Hagen. Wenn das hier ein Hollywoodfilm wäre, dann würde sich die zugewucherte Szenerie in der nächsten Sekunde in exakt diesen Ort vor 70 Jahren verwandeln. Ganz dumpf würde Musik aus der kleinen Gaststätte hinüber in den Außenbereich klingen. Verliebte Paare würden miteinander schwofen. Und frisch gebrühter Kaffee würde gereicht.
Aber das hier ist kein Hollywoodfilm, sondern traurige Realität. Auf dem Kaisberg drohen der älteste Turm Hagens und seine Historie in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Quo vadis, Freiherr-vom-Stein-Turm?
Vorhalles Image als Problem?
Sie hängen an ihm, an diesem historischen Ort, der seit vielen Jahren im Dornröschenschlaf über Vorhalle thront. Susanne Grams (49), Michael Erdtmann (52), Ina Wagner (14) und Reinhold Knust (67) sind waschechte Vorhaller. Solche, die ihren Stadtteil trotz seines vielerorts nicht gerade glanzvollen Images lieben und deren Herz an diesem historischen Turm hängt. Es gibt kaum ein Fenster, durch das man den Freiherr-vom-Stein-Turm in Vorhalle nicht sieht. Und noch immer steht er mit seiner Geschichte auf dem Stundenplan der Vorhaller Grundschüler.
Wo hakt es am Freiherr-vom-Stein-Turm? Genau genommen überall. 2011 wurden zuletzt im oberen Bereich Abdichtungsarbeiten durch die Gebäudewirtschaft Hagen (GWH) vorgenommen. Bis dato standen im Haushaltsplan der Stadt 50.000 Euro zweckgebunden für den Turm auf dem Kaisberg bereit. Jetzt nicht mehr. Die Schuldenlasten drücken. Hagens ältestem Turm wurde der Geldhahn abgedreht und die Tür zugeschweißt. Ein Aussichtsturm, dem die Aussicht auf eine Zukunft fehlt.
600.000 Euro fehlen insgesamt
Zur Nutzbarmachung des Turmes, der nach dem Krieg mit seiner Gaststätte ein beliebtes Ausflugsziel für Vorhaller Bürger war, fehlen aktuell rund 600.000 Euro. Die Vorhaller Wandergruppe ist optimistisch. „Am Wochenende würde sich doch ein Eis - oder Kaffeewagen hier oben gut machen“, sagt Michael Erdtmann.
Dass Erdtmann und Reinhold Knust dabei sind, ist kein Zufall. Erdtmanns Vater Knut ergriff 1989 die Initiative zum Erhalt des Turms. Zwei Jahre später entstand dann offiziell der Verein zur Erhaltung des Bauwerks. Sein erster Vorsitzender wurde Reinhold Knust. Jener Reinhold Knust, der ebenfalls gerade vor dem Turm steht. „Den Verein gibt es auf dem Papier noch. Aber wir treffen uns nur noch einmal im Jahr.“
Schönste Turm in Hagen
Schade, denn dabei bildet ein eingetragener Verein das so notwendige Fundament, um den Turm zu retten. Große Stiftungen wie die NRW-Stiftung oder die Deutsche Stiftung für Denkmalschutz sind trotz aller kommunaler Zwänge und Nöte immer noch in der Lage, Denkmäler wie den Freiherr-vom-Stein-Turm zu retten. „Aber dort möchte man natürlich auch das nötige bürgerschaftliche Engagement erkennen“, sagt Rita Rachor-Ebbinghaus von der GWH.
Noch immer ist der 1869 vom Hasper Architekten Friedrich Schmidt im Stil der Neorenaissance entworfene Turm ein baulicher Hingucker und für viele Denkmal-Liebhaber nicht nur der älteste, sondern vielleicht auch schönste der vier Türme in Hagen. Doch er bröckelt. Er ist undicht und feucht. Im Inneren fehlt das einstige Treppenwerk.
Die Büsten des Freiherrn vom Stein, des Pädagogen Adolph Diesterweg, des Schulreformers Bernhard Christoph Ludwig Natorp, von Friedrich Harkort und des Hagener Landrats Friedrich Carl Heinrich Gerstein aus dem Inneren des Turmes stehen heute im Stadtmuseum. „Vielleicht“, so wünscht es sich Bezirksbürgermeister Heinz-Dieter Kohaupt, „könnte man auf die Initiative am Bismarck-Turm zugehen. Vielleicht kann dieses Team Ideen und ein Konzept entwickeln.“