Hohenlimburg. Almuth Wolff studiert erst auf Lehramt, bevor sie Hebamme wird. Seitdem wechseln sich Belastung und Glück tagtäglich miteinander ab.

Es war dieser eine Moment im Leben, der bei Almuth Wolff die Wende brachte. Der eine Moment, in dem ein Beruf tatsächlich zur Berufung wird. Eigentlich wollte sie schon immer Hebamme werden. Trotzdem studierte die heute 56-Jährige erst einmal auf Lehramt. Dann kam ihr Sohn zur Welt. „In der Schwangerschaft gab es Probleme und ich musste oft ins Krankenhaus. Wie sie dort mit mir umgegangen sind, wie sie mir die Angst genommen haben, was es mir bedeutet hat: Das war einfach toll. Da wusste ich, so wollte auch ich sein“, schildert sie ihr Schlüsselerlebnis.

Die Hohenlimburgerin ließ sich zur Hebamme ausbilden. Das war es mit den geregelten Arbeitszeiten. Hebamme: Almuth Wolffs Geschichte zeigt, dass dies ein Beruf der Extreme ist. Zeit, Energie, der Kampf mit den Krankenkassen, die hohen Versicherungssummen, der personelle Notstand, das Glück im Moment der Geburt, die menschlichen Schicksale, die Verantwortung für neu geborenes Leben, die permanente Aufmerksamkeit, „die manchmal 13 Stunden, die wir an einem Tag unterwegs sind.“ Doch da sei eben auch das Glück, die berufliche Erfüllung, die Bestimmung.

Almuth Wollfs beruflicher Werdegang als Hebamme begann mit einer Festanstellung. Sie war Geburtshelferin im Evangelischen Krankenhaus Elsey. 12-Stunden-Dienste, drei bis viermal hintereinander. Permanente Aufmerksamkeit und Konzentration. Nichts darf schiefgehen. Es geht um Menschenleben. Belastung pur. „Du hast auch als Hebamme ordentlich Adrenalin im Blut“, schildert sie den Kick der Geburtssituation. „Eine totale Ausnahmesituation. Anspannung, dann endlich Entspannung, wenn das Kind da ist und schreit. Du kannst süchtig danach werden.“

Nach der Schließung des Krankenhauses trug sich Almuth Wolff mit dem Gedanken, sich mit einer Reihe von Kolleginnen selbstständig zu machen. Doch erst einmal wählte die 56-Jährige doch weiter die finanzielle Sicherheit. Evangelisches Krankenhaus Haspe: Sieben Tage Frühschicht, sieben Tage Nachtschicht, fünf Tage frei. Das immer wieder. Personell unterbesetzt. Drei Frauen gleichzeitig in den Wehen und eine sagt plötzlich: „Ich blute.“ „Das hat mich so zermürbt.“ Im Juni 2010 schloss sie sich mit Christine Faltus zusammen und betreibt fortan mit ihr die Hebammenpraxis Hohenlimburg. „Seitdem bin ich richtig glücklich“, ergänzt sie strahlend.

Versicherungsprämie für Geburtshilfe zu hoch

Das Geschäft läuft, auch weil es „in Hagen nur noch sehr wenige Hebammen gibt.“ Almuth Wolff betreut schwangere Frauen bis hin zur Geburt und dann wieder, wenn sie das Krankenhaus mit ihrem Neugeborenen verlassen haben. Geburtshilfe bieten sie nicht an. „Die Versicherung ist einfach viel zu teuer“, beklagt die 56-Jährige. Und fügt hinzu: „Von den freiberuflichen Hebammen gibt es eigentlich keine mehr, die Geburtshilfe anbietet.“ Auch wenn sie manchmal den Kick vermisse, den man im Augenblick der Geburt empfinde.

Weniger sei die Arbeitsbelastung nicht geworden, lediglich anders. Die ausführliche Dokumentation, die Begleitung in der Schwangerschaft, die Nachsorge. Und mehr noch die der Vorstellung der ständigen Erreichbarkeit, die einige erwarteten. Anrufe am späten Abend oder am Wochenende, Whatsapps mitten in der Nacht, manchmal wegen Belanglosigkeiten: „Einige denken, wir seien 24 Stunden in Bereitschaft. Aber wir sind auch nur Menschen und keine Maschinen.“ Hebamme zu sein, das habe auch ganz viel mit einer Feinfühligkeit zu tun. Die Situation, plötzlich ein Baby zuhause zu haben, sein Leben umkrempeln zu müssen, überfordere zuweilen. „Die eine benötigt Bestätigung, eine andere Anleitung, die Dritte muss man motivieren und die Vierte wieder runterholen“, beschreibt sie. „Wir gehen in die Familien, sind mittendrin. Mit den Jahren entwickelt man ein Gespür dafür, was gerade benötigt wird. Mein Auge ist geschult, beim Öffnen der Tür merke ich, was gerade los ist“, fügt sie hinzu.

Väter nehmen mehr Raum ein

Was heutzutage los ist, sei auch, dass die Väter im gesamten Prozess immer mehr Raum für sich einnehmen. „Sie sind mit schwanger. Manche sagen Dinge wie ‚Wir wollen stillen‘ oder ‚Wir wollen eine natürliche Geburt‘. Ein Vater sagte mir einmal: ‚Ich bin fix und fertig, ich leide mehr als meine Frau.‘ Die antwortete nur: ‚Nein!!‘“, lacht die Fachfrau. Hebamme zu sein bedeute auch, dass man im Gedächtnis der Menschen fest verankert bleibt. „Wenn ich durch Hohenlimburg gehe, werde ich oft erkannt. Dann rufen die Menschen ‚Ah, da ist unsere Hebamme‘. Und ja, irgendwie macht mich das total stolz.“