann war als Tischlergeselle und Innenarchitekt formal berechtigt, den Familien-Handwerksbetrieb zu führen. Doch die traditionelle Tischlerei mit Schwerpunkt Baugewerk war langfristig nicht sein Ding. Durch Zufall stieß er 1985 auf den jungen Tischlermeister Lutz Gollnow, der die Biermannsche Werkstatt übernahm. Karl-Ludwig Biermann hingegen erfüllte sich seinen Traum und eröffnete das Geschäft „Biermann Einrichtungen“.
Weiter geht‘s durch die anderen Biermannschen Ladenlokale auf der Tillmannsstraße. „Die Lampen hier hat der Lichtdesigner Ingo Maurer entworfen. Er hat häufig verspielte Objekte designed.“ Der 82-Jährige lächelt verschmitzt, „Lampen von Ingo Maurer hab‘ ich auch an Javon Baumann verkauft. Sie hängen bei ihm im ,Café Pottblümchen‘ und sind dort echte Hingucker.“
Was Biermann selbst besonders gefällt? Möbel und Accessoires im Scandinavian Style von den dänischen Designern Verner Panton und Arne Jacobsen, „den Panton-Chair aus den 1960er-/ ‘70er-Jahren kennt wirklich jeder Design-Liebhaber“.
Alessi und Büromöbel von USM
Auch stylische Wohnaccessoires und Küchenutensilien aus der italienischen Designfabrik von Alberto Alessi und funktional-hochwertige Büromöbel-Systeme von USM sind in den Ladenlokalen in Haspe zu finden, genau wie ein echter Eye-Catcher- die Qlocktwo Earth. Diese auffällige, für eine übliche Wanduhr in ihren Ausmaßen meist sehr große Uhr, verbindet Worte und Zeitangabe, „die Uhr ist elegant, modern und weckt beim Betrachter Neugier“, resümiert Karl-Ludwig Biermann.
Apropos Zeit: Trotz einiger Wehwehchen denkt der 82-jährige rege Geist nicht ans Aufhören und sagt mit resoluter Stimme: „Ich will doch nicht nur noch in der Ecke sitzen.“ Die Aussage wird sicherlich etliche seiner Freunde und Kunden beruhigen.