Hagen-Hengstey. Für Landwirt Christoph Külpmann war es ein nur schwer zu ertragender Nachmittag auf der Zuschauertribüne des Ratssaals. Soeben hatte das oberste politische Gremium der Stadt Hagen die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens für die gewerbliche Nutzung des Böhfeldes beschlossen.
Dabei hatte der 27-Jährige gar keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der ausführlichen Diskussion. Doch am Ende bleibt, dass der Bauer um die langfristige Existenz seines Vollerwerbsbetriebes fürchtet.
Etwa die Hälfte des knapp 28 Hektar großen Areals im Winkel von A 1 und Dortmunder Straße ist seit Generationen im Besitz der Familie Külpmann. „Auf den übrigen Flächen sind wir Pächter“, erläutert Külpmann, „durch die Bewirtschaftung sichern wir die Futtergrundlage für unsere Tiere.“ Um die Zukunft der Landwirtschaft zu sichern, plant Külpmann zeitnah die Errichtung eines Viehstalls für seine Rinder, einer Maschinenhalle, einer Futterlagerfläche sowie eines Güllebehälters. „Diese Planungen liegen mit der Entscheidung des Rates leider erst einmal auf Eis.“
Investition als Zukunftssicherung
Denn die Politik sucht jetzt nach einer Lösung, die dem Vollerwerbslandwirt einerseits die Luft zum wirtschaftlichen Handeln lässt, andererseits der Stadt aber auch die Chance eröffnet, das in Hagen inzwischen knappe Gewerbeflächenangebot mit attraktiven Grundstücken in Autobahnnähe zu erweitern.
Die Verwaltung, so die Entscheidung einer 34:13-Mehrheit (sechs Enthaltungen), soll zunächst einmal den Kontakt zur Familie Külpmann aufnehmen, um mögliche Kompromisslinien auszuloten. Innerhalb der nächsten zwölf Monate sollen die Planer dann einen beschlussreifen Bericht vorlegen, inwieweit sich Landwirtschaft und Gewerbebetriebe an diesem Standort miteinander vereinbaren lassen.
Aushebelung geltenden Rechts
Für die Hagener Grünen bedeutet diese Entscheidung die Aushebelung geltenden Rechts. In einem Schreiben an die Bezirksregierung in Arnsberg fordert die Ratsfraktion die Kommunalaufsicht auf, den am Donnerstag gefassten Ratsbeschluss kritisch zu überprüfen.
Vor allem das Ansinnen der Verwaltung, die vorliegende Bauvoranfrage von Landwirt Külpmann zunächst auszubremsen, um im weiteren Verfahren das Nebeneinander von landwirtschaftlicher Nutzung und geplantem Gewerbe zu regeln, stößt Grünen-Sprecher Jochen Riechel übel auf: „Der Rat beschließt hier also den Aufschub eines im Rahmen der geltenden Flächennutzungsplanung für diesen Bereich absolut zulässigen Bauvorhabens, um nachträglich die planerische Widmung der betreffenden Fläche – und damit die Geschäftsgrundlage für den Bauantrag – zu verändern.
Dieser Vorgang stellt aus meiner Sicht eine eklatante Verletzung des verfassungsmäßigen Rückwirkungsverbots von Regelungen dar.“ Dass hier sehenden Auges die Existenz eines Betriebes in Frage gestellt werde, verleihe dieser Entscheidung zusätzliche Brisanz.
Falsche Fakten
Obendrein operiere die Verwaltung mit falschen Fakten. So wird in der Vorlage behauptet, das Böhfeld sei bereits im Oktober 2009 als neuausgewiesenes Areal in einen neuen Flächennutzungsplan aufgenommen worden. „Die Stadt Hagen verfügt gar nicht über einen neuen Flächennutzungsplan“, erinnert Riechel daran, dass die Neuaufstellung bereits seit 2003 auf sich warten lasse. Die Verwaltung verweise in der Vorlage selbst darauf, dass der geltende Flächennutzungsplan für diesen Bereich landwirtschaftliche Nutzung vorsehe.
„Auf der Grundlage hypothetischer zukünftiger Planungsziele wird hier ein Vorhaben ausgebremst, das nach dem aktuellen Planungsrecht klar genehmigungsfähig wäre.“ In seiner Korrespondenz an die Bezirksregierung kommt Riechel daher zu den Fazit: „Der Rat versucht mit seinem aktuellen Beschluss auf rabiate Weise, Fakten zu schaffen, die den Flächenentwicklungszielen seiner Mehrheit entsprechen mögen, aber ganz offensichtlich nicht geltendem Recht.“ Jetzt liegt der Ball zunächst einmal in Arnsberg.