Boelerheide.. Die Hauptschulen spielen wieder eine bedeutende Rolle im Hagener Schulsystem, zwei bleiben erhalten: zum Beispiel diejenige in Boelerheide.
Eigentlich dürfte es die Geschwister-Scholl-Hauptschule in Boelerheide nicht mehr geben. Vor vier Jahren waren die Schülerzahlen in den Keller gerauscht, keine 200 Kinder besuchten mehr die Lehranstalt an der Kapellenstraße.
Außerdem durfte die Schule 2014 und 2015 keine Fünftklässler aufnehmen, sie sollte auslaufend geschlossen werden und mit der benachbarten Realschule zu einer Sekundarschule verschmelzen. „Als ich Konrektor wurde, war es meine Aufgabe, die Schule ihrem Ende entgegen zu führen“, erinnert sich Rainer Strotmann (50).
Steuer herumgerissen
Doch dann kam alles anders. Elternproteste und der Flüchtlingsstrom ließen die Pläne der Stadt zur Makulatur werden. Durch die Zuwanderung explodierten die Schülerzahlen, die Hauptschule Boelerheide wurde plötzlich wieder gebraucht.
Und Rainer Strotmann, der als kommissarischer Schulleiter im Amt eines Konrektors eigentlich für eine geordnete Abwicklung sorgen sollte, riss das Steuer herum. Er durchlief Qualifizierungskurse und das obligatorische Eignungsfeststellungsverfahren, an dessen Ende er zum ordentlichen Schulleiter ernannt wurde. „Es waren dramatische Zeiten“, sagt er.
450 Kinder und Jugendliche
Die Geschwister-Scholl-Schule ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Zuwanderung das Bildungssystem in Hagen verändert. Im nächsten Schuljahr werden an der schon totgesagten Lehranstalt wieder 450 Kinder und Jugendliche unterrichtet. Was der Rektor und sein 30-köpfiges Kollegium leisten, darf man getrost als Kraftakt bezeichnen.
Von den 150 Schülern, die 2017 an die Schule wechselten, kamen nur 20 von einer Grundschule. 70 dagegen waren Flüchtlinge oder Einwanderer, die gerade mal einen Sprachlernkursus hinter sich hatten, weitere 60 stammten von Realschulen, wo sie überfordert waren. „Es mag sich wie eine Platitüde anhören, aber die Beschulung dieser unterschiedlichen Persönlichkeiten gelingt nur mit einem engagierten Kollegium“, sagt Strotmann: „Und das haben wir hier.“
Heterogenes Leistungsvermögen
Nicht nur die Herkunft, auch das Leistungsvermögen der Kinder und Jugendlichen ist bunt. Während der ehemalige Realschüler in Mathematik auf Topniveau ist, scheitert manch zugewandertes Kind vielleicht schon beim Lesen der Aufgabenstellung. In solchen Fällen müssten die Lehrer viel erklären und fördern, erläutert Strotmann: „Wir haben Helfersysteme installiert, damit die Schüler sich auch gegenseitig unter die Arme greifen können.“
Der Pädagoge aus Dortmund ist ein erklärter Anhänger der Schulform Hauptschule und froh, dass die Scholl-Schule überlebt hat. Als großen Vorteil sieht er das herrschende Klassenlehrerprinzip, das es dem Klassenlehrer ermöglicht, „seine“ Schüler und deren Fähigkeiten bestens kennenzulernen. „Viele meiner Kollegen haben sich ja bewusst für eine Hauptschule entschieden. Wir sind bereit, auch fachfremd zu unterrichten, um eine funktionierende Schüler-Lehrer-Beziehung aufzubauen.“
Zweiter Standort
Totgesagte leben jedenfalls länger, auch dafür ist die Hauptschule ein Beleg. Neben dem angestammten Platz in Boelerheide besitzt sie mit der ehemaligen Hauptschule in Vorhalle inzwischen einen zweiten Standort. Strotmann schwebt vor, dort die neunten und zehnten Klassen unterrichten zu lassen, die jüngeren Schüler aber in Boelerheide zu belassen. Längst stammt der Großteil der Schüler nicht mehr aus dem Hagener Norden, sondern verteilt sich gleichmäßig über das gesamte Stadtgebiet sowie auf Herdecke und Schwerte.
Die Zukunft der Boelerheider Schule scheint jedenfalls gesichert. So ändern sich die Zeiten.