Hagen. Jetzt geht es dem deutschen Adel an die Titel: Die Hagener SPD hat das Thema bei ihrem Parteitag auf dem Zettel.
Wenn an diesem Samstag die Hagener SPD sich zu ihrem Unterbezirksparteitag in der Stadthalle versammelt, geht es inhaltlich vorzugsweise um ur-sozialdemokratische Themen: Altschuldenhilfe für die Städte, ausreichende Finanzierung der Wohlfahrtsverbände, Geld für Soziales, die Pflegeversicherung, Waffenverbotszonen sowie die Ächtung von Streumunition. Aber auch um Kurioses, nämlich die endgültige Abschaffung der Adelstitel als Bestandteil des Namens, so ein Vorstoß des Ortsvereins Mittelstadt/Oberhagen. Dabei fällt Hagen nicht bloß beim Bummel durch die Fußgängerzone eher selten durch eine besondere Dichte an Blaublütern auf.
Dennoch möchte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete René Röspel die anstehende Änderung des Namensrechts durch den Deutschen Bundestag nutzen, um hier auch die letzten fürstlichen, herzöglich, gräflichen oder gar prinzlichen Zöpfe abzuschneiden. „Es ist mit der demokratischen Verfasstheit einer Gesellschaft unvereinbar, dass Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft Vorteile erhalten oder bestimmte Verhaltensweisen Anderer ihnen gegenüber verlangen können. Insofern war die Entscheidung vor mehr als 100 Jahren folgerichtig, aber nicht konsequent genug“, setzt Röspel auf einen klaren Schnitt zumindest für alle nachfolgenden Generationen, um weiterem Standesdünkel für alle Zeiten einen Riegel vorzuschieben. „Wir leben nicht mehr im Feudalismus“, stellt der Ex-MdB fest, dass manche Leute aus ihrer Herkunft noch immer einen Habitus und eine gewisse Ergebenheit der Gesellschaft ableiten: „Das widerspricht meiner demokratischen Überzeugung.“
Titel als Teil des Namens
Im Jahre 1919 wurden durch das Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung bereits alle Standesprivilegien des Adels abgeschafft. Wobei die etwa 80.000 verbliebenen Mitglieder alter Adelsfamilien, vertreten durch die Vereinigung der Deutschen Adelsverbände (VdDA), bis heute nicht müde werden zu betonen, dass seinerzeit ja nicht der Adel, sondern lediglich dessen öffentlich-rechtlichen Vorrechte abgeschafft worden seien. Die Adelstitel dürfen also weiterhin als Teil des bürgerlichen Nachnamens geführt werden – ein Unding und zu kurz gesprungen, so der Vorstoß der Mittelstadt-Genossen.
Dabei sorgen betitelte Namen à la Prinz William, Prinzessin Victoria, Prinz Ernst August oder auch Fürstin Gloria zumindest bei Royalty-Fans bis heute für glasige Augen. Wobei beispielsweise in England oder Schweden tatsächlich der Adel und Hochadel weiter existiert, während er in Deutschland vorzugsweise zelebriert wird: Prinz William ist tatsächlich einer – Ernst August heißt nur so. Denn die einstigen Adeligen, Ritterlichen, Freifraulichen und Edlen sowie ihre Nachkommen sind Bürgerliche wie alle anderen auch. Lediglich das „von“ im Namen ist geblieben – noch, wenn es nach der Hagener SPD geht.
Röspel: Falscher Eindruck
Für den milliardenschweren Unternehmer Albert von Thurn und Taxis würde das bedeuten, dass es mit dem Titel „Seine Durchlaucht, Albert, der 12. Fürst von Thurn und Taxis, Fürst zu Buchau und Fürst von Krotoszyn, Herzog zu Wörth und Donaustauf, gefürsteter Graf zu Friedberg-Scheer, Graf zu Valle-Sássina, auch zu Marchtal, Neresheim usw., Erbgeneralpostmeister“ vorbei ist. Auch für Ernst August von Hannover entsteht, so hat Röspel recherchiert, mehr Platz im Pass, in dem heute noch stehe: „Ernst August Albert Paul Otto Rupprecht Oskar Berthold Friedrich-Ferdinand Christian-Ludwig Prinz von Hannover Herzog zu Braunschweig und Lüneburg Königlicher Prinz Großbritannien und Irland“. „Solche Namensbestandteile erleichtern zwar häufig die Nachverfolgung inzestuöser Beziehungen als Folge historischer Endogamie“, hebt Röspel auf die engmaschige Heiratskultur in Adelskreisen ab, „führen aber zu keinen Vorteilen für die Gesellschaft, sondern eher zum Eindruck, es gäbe weiterhin Adelige und deren Adelstitel.“
Ebenso sind René Röspel Namenszusätze wie S.K.H. (Seine Königliche Hoheit) oder S.D. (Seine Durchlaucht) ein Dorn im Auge. „Eine solche Kultur ist mit demokratischen Grundsätzen wie Gleichberechtigung und einer sozialdemokratischen Position, das niemand niemandes Herr und niemandes Knecht sein solle, nicht vereinbar“, setzt der Genosse darauf, dass Berufsbezeichnungen, Titel und akademische Grade weiterhin durch Leistung und nicht durch Stammbaum erworben würden.
Schlossherr hält sich bedeckt
Was denken eigentlich die Nachfahren der in Hagen präsenten Adelsgeschlechter über die Initiative der örtlichen Genossen? Natürlich hat die Stadtredaktion auch beim Hohenlimburger Schlossherrn (Fürstlich zu Bentheim Tecklenburgische Kanzlei) nachgefragt: Doch Maximilian Nicolaus Moritz-Casimir Prinz zu Bentheim-Tecklenburg, Oberhaupt des Hauses Bentheim-Tecklenburg, richtete über sein Büro aus, dass er sich nicht zu dieser Thematik äußern wolle. Übrigens: Der 54-Jährige lässt sich seit dem Tod seines Vaters vor neun Jahren bevorzugt als Fürst zu Bentheim-Tecklenburg ansprechen. Dieser Gruß war ihm bei Begegnungen mit René Röspel allerdings noch nie vergönnt.