Hagen. Von Nordkap nach Fisterra: Sven Hardt wandert tausende Kilometer für einen guten Zweck. Ein Gespräch bei seinem Zwischenstopp in Hagen.
3300 Kilometer hat Sven Hardt bereits hinter sich, als er am vergangenen Montagnachmittag in Hagen ankommt. 3300 Kilometer zu Fuß. Er wandert. Jeden Tag. Gestartet ist der Baden-Württemberger am 17. Juni am Nordkap. Sein Ziel: Fisterra, ein Ort in Spanien, der auch als das Ende der Welt bekannt ist. „Fisterra liegt etwa 100 Kilometer von Santiago de Compostela entfernt. Damals glaubten die Menschen, dass sich dort nur noch ein Abgrund aus Wasser befindet“, so Sven Hardt. Insgesamt sind es vom Nordkap bis ans Ende der Welt 8280 Kilometer.
Bei dieser ungewöhnlichen Tour handelt es sich um einen sogenannten Charity-Hike: „Ich sammle mit der Aktion Spenden für eine Rehaklinik in meiner Heimat. Die Klinik kümmert sich um Familien mit schwer krebskranken Kindern“, erklärt der 53-Jährige. Doch diese Reise ist nicht nur eine Reise für andere, es ist auch eine Reise für Sven Hardt ganz persönlich. „Ich habe mein Leben nach einem Burnout vor einigen Jahren neu sortiert, mich unter anderem beruflich anders orientiert und vor allem das Wandern, viel mehr das Pilgern für mich entdeckt.“
„Ich habe mein Leben nach einem Burnout vor einigen Jahren neu sortiert, mich unter anderem beruflich anders orientiert und vor allem das Wandern, viel mehr das Pilgern für mich entdeckt.“
Schlafplatz und Verpflegung angeboten
Die Leidenschaft des Pilgerns teilt auch die Hagenerin Tatiana Micheli. Nach drei Lungenkrebs-Diagnosen sah es lange Zeit danach aus, als gäbe es keine Chance mehr. Bis es plötzlich ein neues Medikament gab, welches sie zwar nicht gesund macht, aber ihr Zeit schenkt. „Als ich körperlich wieder fit genug war, bin ich alleine den Jakobsweg gewandert. Von Pamplona bis nach Santiago, 730 Kilometer.“ Sie war sofort begeistert von der Gemeinschaft unter Pilgern: „Du kommst sofort mit anderen Menschen ins Gespräch, keine oberflächlichen Gespräche, sondern meistens sehr direkt und ehrlich. Außerdem ist es so üblich, dass man sich gegenseitig unterstützt.“
Von Sven Hardt und seinem Charity-Hike hatte sie über Instagram erfahren und ihm sofort einen Schlafplatz und Verpflegung angeboten, sobald er in Hagen unterwegs ist. Der 53-Jährige ist dankbar für diese Art von Unterstützung. „Ich bin die meiste Zeit ohne eigenes Geld unterwegs. Das, was ich anfangs eingeplant hatte, war in Skandinavien bereits nach kurzer Zeit für Verpflegung weg. Wenn ich keine andere Schlafmöglichkeit habe, übernachte ich im Zelt.“
Zwei Nächte blieb Sven Hardt in Hagen bei Tatiana Micheli und ihrem Mann, gemeinsam feierten sie Silvester. „Obwohl wir uns vorher noch nie gesehen haben, haben wir sofort tolle Gespräche geführt“, sind sich beide einig. Und dann gab es da noch diesen ganz besonderen Zufall: „Als ich in Schweden unterwegs war und mein Zelt auf einem Campingplatz aufgeschlagen habe, traf ich ein Pärchen aus Hagen. Durch den Kontakt zu Tatiana über Instagram war mir die Stadt ein Begriff und so kamen wir schnell ins Gespräch. Ich habe den beiden gesagt, dass ich mich melden werde, sobald ich durch Hagen wandere.“
Eine besondere Überraschung
Umso größer war die Überraschung am Montagabend nach Svens Ankunft, als die Urlauber aus Schweden plötzlich bei Tatiana Micheli im Wohnzimmer standen. Das Paar wohnt nur knappe 400 Meter von der Hagenerin entfernt und ist gut mit ihr befreundet. „Wir haben uns spontan überlegt, Sven damit zu überraschen. Das sind diese ganz besonderen Pilger-Momente“, sagt Tatiana Micheli. Sven Hardt glaubt eigentlich nicht an Zufälle: „Ich bin überzeugt davon, dass alles so kommt, wie es kommen soll.“ Aber es seien genau diese Begegnungen mit Menschen, die diese Reise für Sven Hardt zu einer ganz besonderen Erfahrung machen: „Ich war anfangs skeptisch, ob die Menschen in Deutschland auch so offen sind. Aber ich bin total überwältigt von der Hilfsbereitschaft, sobald ich von meiner Aktion berichte. Manchmal bekomme ich zwei bis drei Übernachtungsmöglichkeiten gleichzeitig.“
40 Kilogramm wiegt sein Gepäck: „Ich bekomme viele Lebensmittel mitgegeben, manchmal muss ich schon Dinge ablehnen, weil der Rucksack sonst zu schwer wird.“ Zwei Paar Schuhe hat er dabei, damit er regelmäßig wechseln kann. Doch auch hier bekommt er Unterstützung: „Ich habe ein Paar bereits einmal während der Reise zu einer Firma geschickt, die sie mir neu besohlt haben und sie mir anschließend an eine Packstation geschickt haben.“
„Die Kinder aus der Rehaklinik haben mir eine selbstbemalte Tasche mitgegeben, die erinnert mich täglich daran, wofür ich das tue.“
Bisher hat er seine Entscheidung für diese außergewöhnliche Reise noch nicht eine Minute bereut. „Die Kinder aus der Rehaklinik haben mir eine selbstbemalte Tasche mitgegeben, die erinnert mich täglich daran, wofür ich das tue. Außerdem bin ich einfach nur dankbar für diese Augenblicke, diese Begegnungen mit anderen Menschen, aber auch mit mir selber.“ Am Neujahrstag hat sich Sven Hardt wieder auf den Weg gemacht. Es geht weiter für ihn nach Köln, Aschaffenburg und anschließend über Frankreich Richtung Spanien. Noch knapp 5000 Kilometer. Zu Fuß. Jeden Tag ein Stück weiter auf einer Reise für Andere und für sich. Weitere Informationen gibt es unter www.charity-hiker.com.