Kuhlerkamp. Udo Bechmann aus der Kleingartenanlage Kuhlerkamp gärtnert für eine Rückkehr von Insekten und Vögeln. Der 62-Jährige setzt auf Nachhaltigkeit.

Udo Bechmann (62) sitzt im Schatten seiner Laube, er blickt in seinen Garten, er hadert mit dem Klima und mit der menschlichen Spezies: „Ich will nicht klugscheißern“, sagt er: „Aber wir sind verschwenderisch.“ Die Erde erwärmt sich, die Insekten verschwinden und mit ihnen die Vögel, der Regen bleibt aus – daraus müsse doch jeder Gärtner seine ganz persönlichen Konsequenzen ziehen: „Aber es gibt Leute, die sind wirklich starrsinnig.“ Die räumten ihren Garten auf und entfernten jedes vermeintliche Unkraut aus ihren Beeten, als gebe es keine dramatische Veränderung in der Welt und als könne alles so weitergehen wie bisher.

Kann es nicht, sagt Bechmann. Sein Gartentor steht häufig offen, sagt er, und das sei als Einladung zu deuten, dass jeder zu ihm hereinspazieren und seine Pflanzen betrachten und mit ihm diskutieren könne. Zum Beispiel über das Verschwinden der Tiere: „Ab und zu fliegt mal ein Kohlweißling vorbei, aber das ist schon alles.“ Er vermisse den Gesang der Vögel: „Keine Wildkräuter, keine Schmetterlinge. Keine Insekten, keine Vögel. Das ist ein Kreislauf.“ Udo Bechmann ist wütend und traurig zugleich. Ein Stück Natur, so wie er sie kennt, scheint im Verschwinden begriffen zu sein.

Gelbe Bohnen sind Lieblingsgemüse

Und Udo Bechmann gärtnert dagegen an. Er hasst Gärten, die bis in den letzten Winkel hinein makellos und geradezu hygienisch wirken. „Wenn ich jede Brennessel ausrupfe, darf ich mich nicht wundern, dass die Insekten ausbleiben“, sagt er grimmig. Auf einem Streifen an der Hecke lässt er Oregano, Waldmeister, Bärlauch und Maistöckchen, die jetzt ihre roten Samenkapseln, die wie kleine Früchte aussehen, tragen, wild durcheinander wachsen. Manchmal blieben andere Mitglieder der Kleingartenanlage Kuhlerkamp, in der Bechmann seine Parzelle bewirtschaftet, kopfschüttelnd stehen um zu fragen: „Na, Udo, was ziehste da denn wieder?“ Und das bereitet ihm heimliche Freude.

Brokkoli im Garten von Udo Bechmann.
Brokkoli im Garten von Udo Bechmann. © WP | Michael Kleinrensing


Im Gemüsebeet gedeihen Tomaten, Grünkohl, schwarzer Winterrettich, Zucchini, Kohlrabi und Broccoli, außerdem gelbe Bohnen, die sein Lieblingsgemüse sind. Seine Frau hat schon etliche Rationen eingefroren, die Wurzeln lässt er im Boden, da sie reichlich Stickstoff enthalten und einen guten Dünger abgeben. Zwischen den Gurken, das können viele Gärtner nicht verstehen, sagt er und lächelt spöttisch, sprießen Ringelblumen in die Höhe: „Weil sie die Gurkenpflanzen beschatten, dann verdunstet nicht so viel Feuchtigkeit.“

Dillsamen überall ausgestreut

Drum herum wächst Mais, die Kolben schmecken hervorragend auf dem Grill. Und dass aus vielen Ecken Dill hervorlugt, ist dem Umstand geschuldet, dass Bechmann den Samen ziellos in den Beeten ausstreut – das würde ein auf Ordnung bedachter Gärtner nie tun.

Manches wirkt improvisiert in Bechmanns Garten und ist doch eine nachhaltige Nuance. Die Fuchsien grüßen aus den Sohlen alter Gummistiefel, die durchlöchert und nicht mehr zu gebrauchen waren. Morsche Äste seiner Obstbäume hat er zu einem asymmetrischen Ensemble in den Boden gesteckt, wo sie als Totholzhaufen eine zweite Karriere starten und zahlreichem Getier Unterschlupf bieten. Ein Steinhaufen dient als Versteckt für Eidechsen. Und als seine Enkelin dem Sandkasten entwachsen war, verwandelte der Opa das Geviert in eine Blumenwiese mit Zinnien und Schokominze, an der sich die Bienen laben.

Kritische Worte

Aus einer ausgedienten Gießkanne hat Bechmann eine Schale herausgeschnitten und zu einer Insektentränke umfunktioniert. Steinchen in dem Behältnis sorgen dafür, dass die Tierchen nicht absaufen, sondern stets aus dem Nass herauskrabbeln können.

„Wir leben zu gut“, sagt Udo Bechmann. „Wir leben im Überfluss. Wir machen alles kaputt und merken es nicht.“ Er nehme sich von dieser Kritik nicht aus, sagt er. Er wünscht sich, dass die Fauna zurückkehrt in seinen Garten. Dass die Welt wieder voller Vogelgezwitscher ist.

Er liebt es, Besuchern vom besonderen Aroma seiner russischen Tomaten vorzuschwärmen, von den blauen Quedlinburger Bohnen, die im Kochtopf grün werden, von dem Pfirsichbaum, den er aus einem Kern gezogen hat. Nur herein, solange sein Gartentörchen offen steht.

Ist die Pforte geschlossen, will Udo Bechmann seine Ruhe haben.