Hagen. Im Zuge der Affäre um die für 300.000 Euro freigestellte Chef-Notärztin aus Hagen dauern die Ermittlungen an. Das ist die Lage
Die politische und behördliche Sommerpause lässt Ruhe über vielen Wipfeln herrschen. Große Themen pausieren, zuletzt bedrängende Lagen ebenso. Das scheint zunächst auch für jenes Thema zu gelten, das Anfang Mai durch diese Zeitung in die Öffentlichkeit gelangte und für Wirbel sorgte. Die Stadt hatte ihre Chef-Notärztin freigestellt. Drei Jahre volles Gehalt für 300.000 Euro. Dafür möge sie bitte nicht mehr zum Dienst erscheinen. Doch im Hintergrund dreht sich der Fall weiter.
Ein externer Jurist prüft die Lage
Zur Erinnerung: Der Fall der durch die Stadt gekündigten leitenden Notärztin wird nicht nur an das Rechnungsprüfungsamt, sondern an einen externen Juristen übergeben. Bereits Mitte Mai hatte Oberbürgermeister Erik O. Schulz, der die Personalhoheit hat - einen Sonderprüfauftrag an das Rechnungsprüfungsamt gegeben, um den Sachverhalt, der zur Kündigung führte, aufzuklären.
Ein „betriebsbedingter Kündigungsgrund“
In der außergerichtlichen Einigung zwischen Stadt und der Notärztin soll von einer betriebsbedingten Kündigung die Rede sein. Arbeitsrechtlich ist das dann der Fall, wenn der Arbeitgeber jemanden zum Beispiel wegen betrieblicher Erfordernisse nicht weiterbeschäftigen kann. Die Ursache liegt dann beim Arbeitgeber. Der Wegfall des Arbeitsplatzes kann ein Grund sein. Die beiden anderen möglichen Kündigungsgründe sind die personenbedingte Kündigung (Nichtvorliegen persönlicher Eigenschaften und Fähigkeiten) und die verhaltensbedingte Kündigung (Störung des Betriebsfriedens oder Verletzung von Pflichten).
Der Notärztin hätte nach Informationen dieser Zeitung der Weg in ein Arbeitsgerichtsverfahren offen gestanden, in dem die Stadt nach derzeitigem Recherchestand schlechte Karten gehabt hätte. Eine Weiterbeschäftigung wäre eine mögliche Folge gewesen.
Rettungsdienst vor Umstrukturierungen
Ein nach Informationen dieser Zeitung vereinbarter „betriebsbedingter Grund“ zur Kündigung steht zumindest im Gegensatz zum Stellenplan der Stadt Hagen, in dem gleich mehrere Stellenausweitungen und Mehrstellen mit Blick auf den ärztlichen Dienst und die Rettungsdienstschule zu finden sind, für die die gekündigte Notärztin ebenfalls die Verantwortung trug. Überdies ist öffentlich, dass im Rettungsdienst Mitarbeiter fehlen und dieser Mangel in der Zukunft noch mehr zum Tragen kommt. Stadt und Feuerwehr steuern aber bereits gegen diesen Trend.
Keine Antworten aus dem Rathaus
Alle Fragen rund um den Kündigungsgrund, die Stellenausweitungen oder mögliche Umstrukturierungen im Rettungsdienst ließ die Stadt Hagen mehrfach unbeantwortet, da sie keine Personalangelegenheiten kommentiere. Ob die Wahl des Kündigungsgrundes in der Vereinbarung ein Entgegenkommen ist, bleibt ebenso offen. Die Notärztin ist indes nach WP-Informationen in einer Klinik in einer Nachbarstadt tätig. Grobe Fehler soll sie nie begangen haben. Die Notärztin habe keineswegs aufhören wollen zu arbeiten. Einer Versetzung ins Gesundheitsamt soll sie zudem widersprochen haben.
Ein kritischer Geist
Nach allen Recherchen zeigt sich, dass die gekündigte, langjährige Mitarbeiterin vielmehr sehr oft kritisch für die Leistungsfähigkeit ihres Rettungsdienstes in Konflikte gegangen sein soll. Ob die vielen Widersprüche ein Grund waren, dass man sich trennen wollte, bleibt ebenso unbeantwortet. Die Betroffene äußert sich nicht zu dem Fall.
Arnsberg fordert einen Bericht
Dafür aber geht es auf sehr viel höherer Ebene weiter. Denn: Die Bezirksregierung Arnsberg - oberste Hüterin über die Einhaltung von Gesetzen und Verhältnismäßigkeiten mit Blick auf städtisches Handeln - hat von der Stadt Hagen zuletzt einen Bericht in der Causa freigestellte Notärztin angefordert. Zuletzt lag er noch nicht vor.
Im Mai hatte die Bezirksregierung der Stadtredaktion auf Anfrage noch geantwortet: „Alle Kommunen sind verpflichtet, mit den verfügbaren Haushaltsmitteln sparsam und wirtschaftlich umzugehen, das gilt natürlich auch für die Stadt Hagen. Im vorliegenden Fall ist eine Beurteilung der Frage allerdings mangels hinreichender Sachverhaltskenntnisse zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.“ Das soll sich nun ändern.
Staatsanwaltschaft bleibt dran
Auch die Staatsanwaltschaft Hagen erklärt auf Anfrage, den Fall weiter im Blick zu haben. Oberstaatsanwalt Gerhard Pauli: „Die Sachlage ist unverändert. Wir prüfen zurzeit noch immer das Vorliegen eines Anfangsverdachts anhand der beigezogenen Akten. Ob Vernehmungen erfolgen werden, wird sodann entschieden.“
Eine arbeitsrechtliche Einschätzung
Der erfahrene Hagener Arbeitsrechtler und Anwalt Gerd Pfeifer ist nicht in den Fall involviert, hatte gegenüber der Stadtredaktion aber zuletzt eine generelle Einschätzung abgegeben: „Es ist in diesen Zeiten durchaus üblich, jemanden auch mal zwei oder drei Jahre bei vollen Bezügen freizustellen, wenn man der Meinung ist, dass man nicht mehr zusammenarbeiten kann. Das ist aus Bürgersicht natürlich schwierig nachvollziehbar, aber wenn es für ein Unternehmen oder eine Verwaltung und deren Entwicklung wichtig ist, dann muss man die Entscheidung auch manchmal so treffen. Auch außergerichtlich.“