Hagen. Sven Eklöh aus Hohenlimburg entstammt einer der schillerndsten Dynastien im deutschen Einzelhandel. Er leitete lange die Geschicke von Hussel.
Die Zentrale der Süßwarenfirma Hussel in Bathey wird am 31. Juli geschlossen. Damit verliert Hagen 71 Jahre nach der Gründung durch Rudolf Hussel eines seiner bekanntesten Unternehmen. Wir sprachen mit Sven Eklöh (57), der von 2002 bis 2016 als Geschäftsführer die Geschicke von Hussel leitete.
Was haben Sie gedacht, als Sie vom Ende der Firma Hussel erfuhren?
Sven Eklöh
Das war ein Schock für mich, es hat mich tief getroffen. Ich war der Firma ja nicht zuletzt familiär verbunden, Rudolf Hussel war mein Onkel. Hussel war die Keimzelle des Douglas-Konzerns, und wenn man wissen will, was dieses international erfolgreiche Unternehmen denn eigentlich mit einer Stadt wie Hagen verbindet, dann hat das eben mit meinem Onkel 1949 seinen Anfang genommen. Später kam Herbert Eklöh hinzu, einer der Pioniere des Einzelhandels in Deutschland. Jetzt ist es zu Ende, und das macht mich traurig.
War das bevorstehende Aus nicht abzusehen?
Ich beobachte die Entwicklung seit einigen Jahren nur noch von außen. Aus der Ferne macht es natürlich Sinn, Hussel abzuwickeln, denn die Arko-Gruppe, zu der das Unternehmen seit drei Jahren gehört, hat ja in Schleswig-Holstein eine eigene Zentrale. Der Handel ist ein richtig schweres Geschäft, das können Sie mir glauben. Und die Pandemie muss die Branche hart getroffen haben. Mit Süßwaren macht man nur zweimal im Jahr, zu Weihnachten und zu Ostern, Gewinn. Im Rest des Jahres werden Verluste eingefahren. Das Ostergeschäft ist wegen Corona fast komplett ausgefallen, da hat Arko vielleicht die Notbremse gezogen. Es ist letztlich eine unternehmerische Entscheidung.
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Welche Rolle haben Sie gespielt, als Douglas aufgespalten wurde?
Moment, ich war lediglich angestellter Geschäftsführer von Hussel, einer der Gesellschaften des Konzerns, und nie Inhaber. Aber wenn man die Sache richtig durchleuchtet, dann folgten die Geschehnisse seit 2012 bestimmten Gesetzen des Kapitalmarktes. Alles begann damit, dass die Oetker-Gruppe ihre Anteile an der Douglas-Holding veräußerte – veräußern musste, weil sie selbst Kapital benötigte. Und weil sich wohl auf dem deutschen Markt kein Investor fand, kam Advent International zum Zuge, ein amerikanischer Kapitalgeber. Böse Zungen behaupten auch: eine Heuschrecke.
Hätten Jörn und Henning Kreke das nicht verhindern können oder sogar müssen?
Nein, das wäre zu kurz gesprungen und auch unfair – schon allein deshalb, weil sie dafür gar keine Mehrheit besaßen. Im Gegenteil: Sie haben alles versucht, um die Gesellschaften am Markt zu halten. Erst recht kann man sie nicht dafür verantwortlich machen, dass es die Hussel GmbH bald nicht mehr gibt.
Haben Sie denn damals nie mit dem Gedanken gespielt, Hussel selbst zu übernehmen?
Doch, ich hatte die Ambition mich einzukaufen, weil ich etwas Geld auf der hohen Kante hatte. Ich sah das als Chance für mich und für Hussel, ich glaubte an eine Wachstumsstory. Ich hatte mit Emeram auch einen Partner, und die Sache ließ sich gut an. Allerdings ging es bald nur noch um den schnellen Profit, es wurde mit harten Bandagen gekämpft, und das passte mir nicht. Da habe ich mich auszahlen lassen. Der Douglas-Konzern und auch Hussel haben immer von Innovation und Kreativität gelebt. Damit konnt ich mich identifizieren. Es war mein Lebenstraum. Bisweilen sage ich immer noch Wir, wenn ich von Hussel spreche.
Sie waren bekannt, galten als „Pralinenkönig“.
Ja, so hat mich ein Magazin genannt. Und wir fühlten uns bei Hussel auch ein bisschen wie Könige, wir waren die Nr. 1 im Süßwarenhandel. Das Gesellschaftliche habe ich genossen, aber ich war nicht scharf darauf. In Wirklichkeit habe ich Tag und Nacht gearbeitet, ich habe die Familientradition in mir gespürt, eine unheimliche Dynamik. Ich hatte ja schon als Kind den Wunsch, im Unternehmen mitzuarbeiten, und 2002 hat sich dieser Traum erfüllt. Ich war offen, kreativ, flexibel, fleißig und letztlich auch erfolgreich.
Sie haben aber nicht, wie der Kreke-Zweig, in den USA gelernt.
Doch, ich war ein Jahr lang bei Furr’s Incorparate in Texas tätig. Aber Sie haben recht, von der Pike auf gelernt habe ich den Handel bei Käfer in München. Gerd Käfer war mein Mentor, ein echter Vollbluthändler. Der hat mich geprägt.
Warum haben Sie sich nach dem Ausstieg bei Hussel nicht zur Ruhe gesetzt?
Ich war einer der Eklöhs, die noch arbeiten mussten (lacht). Im Ernst: Dazu fehlte mir das Vermögen, und selbst wenn ich es gehabt hätte: Sollte ich den ganzen Tag Golf spielen? Das ist nicht mein Spirit. Auf meinem Konto lag eine Summe, und die habe ich komplett in den Rewe-Markt in Hohenlimburg investiert. Das ist jetzt mein Geschäft, hier steckt alles drin, was ich hatte. Was ich hier tue, füllt mich ganz und gar aus. Wir haben sechs Tage die Woche von 7 bis 22 Uhr geöffnet, und ich bin fast immer hier. Ich liebe es. Ich bin auch ein Vollbluthändler. Dies ist mein Metier. So ganz ohne Hussel geht es aber nicht.
Was meinen Sie?
Ich führe nach wie vor Hussel-Produkte in meinem Sortiment. Aus alter Verbundenheit.
Hat Corona Sie nicht zurückgeworfen?
Ich lebe täglich mit der Angst vor dem Virus, der Angst um die Gesundheit meiner Mitarbeiter, der Angst um das Geschäft. Da ist etwas Unbekanntes, das ich nicht einschätzen kann. Andererseits bin ich auf einmal systemrelevant. Mehr als 30 Jahre lang wurde ich bemitleidet, wenn ich erzählt habe, dass ich im Handel tätig sei, weil das so ein hartes, aufreibendes Metier ist. Nun werde ich erstmals wertgeschätzt. Das kenne ich so nicht.