Hagen..
„Partei ist Organisation. Organisation ist das Fundament für Erfolge einer Partei.“ Die SPD hat sich nach den monatelangen Flügelkämpfen gerade neu organisiert – mit Timo Schisanowski an der Spitze. Der junge Unterbezirksvorsitzende der ältesten Partei Deutschlands blickt heute auf 100 Tage im Amt zurück. „Der Start hat geklappt, auch wenn ich vorab mächtig Respekt hatte“, zieht der 31-Jährige Bilanz.
Die ersten hundert Tage seiner Amtszeit brachten viel Arbeit mit sich. „Das heißt nicht, dass ich überhaupt kein Privatleben führe, man muss sich Freiräume schaffen“, betont Schisanowski. Ein wenig haftet ihm das Image des Parteisoldaten an. Doch so richtig scheint es den Hobbyjogger nicht zu stören: Schließlich fühlt er sich in der Rolle des Politikers pudelwohl. „Die Bürger sehen mich eben als Politiker, damit muss man professionell umgehen. Mich stört das nicht. Ich habe gerne Kontakt mit Menschen.“ Und so ist er auch bei privaten Besuchen der Spiele von Phoenix oder VfL immer auch Politiker.
Stallgeruch unerlässlich
Zur Partei ist der Abiturient des Christian-Rohlfs-Gymnasiums im Bundestagswahlkampf 1998 gekommen. Seinen Weg zu und in der Politik könnten sich die Imageberater in der SPD-Zentrale nicht besser ausdenken: Im Arbeitermilieu – der Vater ist Bäcker, die Mutter Erzieherin – groß geworden, aus reinem Interesse allein zu einer Ortsvereinssitzung gegangen, von dort zu den Jusos, Beisitzer im Ortsverein, parallel Jusoarbeit, Vize-Ortsvereinsvorsitzender, Vorsitzender in Haspe, 2009 als Bildungsobmann in den Vorstand des Unterbezirk und nun dessen Vorsitzender.
„In der Endphase der Ära Kohl hat mich an der SPD überzeugt, dass sie als Schutzmacht des kleinen Mannes auftrat.“ Kaum zu glauben, dass ein 17-jährige Schüler seine Beweggründe seinerzeit schon so formuliert hätte. Aber der zielstrebige Jungspund möchte nach vorne, da ist sozialdemokratischer Stallgeruch unerlässlich.
Vieles läuft in Schisanowskis politischem Leben nach Plan. Alles nicht. „Eigentlich hatte ich vor in diesem Jahr mein Jurastudium mit Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht abzuschließen“, räumt der Student der Ruhr-Uni ein. Dann kam’s anders: Jürgen Brand warf den Parteivorsitz hin, so tat sich die Chance für Schisanowski etwas zu früh auf: „Eigentlich wollte ich noch ein Jahr in Jürgens Schatten bleiben“. Seine politischen Instinkte aber witterten die Möglichkeit, die sich unerwartet bot. Als es dann Neuwahlen in NRW gab, war für das Studium erst recht keine Zeit: „Ich werde auf alle Fälle meinen Abschluss machen“.
Strategisch denkender Kopf
Aber erst mal kümmert sich Schisanowski darum, die Hagener SPD fit für die anstehenden Wahlkämpfe zu machen. Auch wenn er seine Person dabei nicht allzu wichtig nehmen möchte, weiß er um die Rolle eines Parteivorsitzenden: „Eine Partei braucht einen strategisch denkenden Kopf.“ Organisation, Kommunikation, Strategie – das sind die Aufgabenfelder, die Schisanowski für sich definiert hat. Jedenfalls für den Augenblick. Denn mit Blick auf die politische Karriere bedarf es zudem noch einer inhaltlichen Profilierung. Soweit mag Schisanowski nicht denken, jedenfalls nicht öffentlich. „Ich bin jetzt hundert Tage im Amt und der Parteivorsitz ist auf lange Zeit angelegt.“ Zu mehr lässt sich der Hasper nicht hinreißen. Ganz Politiker eben. Der Hagener Parteivorsitz wird nicht das Ende der Karriere sein. Doch der Mann geht strategisch vor: einen Schritt nach dem anderen. „Ich weiß nicht, was in fünf Jahren sein wird“, bleibt Schisanowski gelassen. Wenn sich eine Chance für ihn ergibt, wird er bereit sein sie zu ergreifen. Alles eine Frage der Organisation.
Wie kommt der neue Parteichef an?
Wie erleben mittel- oder unmittelbar mit Timo Schisanowski zusammenarbeitende Menschen in der Hagener SPD ihren neuen Parteichef? Die WR hörte sich um.
Dass er an der Basis noch als „junger Schnösel“ skeptisch beobachtet werde, da müsse Schisanowski drüberstehen, meint Günter Mosch, SPD-Ortsvereinsvorsitzender in Boelerheide. Jürgen Brand als gestandener, lebenserfahrener Karriereist sei grandios gescheitert, nun versuche es ein junger, ambitionierter Mensch: „Wieso nicht?“ Günter Mosch hofft, dass der rhetorisch begabte Schisanowski die Flügel in der Hagener SPD einen kann: „Da darf nichts wieder aufbrechen!“ Mosch rechnet dem neuen Parteichef an, dass er spontan aus der Deckung gekommen sei; welches Kalkül dahinter stecke, ist Mosch egal: „Timo polarisiert nicht.“ Ein Kraftakt intern werde der Umbau der überkommenen Ortsvereinsstruktur sein, das müsse endlich angepackt werden.
Petra Büdenbender, Vorsitzende des Ortsvereins Dahl, lobt Schisanowskis ausgleichende Art: „Der hat sich schnell eingearbeitet, ich halte ihn für kompetent.“ Er sei bereits in Dahl gewesen und habe für alle Probleme ein offenes Ohr gehabt.
Dietmar Thieser, Bezirksbürgermeister in Haspe, gefällt, dass unter Schisanowski die Parteiflügel ruhig und gemeinschaftlich zusammenarbeiten. „Timo hat bereits die Sachpolitik wieder nach vorne geholt, die SPD steht in der Öffentlichkeit besser dar, es weht ein für alle spürbarer frischer Wind.“
Ihn nach 100 Tagen, von denen viele in der Sommerpause lagen, schon zu beurteilen, findet Wolfgang Jörg, SPD-Landtagsabgeordneter und für vier Jahre selber schon mal Parteichef in Hagen, falsch. „Timo braucht langen Atem.“ Die Entscheidungskompetenz als Vorsitzender werde oft überschätzt, Schisanowski könne nur gemeinsam mit allen Flügeln wirken: „Ein Einzelner kann nicht den Takt angeben“. Für Jörg erfüllt der junge Genosse alle Ansprüche - allerdings warteten jetzt erst die wahren Herausforderungen auf ihn. Etwa der Bundestagswahlkampf, der jetzt vorbereitet werden muss: „2013 wird’s ernst, da wird er sein Gesellenstück abliefern, da bin ich sicher.“ Die Meisterschaft werde die Mandataufstellung zur Kommunalwahl 2014 sein.
Bundestagswahlkampf wird die Partei zusammenschweißen
Wilfried Kramps, lange Jahre Unterbezirksvorsitzender in Hagen, erwartet von Schisanowski, dass er „nach innen Ruhe im Laden hält und nach außen Akzente setzt“. In Sachen Flügelkämpfe sei das Eis tragfähig, aber leicht brüchig, meint Kramps. Der Bundestagswahlkampf werde die Partei zusammenschweißen, das spiele Schisanowski in die Hände. „Da erwarte ich jetzt was. Er muss Bundesthemen besetzen.“
„Timo hat es bislang geschafft alle Fettnäpfchen zu umgehen,“ urteilt Michael Grzeschista, Vorsitzender des Ortsvereins Eilpe: „Bin positiv überrascht“. Schisanowski führe die Partei in die Sacharbeit, sogar in der Ratsfraktion sei dies spürbar. Er müsse jetzt soziale Kompetenz beweisen. Dazu gehöre kommunalpolitische Arbeit in mehr Themenfeldern als nur im Sportausschuss.